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Duisburg: Politik und Kirche im Schlagabtausch – Kolpingwerk lud ein zum regional-politischen Gespräch

Montag Abend lud das Kolpingwerk Diözesanverband Münster zu einer regional-politischen Veranstaltung unter dem Motto „Currywurst trifft Baklava“ nach  Walsum-Aldenrade ein. Man brachte zwei Themen zusammen, über die man grundsätzlich nicht diskutieren sollte: Kirche und Politik. Im Dialog standen der Bundestagsabgeordneten Mahmut Özdemir und Caritasdirektor Michael van Meerbeck. Durch den Abend führten der Geschäftsführer des Kolpingwerkes Diözesanverband Münster Uwe Slüter mit Journalist und Kommunikationsberater Heinrich Wullhorst. Anlass hierfür ist das 160-jährige Bestehen des Kolpingwerkes im Bistum Münster. Erörtert wurden Fragen von christlichen Werten in Kirche, Wirtschaft und Politik. Parallelen finden, Unterschiede aufzeigen und erkennen, auf welcher Ebene Kirche und Politik wieder zusammen kommen. 

Zunächst begrüßte Anne Ratert, stellvertretende Diözesanvorsitzende alle Anwesenden. Sie erwähnte stolz, das das Kolpingwerk seit 160 in der Kirche und Politik mitgestaltend tätig. Darauf hin übernahm Harold Ries und stellte die Gäste vor. Zunächst ging es in einen lockeren Schlagabtausch in dem die Gäste gefragt wurden, worauf sie besonders stolz seien oder wie oft sie auf ihr Handy gucken würden. Mahmut Özdemir antwortete schlagfertig: „So oft wie nötig, so wenig wie möglich und so oft, wie Volk und Vaterland gut tut.“ Während Michael van Meerbeck darauf hinwies, das sein Handy sein Hauptarbeitsmittel sei und abends nicht mehr zur Hand genommen werde. Es sei denn, es schellt und er müsse raus. Daraufhin fragte man nach dem schlimmsten Job, den man je gemacht habe. Özdemir ist schwer was eingefallen, da er nur das tue, wovon er überzeugt sei. Für ihn gab es nur Herausforderungen, aber noch nie sei etwas schlimmes dabei gewesen. Michael van Meerbeck gab zu, das er keinen Tag gerne zur Schule gegangen sei. Dies sei sein schlimmster Job gewesen, der 13 Jahre anhielt.

Doch dann wurde es ernst. Beide Gäste bekamen die Möglichkeit ihre Sicht der Dinge vorzutragen zur aktuellen politischen Lage, seinem gesellschaftspolitischen Engagement und wie wichtig für sie werte-orientiertes Handeln in ihrem Beruf sei. Starten durfte der Bundestags-Abgeordnete Özdemir, der auch sehr impulsiv reagierte. Seiner Meinung nach haben Religion und Politik eine gesunde Distanz zu pflegen. Doch wenn es um Werte geht, schließe sich hier der Kreis. Sein erster Kontakt zur Kolping-Familie sei durch seine erste Freundin entstanden, durch den Homberger Karneval, in dem sie aktiv gewesen sei. Doch zum Anlass des 160-jährigen Jubiläum habe er an dem heutigen Abend eine Ausnahme gemacht und sei der Einladung zu diesem Dialog gefolgt. Denn ihm sei es als gewählter Politiker wichtig, Werte, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität weiter zu geben. Was man seiner Meinung nach im kirchlichen Bereich Nächstenliebe als Äquivalent nehmen. Welche Werte ihn in der Politik leiten? Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Anstand. Er kritisierte, das die Menschen heutzutage mehr auf sich bedacht sind. Keine Rücksicht nehmen und somit Menschen auf ihrem Weg in unserem System zurück lassen. Zum Weiteren kritisiert er, das es in der Politik Mandatsträger gäbe, die die Nationalsozialistische Vergangenheit der Deutschen nicht ernst nehmen und ein solches Gedankengut leider noch verbreiten. Für Özdemir ist es nach wie vor eine Schande, das zu einer heutigen Zeit noch Polizeischutz vor Synagogen, Moscheen und andere religöse Institutionen notwendig sei. Ohne den Nachweis gewisser Werte ist es als Politiker nicht möglich dem 1. FC Bundestag beizutreten. Selbst dort stehe man für gewisse Werte. Es gäbe sogar AFD´ler in dieser Mannschaft. Von 15 Bewerber haben sich lediglich 2 für die Mannschaft „qualifiziert“. Es gibt eine Satzung in der stehe „Nur zum Fußball spielen“. Die Satzung beinhaltet Passagen, das man zum Beispiel gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung und Ausländerfeindlichkeiten sei. Nur wer diese Werte unterschreiben konnte und nachweisen konnte, gegen keines dieser Werte verstoßen zu haben, durfte mitspielen. Es war keine Gesinnungsprüfung, sondern eine einfache Frage nach Werten. So habe man es erreicht, Werte sogar auf einen Fußballplatz zu bekommen. Und in den letzten Tagen habe sich auch gezeigt, das Politik auch im Sport Einzug gehalten habe obwohl sie dort nichts zu suchen habe. Von Intergrations-Politik lasse er die Finger. Denn seiner Meinung nach habe derjenige, der in diesem Land leben will zwei Regeln zu erfüllen: 1. Dem Deutschen Grundgesetz folgen und 2. die Deutsche Sprache erlernen. Wer sich nicht an die Regeln halten kann, der erhält einen Deutschkurs. Wer sich nicht an diese Regeln halten will, habe das Land wieder zu verlassen. Als letzten Wert erwähnte er die Dankbarkeit. Er sei diesem Land dankbar, für den Frieden, den Wohlstand und Anstand. Diese seien zu wahren.

Michael van Meerbeck habe seine Grundwerte als Messdiener erhalten. Wäre er nicht in einem demokratisch aufgebauten Jugendverband aufgenommen worden, stände er heute nicht dort, wo er heute ist. Wäre er nur zur Schule gegangen, wäre er unter gegangen. Dies wäre sein Einstieg in den christlichen Bereich gegangen. Sein erster Wert sei ebenfalls die Dankbarkeit. Er sei der Kirche Dankbar, das er als einfacher Arbeitersohn in der kirchlichen Gemeinschaft aufgenommen worden. Seine Eltern standen immer hinter seiner Entscheidung. Ohne die Demokratie in der Kirchengemeinde würde es keine Jugendverbände oder ähnliches in der christlichen Gemeinschaft geben. Ein weiterer Wert sei hier auch die Solidarität. Das „Wir“ wird hier immer noch groß geschrieben. Die Caritas habe zum Beispiel auf einen Schlag am Niederrhein 1.200 Menschen betreut. Wir haben als Kirche, die vom Evangelium getragen wird, Werte gezweigt. Wir haben geholfen und wir konnten auch helfen. Für ihn ist es nach wie vor eine Schande (wie auch für seinen Vorredner), das immer noch Menschen auf der Flucht um Leben kommen oder ihnen Hilfe verwehrt wird. Er selbst kann schwer mit so etwas umgehen. Wir seien auf einer Welt, wir sind Christen und damit Weltbürger. Und es heißt immer noch, liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Van Meerbeck erwähnte, das er sich zur Zeit vermehrt mit dem Evangelium beschäftige. Und dies sei das Grundgesetz der Christen. Was unsere Befreiung ausmache. Er ist der Meinung, das jeder von uns auf dieser Welt eine Aufgabe habe. Egal aus welcher religiösen Gemeinschaft man entstamme. Kirche kann Intergrationspolitik leisten. Viele Flüchtlinge bevorzugen den Caritasverband, bevor sie sich in staatliche Hand begeben. Man sei froh, das die Caritas hierfür Standorte und auch Einrichtungen habe. Auch er kann andere Menschen und andere Meinungen akzeptieren. Gleichstellung in der Kirche sei auch wichtig. Frauen und Männer haben die gleichen Rechte und seien gleich zu behandeln.

Beide Redner durften frei reden, durften ihre Meinung kund tun. Doch Uwe Slüter wies darauf hin, das viele Bürger der Meinung sind, das man in dieser Gesellschaft nicht mehr seine Meinung offen darlegen kann. Woher käme ein solches Denken? Hierzu durften sich beide Gastredner auch zu äußern.

Mahmut Özdemir sagte, das die 68% der Menschen haben recht damit, das man heute das offene Wort nicht mehr aussprechen darf. Dafür gäbe es klare Gründe. Denn wenn man ein bestimmtes Amt ausführe, dann dürfe man gewisse Grenzen nicht überschreiten. Und das wäre auch gut so. Oft werden von ihm einfache Antworten erwartet, doch wenn man dann seine politische Haltung erklären mag, wird es oft schwierig. Das erlebe er häufig als Bundestags-Abgeordneter, wenn es um Türken in Deutschland geht. Ja, er habe einen türkischen Nachnamen und Migrationshintergrund, aber warum werde er permanent zu solchen Themen befragt? Somit teile er die Meinung der zuvor genannten 68%, die sagen, das sie ihre Meinung nicht sagen dürften. Man meine hier nicht die Meinung der Meinungs- oder Glaubensfreiheit. Sondern die Meinungsfreiheit etwas differenziert, etwas einzeln zu betrachten und in einen Gesamtkontext zu setzen. Dies sei unsere Meinungsfreiheit und auch Demokratie. Darauf sei er stolz.

Michael van Meerbeck brachte beispielhaft, wenn er einen Witz über einen Kollegen bringen würde, das er nicht beleidigt sein würde, da der Kollege wisse, das er ihn wertschätze. In unserer Gesellschaft sähe es meist anders aus. im ersten Moment würde man sich beleidigt fühlen. Man höre nicht mehr richtig zu, da man negativ gesteuert sei dann. Man habe dann sozusagen sein „Liebes-Gen“ verloren und suche nur noch nach dem Negativen. Eine positive Botschaft sei nicht mehr wahrnehmbar. Und wenn wir einander nicht mehr zuhören, dann haben wir auch unsere frei Meinung verloren. Somit würden wir uns selbst einschränken.

Beide Gastredner durften sich zu dem Vorfall mit den Deutsch-Türkischen Nationalspielern äußern, die einst ihre Sympathie gegenüber Erdogan zeigten. Als erstes hatte Özdemir das Wort. Hierzu betonte er, das der der den Deutschen Bundesadler auf der Brust trage, der ist den Werten dieses Landes auch verbunden. Es ist zu verurteilen einem Land gegenüber zu sympathisieren, das die Meinungsfreiheit der Bürger erheblich einschränke.

Van Meerbeck berichtete über seiner Meinung nach fehlerhaft gelaufene Integrationspolitik in der Vergangenheit. Deutschland habe sich einst Gastarbeiter ins Land geholt. Männer, die hier arbeiten sollten und danach wieder Heim kehren sollten. Stattdessen haben sie ihre Frauen dazu geholt und haben sich hier nieder gelassen. Denn sie haben schon durch ihren Glauben hier in die Gesellschaft gepasst. Der Moslem sei aber von vorn herein völlig fremd gewesen. Er sah anders aus, isst anders und schon möchte man, das er wieder geht. Bis man erst bemerkte, das in gewissen Bereichen die Intergrationspolitik völlig schief lief, hatten sie sich aber längst etabliert, sich eingerichtet und eine eigene parallele Gesellschaft gegründet. Auch der Caritas sei es aus dem Ruder gelaufen.

Uwe Slüter übernahm das Wort und leitete eine Fragerunde ein. Ihm brannte selbst eine Frage Mahmut Özdemir gegenüber ganz besonders unter den Nägeln. Er wollte wissen, ob er oft auf seinen Migrationshintergrund angesprochen werde. Özdemir antworte nüchtern: „Ich lasse es gar nicht zu.“ Deshalb antworte er auf diese Frage nicht. Für ihn steht nicht das Wort „Integration“, sondern er bevorzuge den Begriff der „Teilhabe“. Er selbst habe erst vor einigen Wochen für Aufsehen erregt als er sagte: „Integration sei die Lebenslüge Deutschlands“. Für van Meerbeck kann Integration erst dann beginnen, wenn man den Menschen so lasse, wie er ist. Man müsse akzeptieren, das er einen anderen oder keinen Glauben habe. Wir dürfen uns als Gesellschaft nicht nur öffnen, sondern müssen uns auch weiter entwickeln. Migration heißt für van Meerbeck, das man sich jemanden annimmt mit seiner Geschichte und seinem Glauben ohne den eigenen Glauben aufzugeben.

Der Abend zeigte auf, das Politik und Kirche sich nicht viel voneinander unterscheiden. In beiden Bereichen wird Demokratie gelebt, seine Meinung gesagt und auf Werte geachtet und beide Bereiche habe beim Thema Integration Fehler eingeräumt. Am Ende verzehrte man noch Currywurst aus Geflügel und Baklava und ließ den Abend entspannt ausklingen.

 

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