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„WGD – Wir gestalten Duisburg“ Von Bruckhausen in den Rat der Stadt

Es ist der heißteste Tag des Jahres in Duisburg. Die Luft steht bei 38 Grad in den Straßen von Duisburg Bruckhausen.

Die Reinerstraße ist in ganzer Länge eine verkehrsberuhigte Zone. Viele Kinder spielen vor den Häusern. Die Vereine und Imbisse haben Tische und Stühle herausgestellt. Die Menschen trotzen der Hitze bei einem Glas Tee oder einem kühlen Ayran.

Hier mitten im Kiez sind wir zum Gespräch mit der Wählerinitiative „Wir gestalten Duisburg“ verabredet.- und gespannt wo hier das Gespräch stattfindet. Treffen wir uns einfach auf der Straße oder in einem der zahlreichen Vereinslokale? Wir halten schließlich vor dem vereinbarten Treffpunkt in der Reinerstraße 10 und sind verwundert. Das Treffen findet in einem eigenen Parteibüro statt. Ein ehemaliger Laden mit 2 Räumen, Konferenzraum und Schaufensterwerbung für die WGD.

Rund 10 Leute stehen vor dem Lokal, weitere 8 sitzen im vorderen Konferenzraum. Levent Önder begrüßt uns auf der Treppe. „Das ist eine bulgarische Initiative… Die nutzen unseren Konferenzraum für ihre Treffen.“

Bis vor kurzem kannte kaum jemand den Namen WGD und jetzt sitzen wir in einem eigenen Parteibüro mit dem Vorstand im Hinterzimmer, während wir vorne ein reges Kommen und Gehen beobachten. Es scheint spannend zu werden.

Yasar Durmus (YD) ist das Gesicht der WGD. Bekannt wurde er durch seine Kandidatur gegen Oberbürgermeister Sören Link im Jahr 2017. Jetzt kandidiert er auf Listenplatz 2 für das Ratsmandat in Marxloh. Levent Önder (LÖ) ist Spitzenkandidat für den Bereich Röttgersbach.

XN: Wir gestalten Duisburg,- eine neue Initiative am Start zur Kommunalwahl. Warum braucht es wieder etwas Neues, statt sich in einer der vorhandenen Parteien zu engagieren?

LÖ: Weil die Anderen Duisburg nicht gestalten… und das WIR ist bei ihnen nicht vorhanden. Zudem gibt es für viele Menschen mit Migrationshintergrund derzeit auch nichts Wählbares. Wenn man sieht, wie die anderen Parteien ständig über uns herfallen, wie die Islamdebatte geführt wird oder wie Integrationsarbeit gestaltet ist… Das sind alles Dinge, die nicht dazu einladen Vertrauen zu fassen. Nehmen Sie weiter die Kopftuchdebatte oder den Umstand, dass in einem Land mit Religionsfreiheit meine Religion in Vereinsform stattfinden muss. Das alles führte dazu, dass viele Menschen seit Jahren den Wunsch hatten, etwas Eigenes zu gestalten. Dann kam 2017 der Vorfall, wo ein Mann in Bruckhausen Polizeiopfer gewesen ist und der Oberbürgermeister von Duisburg, ohne die Fakten zu kennen, uns als asozial bezeichnete. Da reichte es dann.

XN: Was löste das aus?

LÖ: Es löste aus, dass wir eigentlich nur eine Entschuldigung forderten, die der Oberbürgermeister nicht geben wollte. Als er dann zurück trat, um sich gleich wieder zur Wahl zu stellen, haben wir gesagt: Jetzt machen wir ernst,- jetzt kandidieren wir gegen ihn. Das hat Yasar Durmus dann gemacht und knapp 7.000 Stimmen aus dem Stand herausgeholt. Der Wahlkampf führte dazu, dass statt einer Versöhnung eine immer größere Kluft entstand. Die Themen von Sören Link hätten auch einer AFD gutgestanden,- aber genau mit diesen Themen hat er ein hervorragendes Ergebnis erzielt. Was er nicht beachtet hat, ist, was er mit diesem „Wir gegen Die Wahlkampf“ in der Stadtgesellschaft zerstört hat. Ich habe ihm dann persönlich versprochen, dass wir bei der nächsten Wahl in den Rat einziehen werden… und hier sind wir jetzt.

XN: Wo sehen Sie Ihr Wählerpotenzial?

LÖ: Aktuell liegt unser Fokus aus dem Gründungsgedanken heraus natürlich bei Menschen mit Migrationshintergrund. Das sind zunächst türkischstämmige Leute, aber auch Bulgaren und Rumänen, die vor kurzem zu uns gekommen sind. Es sind die Menschen, die von der Politik in Duisburg aktuell nicht gehört, oder sogar bekämpft werden. Mittelfristig wollen wir uns aber dahin entwickeln eine Partei zu sein, die für alle in Duisburg attraktiv ist. Wir haben jetzt schon viele deutsche Sympathisanten, aber das ist noch ausbaufähig. Das WIR steht ja letztlich nicht für eine Gruppe, sondern für Alle, die sich mit einem Ziel identifizieren.

XN : Das klingt jetzt aber alles für eine neue Wählerinitiative sehr gekränkt und theoretisch…

LÖ : ich kann Ihnen sagen: Hätte es über die ganzen letzten Jahre nicht diese Vorkommnisse der Spaltung in Duisburg gegeben, dann wären viele von uns wahrscheinlich sogar noch in der SPD. Auch ich war dort Mitglied und habe mir das Parteibuch als Mahnung aufgehoben. Dass es uns und Andere gibt ist allein dem Verhalten dieser Partei in Duisburg geschuldet. Klar haben wir versucht uns zu engagieren, haben geredet und wollten Verantwortung tragen. Am Ende warst Du dann aber immer nur „der Türke“- auch wenn Du wie ich Akademiker warst. Es gibt in dieser Partei selbstverständlich auch diese „Quotenausländer“, die mal zwischendrin für die Bezirksvertretung oder den Rat aufgestellt werden. Im Endeffekt geht es aber um die Sicherung der eigenen Pfründe und der eigenen Position. Da ist kein WIR zu erkennen.

XN: Trotzdem sind das doch eher Wunschträume so von null in den Rat, oder?

YD: Genau da liegen Sie falsch. Uns gibt es ja schon viel länger. Wir sind schon seit Jahren eine Gruppe, die Menschen im Stadtteil hilft. Egal, wer in Not ist kann sich bei uns melden und wir versuchen Lösungen zu finden. Wenn ich allein daran denke, wieviel Lebensmittel wir inzwischen während der Coronapandemie aus Spenden verteilt haben. Das waren jede Woche mehrere Paletten mit Lebensmitteln. Die hat Yasar Durmus von Großhändlern in Düsseldorf bekommen und die wurden hier unter den armen Leuten verteilt. Bereits seit Jahren unterstützen wir Menschen, wenn es um das Begräbnis eines geliebten Menschen geht. Sie wissen ja sicher, dass hier alles innerhalb von 24 Stunden nach dem muslimischen Glauben geschehen muss. Das ist ein logistischer Kraftakt. Ein wichtiger Aspekt unserer Gemeinschaft ist es auch kranke Menschen zu unterstützen… und wenn es nur der Besuch im Krankenhaus ist. Wir sind auch seit Jahren mit unserer Gruppe fest in den Migrantenvereinen in Bruckhausen, Marxloh und Hochfeld verankert. Da geht es um Hilfe beim Ausfüllen von Formularen, Beschaffung von Möbeln für Arbeitslose, Begleitung zu Behörden und vieles mehr.

LÖ: Wir sind ja seit Jahren am helfen und machen… zunächst ohne jede politische Ambition. Aber genau dieses macht uns jetzt bei den Menschen glaubwürdig. Sie wissen seit Jahren, dass wir Wort halten und das hilft uns jetzt auf dem politischen Weg.

YD: Das mit der WGD war dann nur dem Wahlkampf 2017 geschuldet, als wir sagten: „Es reicht!“ Aus dem Bündnis von Leuten, die überall halfen wurde eine Institution. Zuerst hießen wir „Wir sind Duisburg“. Diese Bezeichnung barg aber rechtliche Probleme und so wurde „Wir gestalten Duisburg“ daraus. Im Endeffekt gefällt uns das sogar besser, denn zu gestalten bedeutet ja immer eine positive Entwicklung. Wir waren also schon seit langer Zeit aktiv und haben somit auch unzählige Kontakte zu Vereinen und einzelnen Menschen, die besser in dieser Stadt vertreten werden wollen.

XN : Finden Sie es legitim in Moscheen Wahlkampf zu machen?

LÖ : Das Gerücht ist absoluter Quatsch. Eine Moschee ist ein Gotteshaus und da hat Politik nichts zu suchen. Wir würden der Moschee auch eher Probleme bereiten, wenn wir dort politisch auftauchen.

Wir sind aktiv in Migrantenvereinen… und das ist etwas komplett anderes. Viele von außerhalb vermischen das immer, weil sie keine Ahnung haben, aber dafür eine feste Meinung. Richtig ist aber: Viele Moscheen haben Unterorganisationen und Vereine, wie Hilfsvereine, Jugendclubs oder Lokale, wo man sich einfach treffen kann. Da sind wir aktiv. Das ist aber genau so, als wenn der SPD Ratskandidat ins evangelische Familienzentrum geht, um dort mit den Besuchern Bingo zu spielen oder etwas anderes, was seine Wahlchancen fördert.

YD: Ich möchte gerne noch ergänzen. Nehmen Sie den aktuellen Fall in Rheinhausen. Da sind Landsleute von uns, die für die SPD kandidieren. Die wurden jahrelang nicht in einer Moschee gesehen und tauchen jetzt plötzlich dort auf um Wählerstimmen zu kriegen. 5 Leute sollen in der Moschee sogar SPD Mitglied geworden sein. Wir können da nur den Kopf schütteln, wie man in einer Moschee Politik machen kann. Wir gehen in die Fußballvereine und auf die Marktplätze. Wir treffen die Menschen vor Ort und nicht da, wo sie beten.

XN : Jetzt gibt es kurioserweise gleich 3 migrantische Wählerinitiativen bzw. Parteien. Was unterscheidet die und ist diese traditionelle Zersplitterung das Aus für den Traum vom Rat?

LÖ: Zunächst einmal sind wir das Original. Wir haben mit den beiden anderen Vorständen intensive Gespräche gehabt. Unser Gedanke war es als eine große Einheit anzutreten. Wir haben sie eingeladen, aber dann kam es dazu, dass es an Formalitäten scheiterte. Es ging dann plötzlich um Listenplätze und persönliche Ambitionen. Genau das ist nicht Unseres und deshalb haben wir den beiden anderen Initiativen, der BIG Partei und dem Bündnis für Duisburg viel Glück gewünscht. Bei uns steht das WIR im Vordergrund, nicht der Einzelne. Das sehen Sie ja schon daran, dass ich Spitzenkandidat bin und nicht der Vater des Ganzen Yasar Durmus.

XN: Werden wir langsam konkret. Eines Ihrer Hauptthemen ist naturgegeben die Integration. Was läuft da schief in Duisburg?

LÖ: Die Frage ist eher, ob so eine Frage ernst gemeint sein kann. Wollen die Spitzen der Parteien überhaupt echte Integration? Wir sind inzwischen in der dritten Generation hier. Meine Vorfahren sogar schon seit vor dem zweiten Weltkrieg. Trotzdem bin ich weiter der Ausländer. Man sagt uns zwar, wir sollen deutsch sein, aber wir werden nie als Deutsche akzeptiert.

Mir hat ein Vorgesetzter mal gesagt, woran das liegen könnte: Die Deutschen haben nie gelernt, multikulturell zu leben. Es gab immer nur sie und dann separiert andere Nationalitäten. Die Türkei zum Beispiel ist eine Nation, in der über vierzig verschiedene Völker zusammenleben. Wir haben da einen ganz anderen Verständnisansatz. Ich sehe hier eher ein mitteleuropäisches Problem.

Ich habe den Vorteil, dass man mich vom Aussehen her nicht sofort als Türken erkennt. Das ist ein großer Vorteil. Meine Frau hingegen wurde teilweise im Eiscafé nicht bedient, weil sie ein Kopftuch trägt. Was glauben Sie, was so was mit einem macht?

Ich habe den Vorteil, dass ich studiert habe und sehr gutes Geld verdiene. Ich habe etwas erreicht in diesem Land und engagiere mich, anderen den Weg zu ebnen. Nur was soll ich jemandem sagen, der nicht eine so gute Bildung hat? Der ist doch voll frustriert. Wie soll ich ihm sagen, dass er Deutschland lieben soll, wenn er hier nicht gemocht wird.

Ich habe den Eindruck, Deutschland weiß selbst nicht, was es hier will.

XN: Sie kandidieren für den Wahlkreis Marxloh. Aktuell bewegt sich hier richtig was, gerade durch das 50 Millionen Programm von dem Marxloh rund die Hälfte abbekommt. Wo wollen Sie Impulse setzen?

LÖ: Zunächst einmal möchte ich, dass dieses Geld bei den Menschen ankommt und dem Stadtteil wirklich was bringt. Ich möchte nicht, dass es wieder in irgendwelchen Kanälen versickert und am Ende steht Marxloh genau so da, wie vorher. Mein Impuls wird unter anderem sein, hier die richtigen Fragen zu stellen und dafür zu sorgen, dass dieses Programm optimale Wirkung entfaltet.

Ich kenne die Förderpolitik der Stadt Duisburg seit Jahren. Nach Marxloh sind seit den 90er Jahren weit über 100 Millionen Euro geflossen. Stellen Sie sich das mal vor. In einen Stadtteil mit 20.000 Einwohnern. Jetzt schauen Sie sich mal an, wohin das Geld genau geflossen ist: In einen eng begrenzten Raum zwischen A59 und dem Thyssen Werk. Über die Hälfte des Stadtteils ist stabil und bürgerlich geprägt. Da ging kein Geld hin. Ich frage mich: warum sieht man davon kaum etwas?

Ich beschäftige mich beruflich täglich mit Projektsteuerung. Genau dieses Wissen will ich einbringen, um genau zu prüfen, ob hier alles so abläuft, wie es soll. Genau deshalb will ich in den Rat.

Wir werden über die sozialen Medien genau dokumentieren, was finanziert wird, wer finanziert wird und wo öffentliche Gelder hinfließen. Wir möchten die Bürger aufklären und deshalb will ich auch in den Haupt-und Finanzausschuss. Mit Zahlen macht mir keiner was vor. Da bin ich anerkannter SpezialistExperte. Ich möchte Transparenz für die Bürger und da werden wir auch den Mund aufmachen. Wir werden die unbequemen Themen offen ansprechen und nicht tabuisieren, wie es die SPD macht.

XN: Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass die Stadt so arbeitet?

LÖ: „Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken“ ist ein deutsches Sprichwort. Sören Link hat Politologie ohne Abschluss studiert und danach eine Verwaltungsausbildung gemacht. Er steht jetzt an der Spitze einer Verwaltung, die einem Konzern gleich zu setzen ist. Ein Konzernchef muss das entsprechende Fach studiert haben, er muss Strategien entwickeln können, Bilanzsteuerung betreiben und den Markt kennen. Kurz: Er kann diesen Konzern gar nicht führen und ist dadurch überall auf Berater angewiesen. Da kann er aber nicht abschätzen, ob er gut oder schlecht beraten wird. Zudem hat er gar nicht die gestalterischen Möglichkeiten, wie ein Bürgermeister in den USA oder der Türkei. Der übt seine komplette Richtlinienkompetenz aus. Also bleibt Sören Link nur alles positiv zu verkaufen und sehr viele Dinge zu verdecken, die täglich schief gehen. Das ist aber ein mitteleuropäisches Problem auch der Industrie. Weder die deutsche Industrie, geschweige denn eine Stadtverwaltung hat ein ausgereiftes Break-Management. Das ist die geplante Möglichkeit die Reißleine zu ziehen, oder umzusteuern, wenn etwas nicht richtig funktioniert.

Andererseits schauen Sie sich Essen an. Duisburg und Essen hatten dieselben Ausgangsbedingungen im Strukturwandel. Schauen Sie sich an, wo Essen heute steht und wo Duisburg immer noch ist. Da können Sie mir doch nicht erzählen, dass hier irgend etwas in den letzten Jahren rund gelaufen ist.

XN: Nur Sie haben immer noch nicht gesagt, wie Sie was ändern wollen…

LÖ: Wenn ich Ihnen das jetzt aus dem Stegreif sagen würde wäre ich unglaubwürdig. Uns geht es zunächst darum ins Rathaus einzuziehen und dadurch überhaupt erst mal Einblick zu bekommen. Hier haben wir gute Beispiele mit den Städten Essen und Berlin. Förderung junger und innovativer Unternehmen sollte klar im Vordergrund stehen. Dies hatte ich 2017 Herrn Link während einer Podiumsdiskussion vorgetragen. Duisburg hat zu viele leerstehende Gebäude. Diese sollten für den Anfang Startups und der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden. Hier sollten wir starten.

Ich bin Finanzspezialist und begleiteleite große Projekte. Ich habe mir vorgenommen zunächst genau zu analysieren, wie dieser Konzern Stadt Duisburg wirklich aufgestellt ist, wie die Finanzströme laufen und wer wie profitiert. Ich werde herausarbeiten, wo Dinge bilanziell und in der Umsetzung negativ verlaufen und dann wird unsere erste Maßnahme sein, Transparenz zu schaffen. Der Bürger muss wissen was Sache ist, um dann mit uns gemeinsam an Verbesserungen zu arbeiten.

XN: Kommen wir wieder zurück nach Marxloh. Wie bewerten Sie dort die Situation.

LÖ: Schauen Sie sich den Stadtteil in Teilen doch mal genau an. Da sind die Immobilien heruntergewirtschaftet. Genau in diese Immobilien wurden Menschen gesteckt, die man in den besseren Vierteln der Stadt nicht wollte. Gesteuert wird das hervorragend durch das Jobcenter und das Sozialamt, welche Mietobergrenzen für sich fest gelegt haben, die diese Menschen automatisch im billigen Marxloh, Bruckhausen oder Hochfeld landen lassen.

Dazu kommt dann, dass sich niemand in Marxloh wirklich um diese Menschen kümmert. Es gibt zwar massenweise Netzwerke und Projekte… nur wo kommen die bei den Menschen an, die nach außen hin die größten Probleme machen. Man bekommt den Eindruck, dass es hier einen ganzen Gewerbe-und Verwaltungszweig gibt, der davon lebt, dass es einen Stadtteil gibt, wo es vielen Menschen schlecht geht. Eine Lösung der Probleme würde ja bedeuten, dass keine Fördergelder mehr nötig sind, die ja zum größten Teil in die Personalkosten von Integrationsunternehmen oder auch eine EG DU gehen, während Vereine, die viel tun leer ausgehen.

XN: Sehen Sie darin auch ein politisches Versagen in Marxloh?

LÖ: Ganz klar. Die SPD regiert hier mit ihrem Ratsherren mit einer Unterbrechung seit über 20 Jahren. Der CDU Rathsherr verliert regelmäßig die Wahl, sitzt aber aufgrund seines Listenplatzes ebenfalls im Rat. Keine dieser beiden Parteien, aber speziell die SPD in Marxloh, hat auf die Veränderungen des Stadtteils reagiert. Ich frage mich, ob der Marxloher SPD Ratsherr überhaupt weiß, was in den vielen Communities außerhalb des Karnevals-oder Fördervereins bzw. der Kirchengemeinde überhaupt an Themen auf der Agenda steht.

Es ist allein schon unbegreiflich, dass ein Ratsmandat in Marxloh mit etwas über 600 Stimmen erreicht werden kann. Nicht mal 8% der Wahlberechtigten haben den für sie zuständigen Ratsherren gewählt. Die SPD hat es geschafft, den Stadtteil in den letzten 20 Jahren politisch einzuschläfern. 

Das ist jetzt endgültig vorbei. Wir werden der SPD keine einzige Stimme wegnehmen,- auch der CDU nicht. Wir sind aktiv in den vielen Migrantenvereinen und informieren auch die neu dazu gekommenen Menschen, dass sie mit ihrer Stimme eine große Macht haben. Es gibt über 3000 Migranten in Marxloh, die bei der letzten Wahl nicht gewählt haben. Das war der Schlüssel der SPD zum Ratsmandat. Wenn wir nur 1/3 dieser Menschen motivieren uns als ihre natürlichen Vertreter im Rat zu wählen ist die Dynastie der roten Besenstiele beendet.

XN: Warum sollen diese Migranten ausgerechnet Sie wählen?

YD : Ganz einfach: Wir sind seit Jahren durch unsere Hilfen in den Problemen dieser Menschen drin. Wir kämpfen täglich für sie. Wir haben Kontakt zu ihren Vereinen und Organisationen.

2,5 Zimmer im Altbau mit 10 Leuten für 1000.- Euro im Monat. Das sind die Probleme der Menschen, die hier neu herkommen. Die Ausbeutung von neuen Migranten hat in Deutschland ja auch eine lange Tradition. Auch wir Türken bekamen zuerst die Wohnungen, die keiner wollte und hatten nach einem halben Jahr 2 Bausparveträge, 3 Versicherungen und 5 Ratenkäufe an der Backe. Bisher konnten wir nur vor Ort helfen die Not zu lindern. Jetzt als politische Organisation haben wir die Chance die Probleme im Rathaus zu lösen, wenn wir eine gewisse Stärke erlangen. Den Leuten müssen wir nichts mehr erklären. Die kennen uns ja schon lange. Was soll ich um eine Stimme werben, wenn ich bereits bewiesen habe, dass ich ehrlich bin.

Wenn ich zudem überlege, wie viele Deutsche es in diesem Gebiet gibt, die auch keine Lust mehr haben und resigniert haben.

XN: Was wollen Sie konkret anpacken in Marxloh?

YD : Zunächst einmal werden wir dafür sorgen, dass Marxloh sauber wird. Der ganze Müll, die Möbel auf den Straßen, die verschmutzten Gehwege. Das wird es bald nicht mehr geben. Wir werden die Ursachen ermitteln und dann Systeme vorschlagen, die wirksamer sind als das, was es jetzt gibt.

LÖ: Als zweites werden wir dafür sorgen, dass die Hilfen für Menschen auch wirklich dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Damit meine ich nicht Lebensmittelausgaben, sondern konkrete Maßnahmen, um die Menschen wieder in Arbeit zu bringen, ihrem Leben einen Wert und einen Stolz zu geben. Wer den ganzen Tag zu Hause sitzen muss und kaum Geld hat, der verlottert automatisch und wird meistens kriminell. Man darf hier auf diese Menschen auch nicht wie ein Sören Link mit dem Hammer draufhauen, sondern ihnen zeigen, wie es geht aus dieser Situation raus zu kommen.

XN: Auf der Straße ist von ihrem Wahlkampf aber wenig zu sehen…

LÖ: Wir konzentrieren uns nicht darauf, irgendwelche Plakate groß an die Laternen zu hängen oder Kugelschreiber an Leute auf der Straße zu verteilen. Wir brauchen uns auch nirgends bei den Migrantenvereinen einzuladen, weil wir da schon drin sind. Wir sind stark im Social Media Bereich vertreten und viel in diversen Gruppen unterwegs. Als ich mein Plakat überall geteilt habe, war es kurios, dass ich mehr Zuschriften als Likes bekommen habe. Ich habe eine richtige Aufbruchstimmung in den Migrantencommunities gespürt. Viele haben noch nie gewählt und plötzlich bekommst Du eine PN: Dich wähle ich. Du bist einer von uns. Natürlich habe ich auch ein Video gedreht, das in den nächsten Tagen rauskommt. Das wird auf allen Kanälen hoch und runter laufen. Allein in Marxloh erreiche ich über Facebook rund 1000 Menschen. Diese ganzen Möglichkeiten bespielen wir intensiv.

XN : Was ist für Sie das konkrete Wahlziel in Ihrem Wahlkreis Marxloh?

LÖ : Wir sind in Marxloh der stärkste Konkurrent der SPD. Wir haben hier ein klares Ziel das Ratsmandat zu holen. Ich nehme mal nicht an, dass die SPD mehr als ihre Stammwählerschaft von rund 600 Menschen motivieren kann, sie zu wählen. Wer sollte die SPD auch außer der Stammwählerschaft wählen: Die arbeitslosen Deutschen sind laufend mit dem anerkannt härtesten Jobcenter Deutschlands konfrontiert. Zuwanderern aus Südosteuropa brauchen Sie auch nicht mit der SPD zu kommen. Für sie ist das die Partei, die ihnen das Leben hier zur Hölle machen will. Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund sind zwar grundsätzlich eher SPD konform aufgestellt. Ich kann mir aber nach den ganzen Vorkommnissen nicht vorstellen, dass hier viele noch die SPD wählen. Da kann sie so viele Wahlplakate mit ihren aus dem Hut gezauberten Vorzeigemigranten aufhängen, wie sie will. Ich schätze mein Wählerpotenzial in Marxloh auf mindestens 1000 Menschen. Dann ist der Rest eher eine mathematische Aufgabe. Unser Leitspruch ist : Keiner darf allein zur Wahl gehen. Jeder soll seinen Nachbarn mit an der Hand nehmen.

XN : Konkret… Ratsmandat in Marxloh und sonst?

LÖ : In Duisburg wollen wir auf jeden Fall in Fraktionsstärke einziehen. Aktuell peilen wir im Rat mindestens 4 Sitze an und freuen uns über jeden zusätzlichen Sitz.

In den Bezirksvertretungen rechnen wir ebenfalls mit mindestens einem Sitz und in den Wahlkreisen mit hohem Migrantenanteil mit mindestens 3 Sitzen… wobei ich mir wünsche, dass es in der BV Hamborn mindestens 4 werden.

XN: Wer wäre ihr natürlicher Kooperationspartner in Rat und BV?

Da legen wir uns nicht fest. Für uns gilt es jetzt erst mal in den Rat und die Bezirksvertretungen zu kommen und dann werden wir schauen wie es sich entwickelt. Vielleicht kommen wir auch mit so vielen Leuten rein, dass wir unser eigenes Ding machen können. Wir werden uns aber keinesfalls irgendwie verbiegen, um Mehrheiten zu unterstützen. Für uns gilt immer das Motto… und das unterscheidet uns von den anderen Parteien im Rat: „Wir gehen lieber mit der Wahrheit unter, als mit der Lüge aufrecht zu stehen.“

XN: Herr Durmus, Herr Önder- wir bedanken uns für die Einblicke in Ihre Arbeit… und den Rest wird der 13.09.2020 um 18:00 Uhr ergeben.

Hier handelt es sich um ein Wortinterview. Xtranews möchte die jeweiligen Kandidaten in ihrer Meinung dar stellen. Die Meinung und die Statements der Kandidaten entsprechen nicht einer Meinung der Redaktion. Für ihre Aussagen sind die Kandidaten selbst verantwortlich.
Xtranews verzichtet bewußt auf die Bewertung von Aussagen oder Recherchebeiträge.
Ziel der Interviewreihe ist es, die Meinung des jeweiligen Kandidaten so wieder zu geben, dass der potenzielle Wähler sich ein Urteil bilden kann.
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