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Partnering im Parlament: Grillen und gegrillt werden

Spiegel-Titel 16-10
Bild: Spiegel-Titel 16 / 2010

 

Hin und wieder ist es an der Zeit, seinen Englisch-Wortschatz ein wenig aufzumöbeln. Oder wussten Sie etwa, was Partnering auf deutsch heißt? Dabei: so schwer ist es ja eigentlich nicht. Den Begriff „Partner“ kann man ja heute nicht mehr als Fremdwort betrachten, so eingedeutscht wie er ist. Und die ing-Form – auch klar: am tun, am machen sein, oder so.

Ich gehe einmal davon aus, dass Sie gestern die Nachrichtenlage ein wenig verfolgt haben, dass Ihnen also zum Stichwort „Partnering“ etwaige unanständige Assoziationen, so sie Ihnen überhaupt gekommen sein sollten, inzwischen abhanden gekommen sein dürften. Partnering ist nämlich überhaupt nichts Unanständiges oder Perverses oder so. Im Gegenteil: Partnering ist eine ganz saubere Sache.
Partnering bedeutet zum Beispiel, dass Bundeswehreinheiten afghanische Truppenteile begleiten, wenn es heißt, Gebiete aus dem Talibanland zu erobern und zu sichern. Partnering ist somit keine Ferkelei, sondern eine hochanständige Tätigkeit – im Grunde eine Heldentat.
Allerdings auch nicht ganz ungefährlich. Und, wie Verteidigungsminister von und zu Guttenberg gestern darlegte, kann es „künftig noch gefährlicher“ werden, zum Teil sogar „sehr gefährlich“. Bislang galt: der Bundeswehreinsatz am Hindukusch „war und ist“ gefährlich. Jetzt, dank der neuen Partnering-Strategie, gilt die neue Semantik.
Wie vom kriegsähnlichen Zustand über den umgangssprachlichen Krieg hin zum Zustand, wie der „Spiegel“ diese Woche frontal aufs Blatt knallt: „Im Krieg“. So auch vom Brunnenbauen über den Schutz für alles und jeden, jetzt auf ins Partnering. Hurra!

Und was sagt der deutsche Landser dazu? Genau dies erfahren wir in der aktuellen Ausgabe des „Spiegel“. Heißt es auf dem Titel, wie Sie sehen, recht martialisch „Im Krieg. Deutsche Soldaten über das Töten und Sterben in Afghanistan“, ist die Überschrift der Titelgeschichte eher etwas für´s Herz: „Warum sterben Kameraden?“
Selten bescheuerte Frage, könnte man meinen. Was soll man schließlich sonst im Krieg anstellen. Ja, Töten ginge ansonsten noch, ist klar; aber so ist die Frage freilich nicht gemeint. Eher so, warum die Bundeswehr überhaupt in Afghanistan ist. Vom Begriff „Partnering“ erfährt man zwar noch nichts; aber der Inhalt dessen, was ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal all denen erklärte, die es irgendwie noch nicht wussten, nicht einmal aus dem neuen „Spiegel“, kommt ganz gut rüber.
Der „Spiegel“ merkt an, dass Kanzlerin Merkel, als sie letzte Woche Donnerstag in San Francisco erklärte, ihre Gedanken seien bei den Opfern Nr. 40, 41, 42 und 43, korrekt gekleidet war, und fragt: „Gehört die schwarze Kleidung von jetzt an auf jeder Reise dazu?“
Da der „Spiegel“ die Antwort schuldig bleibt, müssen Sie damit leben, dass ich – obgleich kein offizieller Sprecher der Kanzlerin – sie Ihnen gebe: Ja! Frau Merkel sei jetzt „Kriegskanzlerin“, schreibt das Nachrichtenmagazin und deshalb, tja:
“Aber so ist es nun. Wer noch leugnen will, dass Deutschland in einen Krieg verwickelt ist, verhöhnt die Soldaten und veralbert die Bevölkerung.“

Aber sorry, liebe „Spiegel“-Redakteure, das macht selbstverständlich kein Mensch, nicht einmal unser aller Kanzlerin. Aber was bedeutet Krieg? Das konnte leider auch heute Frau Merkel nicht so ganz genau sagen; doch die Bundeskanzlerin „versteht gut, wenn Soldaten den Einsatz als Krieg bezeichnen“. Sie selbst benutzte das Wort freilich nicht, verwies jedoch darauf, dass die Bundeswehr in Afghanistan auch deutsche Interessen schütze.
Bislang war vor allem die Rede davon, dass deutsche Soldaten die Ausbildung der afghanischen Kollegen dadurch gewährleisten, dass unsere Profis diese Dritte-Welt-Stümper bei ihren Ausflügen ins Feld begleiten. Partnering eben, jetzt auch mit dem passenden englischen Fachbegriff.
Und der „Spiegel“ lässt „unsere Jungs“ selbst zu Wort kommen – mit ihren Gefühlen und allem. Dieser hier hat mir besonders gut gefallen: ein Stabsgefreiter, rangordnungsmäßig also nicht on Top, Dienstsitz derzeit Feldlager Kunduz. Er gibt zu Protokoll:
“Meine Freundin hat Riesenschiss, dass mir was passiert. Ich selbst habe eigentlich keine Angst. Ich bin ja die ganze Zeit beschäftigt, wir arbeiten hier sieben Tage die Woche. Da hat man nicht so viel Zeit zum Nachdenken. Ich mache den Job, weil ich Soldat bin. Es gibt einen Auftrag, es gibt einen Befehl, deshalb mache ich das. Wozu all das gut ist, müssen andere sagen.“
Unter uns: für manche ist es ja ganz gut, dass es die Bundeswehr gibt. Die würden doch sonst nur auf dumme Gedanken kommen. So haben sie wenigstens den ganzen Tag etwas zu tun. Diskutieren, das machen schon die Offiziere. Von denen ist das jedoch „irgendwie bescheuert, dass sie einem das nicht von vornherein sagen“, nämlich dass der Herr Stabsgefreite womöglich ein halbes Jahr am Hindukusch bleiben „muss“. Für ihn an sich kein Problem; aber die Freundin …
„Aber ich glaub schon, dass es unterm Strich gut ist, was wir hier machen. Ich verstehe nur nicht, warum die Afghanen das nicht einsehen.“ Ja nun, der Bursche ist Soldat, und wenn die Afghanen das schon nicht verstehen, wie soll er dann verstehen, warum die Afghanen das nicht verstehen. Verstehen Sie?

Fürs Verstehen sind nämlich nicht einfache Soldaten, sondern komplizierte Intellektuelle zuständig. Aber nicht einmal die verstehen das alles insgesamt so ganz genau. Zum Beispiel Claus Peymann, seines Zeichens Theaterintendant. Was der nicht versteht:
“Leider gehen anders als gegen die Kolonialkriege in Korea und Vietnam diesmal nicht Millionen Menschen auf die Straße. Ich frage mich: Wie kann das sein?“ Klar, verstehen kann man das nicht. Aber es dämmert – dem Peymann: „Die Taliban sind ein Phantom, ein dunkler Feind, den wir nicht sehen können. Das macht die Solidarisierung mit diesen sogenannten Feinden so schwer.“
In der Tat: das ist aber auch alles ganz schön schwer. Aber es hilft ja nichts. Es muss ja alles irgendwie weitergehen. Die Solidarisierung mit sogenannten Feinden, das Partnering mit echten Freunden, und das ganze Drum und Dran. Deshalb knüpft sich heute der Bundestag das ganze Thema mal in deutscher Gründlichkeit vor.
Im Plenum hat Merkel gerade ihre Regierungserklärung beendet. Da wird Steinmeier schon das passende Kontra finden. Und im Kunduz-Untersuchungsauschuss ist der zu Guttenberg heute dran. Die Opposition will ihn dort heute grillen. Natürlich mit offenem Visier. Schließlich ist die parlamentarische Opposition kein Phantom, kein dunkler Feind, den wir nicht sehen können. Eher so ein Partner für die anstehenden Grillpartys. Es wird Frühjahr. Die Grillsaison beginnt. Auf in den Kampf, auf zum Partnering, auf zur Grillparty!

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