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Artikel 13: Alles nur gekauft? – EDRi, FAZ und Elmar Brok

 

Alles nur gekaufte Bots? – Demonstranten gegen Artikel Dreizehn – Quelle: Netzpolitik.org 

Es geht ein Raunen durch die Presse – nun, durch einen Teil der Presse. Nämlich jener Presse, die sich aktiv für die kommende Urheberrechtsreform einsetzt. Was sehr stark die FAZ in der letzten Zeit getan hat, aber auch die BILD. Wie dieses Raunen entstand? Zum Einen durch EU-Parlamentarier, die Googlemail-Konten nicht von Google selbst unterscheiden konnten und daher mutmaßten, Google selbst hätte jetzt massiv mit Mails daran gearbeitet, ihren Maileingang zu verstopfen. Zum Anderen durch Artikel von sogenannten Journalisten, die nicht in der Lage waren mit Talk-Walker als Analyseprogramm zu arbeiten oder zu verstehen, dass die Software bei der Verortung von Tweets bisweilen rät. So landen englischsprachige Tweets ohne Ortsangabe automatisch in der Kategorie Washington, D.C. und wer sitzt in Washington? Der Präsident der Vereinigen Staaten. Und der hat natürlich mit Fake-News seine Erfahrungen … Vielleicht etwas übertrieben. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat doch genug mit der Bilderberg-Konferenz zu tun …

Zunächst einmal: Ein Lobbyist vertritt die Interessen Dritter gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber von Politikern oder gegenüber anderen Verbänden. Er ist also im wahrsten Sinne des Wortes gekauft: Sein Gehalt bezahlt der Dritte, der die Meinung beeinflussen möchte, der bestimmte Gesetze durch den Bundestag bringen oder diese verhindern möchte. Dabei ist im Begriff selbst noch nicht die negative Bedeutung angelegt, die wir gerne hineinlegen: Wenn Jemand von Jemanden gekauft wurde und bestimmte Dinge zu bestimmten Themen sagt, dann sind wir natürlich per se skeptisch. Doch nur weil ein Lobbyist eine Arbeit macht, heißt das noch lange nicht, dass dieser unbedingt für seinen Auftraggeber lügt, betrügt oder manipulative Schachzüge a la House of Cards in die Wege leitet. Per se und für sich neutral genommen vertritt ein Lobbyist erstmal nur die Interessen von Dritten und versucht seine Meinung mit den passenden Argumenten durchzubringen und andere Meinungen mit entsprechenden Argumenten zu entwerten. Denn sonst erreicht er seine Ziele nicht. Und das gehört durchaus zu einer Demokratie dazu: Bevor ich mir eine Meinung bilde, brauche ich Zahlen, Daten, Fakten.

Nun wird Lobbyisten schnell unterstellt, dass sie lügen und betrügen, dass sie mit verdrehten Tatsachen arbeiten und um jeden Preis ihre Meinung durchdrücken wollen. Da kommt schnell das Bild auf von Machenschaften in Hinterzimmern, natürlich in dunklen, verräucherten, bei denen Alkohol und andere Vorteile gereicht werden, wo um Posten geschachert wird und wo die Meinungsbildung durch verräterische Deals beeinträchtigt wird. Eine Hand wäscht die Andere. Setzt du dich für mein Gesetz ein, landest du später sicherlich weich in meinem Unternehmen. Solche Dinge sollen ja schon vorgekommen sein. Und sie kommen vor. Ebenso wie es manipulatives Marketing gibt, ebenso wie Machtmänner und -frauen immer auch schlechte Dinge getrieben wurden. Weil dem so ist, weil dem Begriff Lobbyismus ein böser Nachgeschmack innewohnt ist es natürlich an Einfachsten, wenn die Argumente ausgehen, dem Anderen vorzuwerfen, dass er ja gekauft worden sei.

Meinungen muss man nicht beweisen, aber Behauptungen vielleicht doch

Genau das wird von einigen Befürwortern nun den Demonstranten des Wochenendes vorgeworfen, die auf die Straße gegen die EU-Urheberrechtsreform auf die Straße gingen. Nun steht es Jedem in dieser Republik erstmal frei, Dinge in den Raum zu stellen, solange sie sich im gesetzlichen Rahmen befinden. Wer also der Meinung ist, dass amerikanische IT-Giganten im Hintergrund eine ganze Demonstrationsbewegung organisieren kann, der kann dies behaupten. Vielmehr darf er das auch gerne glauben. Wer allerdings Journalist ist und für eine Zeitung schreibt, die sich sehr für die Reform einsetzt und solches behauptet, dem darf man gut und gerne das Attribut des gekauften Meinungsmachers überstülpen. Sofern – und das ist Krux der Sache – sofern nun wirklich fundamental belegte Hinweise, Recherchen, Ergebnisse vorhanden sind, die mit Hand und Fuss die eigene Behauptung belegen. Das sollten Journalisten, sofern sie sauber arbeiten, auch stets tun.

Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, erklärte nun in einem Artikel gegenüber der BILD, Demonstranten sei Geld geboten worden, damit diese auf die Straße gingen. Der exakte Wortlaut:

„Nun wird offensichtlich versucht, auch mit gekauften Demonstranten die Verabschiedung des Urheberrechts zu verhindern. Bis zu 450 Euro werden von einer sogenannten NGO für die Demoteilnahme geboten. Das Geld scheint zumindest teilweise von großen amerikanischen Internetkonzernen zu stammen. Wenn amerikanische Konzerne mit massivem Einsatz von Desinformationen und gekauften Demonstranten versuchen, Gesetze zu verhindern, ist unsere Demokratie bedroht.“

Dies ist nun ein sehr schwerwiegender Vorwurf und sollte eigentlich auch durch Quellen oder Beweise belegt werden. Allerdings erläutert Caspary nun nicht weiter genau, welche NGO er meint – und warum verschweigt er deren Namen eigentlich? Ebenso diffus ist, woher Caspary wissen will, dass amerikanische Konzerne – welche eigentlich? – Geld für Demonstranten bezahlt haben. Dass es keine Belege für diese Behauptungen gibt hindert die CDU-CSU-Fraktion in der EU aber nun nicht, diese Behauptung öffentlich in ihrem Twitteraccount zu verbreiten.

Dass BILD-Journalisten – der Axel-Springer-Verlag hat schon damals in Deutschland heftigst für das Leistungsschutzrecht geworben – unkritische Statements ungefragt durchlassen und nicht nachhaken, wenn es der eigenen Doktrin passt, ist nichts Neues. Das eigentliche Problem ist, dass die BILD natürlich immer noch eine Millionenauflage hat. Zwar nicht mehr DIE Millionen wie vor einigen Jahren, sie ist aber immer noch eine der Zentralen für die Meinungsbildung in Deutschland. Daher hat ihr Wort nach wie vor Gewicht. Und wenn – bisher unwidersprochen von der deutschen Zeitungslandschaft übrigens – in einem Artikel dort ein Politiker Behauptungen aufstellt, die nicht belegt sind, dann sind wir sehr nahe am amerikanischem Präsidenten und dessem energischem Ausruf: <Alles Fake-News, solange es nicht von mir kommt.>

Was ist an den Vorwürfen dran?

Irgendwoher muss ja nun diese Summe, die im Raum steht kommen. Und irgendwoher müssen die Vorwürfe auch stammen. Wer sich etwas ins Netz vertieft – und dazu braucht man nicht unbedingt die Hilfe von Twitter-Retweets, aber danke an den Journalisten Dennis Horn, der genau das getan hat, was die BILD-Journalisten nicht getan haben, nämlich recherchiert – der findet bald des Pudels Kern. Offenbar bezieht sich auf Caspary auf eine Reise, die die Lobbyistengruppe EDRi organisiert hat. Schon hier kann sollte man den Unterschied feststellen: Das Geld ging nicht an irgendwelche Demonstranten, die auf die Straße gingen. Das Geld wurde zwar gezahlt, damit wurden aber Leuten, die in einer Lobbygruppen arbeiten, einfach eine Reise nach Brüssel ermöglicht.

Wir erinnern uns: Eine Lobbyistenvereinigung handelt im Auftrag Dritter, um gewisse Dinge bei Politikern an den Mann zu bringen. Das tun beide Seiten, Befürworter ebenso wie Gegner. Und dass Leuten, die für eine Organisation arbeiten, eine Brüssel-Reise finanziert wurde – das ist nun nicht so unüblich. So bietet der CDU-Gemeindeverband etwa seinen Mitgliedern eine Reise nach Strassburg an, um dem Europa-Abgeordneten Michael Gahler über die Schulter zu schauen. Gut, der Unterschied besteht darin, dass die Mitglieder hier ihre Reisekosten selber zahlen, aber zwei Tage Strassburg für nur vierzig Euro? Wenn da nicht auch noch Zuschüsse drin sind … Ob die Damen der CDU aus Ahaus nun ihre Reisekosten selber zahlten oder nicht, geht aus dem Nachbericht nicht hervor, aber es waren durchaus wohl eindrucksvolle Tage …

Nach einem Rundgang durch das spätromanische Anwesen ging es weiter direkt nach Straßburg. Erster Anlaufpunkt war hier der Europarat, die führende Organisation für Menschenrechte und nicht zu verwechseln mit dem europäischen Rat. … Abends ging es dann wieder über die Grenze nach Deutschland, wo in einem urigen Hotel hoch oben in den Bergen übernachtet wurde.

In den nächsten Tagen standen Besichtigungen, Vorträge und Gespräche in Straßburg u.a. im Europa-Parlament  auf dem Programm. In Kehl bei Infobest wurden Probleme und Möglichkeiten des Grenzüberschreitenden Verkehrs zwischen Deutschland und Frankreich erörtert.

Jedenfalls: Solche Reisen an sich sind, ob man nun die Kosten selbst bezahlt oder ob man eingeladen wird oder man so etwas geschenkt bekommt, durchaus nichts Ehrenrühriges. Und Jesper Lund, der Mitglied bei eDRI ist, gibt auf Twitter zu der Thematik dieses zu Protokoll:

Let’s do the math.. Estimates say 100K are participating in demonstrations against #Article13 across Europe. CDU/CSU is claiming that they are paid up to €450. Really? Fact: the €450 is travel support for a small number of activists to meet MEPs in Brussels.

Also: Anstatt, dass Hunderttausende bezahlt worden wären, war es eine kleine Anzahl von Aktivisten, die nach Strassburg gefahren sind um dort die Politiker zu treffen. Etwas, was – gelinde gesagt – stinknormal ist und etwas, was auch die CDU selbst gerne tut. Und in einem weiteren Tweet legt Lund sogar offen, wie genau die Finanzierung zustande kam. Google oder andere IT-Giganten werden mit keiner Silbe erwähnt.

Aber wer steckt denn jetzt hinter EDRi?

Was ja jetzt nicht heißen muss, dass … weil … wenn Rauch ist, muss doch auch Feuer da sein. Manchmal ist es allerdings kein Rauch, den der Rauchmelder da lauthals vermeldet, manchmal ist es auch nur heißer Dampf vom Teekocher. EDRi ist als Organisation ein Zusammenschluss von mehreren Verbänden und Vereinen weltweit. Schreiben sie auf ihrer Webseite und geben auch gleichzeitig an, wer Mitglied bei EDRi ist. Unter anderem: Der Chaos-Computer-Club Deutschlands, der nicht nur annähernd in den Ruch geraten könnte, Interessen von Google oder Apple oder anderen IT-Giganten zu vertreten. Auch die EFF aus den USA sollte jedem Anhauchen eines Verdachtes entkommen können. Es gibt noch zahlreiche Beobachter und andere Interessierte, die alle auf der Webseite aufgelistet werden. Übrigens veranstaltet EDRi ein Privacy-Camp und in diesem Jahr ging es um Plattformen wie Facebook und Co. Eher weniger jetzt um den urheberrechtlichen Aspekt sondern eher darum, wie Plattformen die Gesellschaft prägen …

Also: Ja, EDRi hat eine Reise nach Brüssel für deren Aktivisten finanziert. Sicherlich hat das auch die Gegenseite getan und wie man sehen kann sind solche Reisen auch nichts Unübliches. Dennoch kann man natürlich daraus ein Drama oder einen Skandal machen. Oder zumindest eine Überschrift mit Fragezeichen. Wie Journalist CONSTANTIN VAN LIJNDEN – Großbuchstaben, weil DRAMA – nun in der FAZ es macht. Sein Artikel stellt die Frage, ob der Protest gekauft worden sei – eine Frage, die man durchaus stellen darf. Aber daraus eine Behauptung ohne richtige Beweise zu machen – nun – schwierig. Solange die Beweise fehlen ist diese Behauptung nur ein Stein in einem Glaubensgebäude. Glauben kann und darf man nun vieles. Nun würde ich gerne mehr und genauer auf die Meinung des Herrn von Lijnden eingehen, würde gerne wissen, ob mehr in diesem Artikel zu finden ist als nur heißes Tastaturengeklapper und gemutmaßtes Schwurbeln – aber die FAZ hat den Artikel hinter die Paywall verfrachtet. Da habe ich natürlich keine Chance und kann daher auch nichts weiter dazu schreiben. Was, wie ich finde, auch etwas seltsam anmutet: Eine offene mutige Diskussion sieht anders aus. Aber gut, seien der FAZ die Peseten, die Kröten, der Zaster, das Moos, die Moneten, der Kies, der Schotter, die Kohle, die Blauen gegönnt.

Zu guter Letzt: Elmar Brok

Dass die Protest zumindest das Gefühl vermitteln, dass die Urheberrechtsreform so nicht durchkommt, dieses Unbehagen formulierte dann noch Elmar Brok. Der im ZDF mit folgenden Worten zitiert wird: <Brok beklagte eine massive und von Algorithmen gesteuerte Kampagne der großen Internetkonzerne.> Was gibts also noch Schlimmeres, als dass man Demonstranten Geld gibt? Richtig, dass Algorithmen Kampagnen steuern. Im Ernstfall müsste man dann wieder von Vorne anfangen. Furchtbar, sowas. Wobei: Man könnte auch einfach nur die strittigen Artikel ausklammern, der Rest der Richtlinie ist ja eher unumstritten und dann müsste man nicht komplett neu verhandeln. Jetzt ist die aktuellste abrufbare Pressemitteilung von seiner Web-Seite nicht unbedingt weiterführend, wenn man sich fragt, woher Brok seine Erkenntnisse hat. Auch offizielle andere Dokumente zu dem Thema sind nicht verfügbar. Immerhin befürwortet Brok einen gemeinsamen Aktionstag für die EU. Tja. Und bei Twitter waren seine letzten Tweets zum Thema Brexit nun auch schon einige Monate her. Ich kann nur mutmaßen, woher Elmar Brok seine Informationen bekommt – wenn ich die Lobbypedia für glaubwürdig halte und da Brok lange Zeit Berater des Mediengiganten Bertelsmann war … Zudem berichtete Netzpolitik in der Vergangenheit schon über die etwas merkwürdigen Konstellationen des Politikers.

Doch lassen wir das jetzt erstmal. Solange Herr Brok nicht genau sagt, wie denn Algorithmen konkret eingegriffen haben in die Diskussion – sicher ist vorstellbar, dass man Facebook-ADs nutzt und beworbene Beiträge sowohl für die eine als auch die andere Seite habe ich auch schon in meiner Timeline gehabt. Aber vielleicht meinte Herr Brok ja auch die Künstlichen Intelligenzen, Algorithmen sind ja erstmal nur Programme. Künstliche Intelligenzen sind schon einen Schritt weiter: Sie lernen selbstständig. Eventuell denken sie auch schon. Oder träumen, wer weiß.

Der Rest vom Schützenfest

Dass Google oder Facebook oder andere Internetgiganten nun sich komplett aus der Debatte rausgehalten hätten – das wäre ja zu schön. Das haben sie in der Tat nicht, es gibt Einlassungen der CEO von Youtube etwa, es gibt durchaus auch hier Anzeigen und andere Dinge. Das Corporate Europe Observatory hat da Näheres zu.

Of course Google did lobby, but apparently not quite as significantly as those on the other side of the debate implied. Google has a clear interest in stopping or shaping parts of the legislation, as the ‘neighbouring right’ threatens its Google News services and Article 13’s legal liability for platforms would include its subsidiary, Youtube. However, Google (and Facebook) also already use content-filtering technology, and Google has even developed its own Content ID which it could sell to smaller players if they were required to filter content.

Google macht also genau auch das, was Andere tun: Lobbyismus. Und genau das sollte man sich vergegenwärtigen: Die Befürworter machen nichts Anderes und haben auch nichts Anderes getan. Da tuen sich beide Seiten nun nichts. Solange solide Argumente ins Feld geführt werden, solange Behauptungen gut belegt werden – solange ist auch nichts gegen Lobbyismus zu sagen. Mögen muss man ihn nun wahrlich nicht, er ist nun ein Mittel, das für die Demokratie genutzt wird. Und auch dann nötig, um der Minderheit eine Stimme zu geben. Etwa wenn es um die Frage nach der besseren Bezahlung fürs Pflegepersonal geht oder Therapeuten, die am Limit arbeiten. Was allerdings die CDU momentan macht könnte man als Verfälschen, Verschleiern und Vertuschen, als Leugnen, Lügnen und Listenschlagen bezeichnen, als unglaublich, undemokratisch und unfassbar dämlich. Wer in der Partei darauf hofft, dass bis zur nächsten Bundestagswahl alles ver- und gegessen sein sollte – die Proteste sind ausgerechnet auf der Plattform archiviert gegen die sich der Artikel Dreizehn richtet. Diese Hintertreppenironie darf man schon jetzt genießen. Lächelnd.

 

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