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Arbeit, Langzeitarbeitslosigkeit und was die SPD in NRW dagegen tun will

Da die SPD ja den offiziellen Wahlkampfstart eingeläutet hat, ist es höchste Zeit sich mit ihrem Programm für NRW zu beschäftigten. Beschlossen wurde das im Februar diesen Jahres. Und angesichts der Tatsache, dass HartzIV, Langzeitarbeitslosigkeit und Co. im Pott eine große Rolle spielt, bisher aber bei Schulz und Kraft nicht explizit erwähnt wird – das Thema scheint unangenehm im Wahlkampf zu sein – hab ich mal das Programm durchforstet…

Allgemeine Absichtserklärungen: Qualifizierung, Fachkräftemangel und Rechtestärkung

„Stetiges und nachhaltiges Wachstum der Wirtschaft, Gute Arbeit bei fairem Lohn und Beschäftigung auch für diejenigen, die lange vom Arbeitsprozess ausgeschlossen waren, bleiben die zentralen Anliegen unserer Politik.“ – Na ja, Wirtschaftswachstum hat sich ja jeder auf die Fahne geschrieben, was Gute Arbeit sein soll definiert die SPD später noch und was im Bereich der Langzeitarbeitslosen, die bereits nach einem Jahr meistens keine Chance haben einen Job zu bekommen passieren soll – später. Wir sind doch erst auf Seite.. Also ganz, ganz vorne. Nach dem ellenlangen Vorwort. Langweilig ist das Vorwort auch noch… Das hier ist eher allgemeiner Natur, weil nur von Qualifizierung die Rede ist und eher im Kontext des normalen Arbeitslebens. „Sozialdemokratische Politik sorgt auch für die Beseitigung des Fachkräftemangels und für Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Wir bauen die berufliche Qualifizierung aus, stärken die Ansprüche von Beschäftigten und schützen die Rechte ihrer Vertreterinnen und Vertreter.“ – Welchen Fachkräftemangel meinen die eigentlich? Und was soll denn da geordnet werden auf dem Arbeitsmarkt? Da muss ja was in Unordnung geraten sein. Aber wenn in NRW die Arbeitslosenzahlen so niedrig sind wie nie, dann müsste doch eigentlich Ordnung… Au weia, wirklich, liebe SPD NRW? „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt.“ Ja. Wie bei Dutzenden anderen Unternehmen halt auch. Der Mensch. Mittelpunkt. Und so. Abgedroschen und gehört abgelegt. Auch wenns bei euch ein Kernpunkt ist.

Der soziale Arbeitsmarkt kommt – oder so

„Mit dem Förderprogramm Öffentlich geförderte Beschäftigung NRW haben wir den ersten Grundstein für den Sozialen Arbeitsmarkt gelegt und erfolgreich gezeigt, wie Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert werden kann.“ – Alles Gut und Schön, solange es Studien gibt, die zeigen ob Arbeitslose dadurch wieder dann doch Jobs bekommen oder halt nicht nur von Maßnahme zu Maßnahme durchgereicht werden. Das ist das große Problem, zwar dürfen Arbeitslose momentan nicht direkt von einer Maßnahme in die andere gereicht werden, weil dazwischen etwas Wartezeit besteht, aber was für einen Nutzen Maßnahmen erbringen und wie dieser Nutzen gemessen wird – das ist natürlich mal wieder unwichtig. Arbeitslose in Maßnahmen sind ja raus aus der Statistik. Bitte im Hinterkopf behalten, das wird wichtig werden. „Wir werden das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz so anpassen, dass insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung, aus welchen Gründen auch immer, unterbrochen haben, mehr Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten. Auch das Nachholen eines Schulabschlusses wird so möglich. Im Bund werden wir uns für eine Arbeitsversicherung einsetzen, die Weiterbildung, Erholungsphasen und Sicherheit in einer digitalen Arbeitswelt ermöglicht. Dabei machen wir uns auch für eine Ausweitung der Versicherungspflicht auf Selbstständige stark.“
Zum Thema Versicherungspflicht und Selbstständige – solange die Krankenkassen davon ausgehen, dass jeder Selbstständige 2.200 Euro im Monat verdient… Anderes Thema. Die Frage ist: Warum ist das nicht längst angepasst worden, das Weiterbildungsgesetz? Kraft regiert das Land nicht erst seit gestern. „Zu einer besseren Absicherung gehört für uns auch, Arbeitsbiografien mit Brüchen, hohem (Schein-)Selbstständigkeitsanteil oder nichtlinearem Verlauf besser in das System staatlicher sozialer Absicherung einzubinden. Auch in Zeiten von Digitalisierung und Arbeit 4.0 müssen Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit für alle Beschäftigten sichergestellt sein.“ – Dazu fällt mir nichts ein.

NRW ist Utopia!

„Unser Ziel bleibt Vollbeschäftigung. Wir wollen die Arbeitslosigkeit – auch und gerade die Langzeitarbeitslosigkeit – weiter abbauen und allen Menschen Teilhabe am Erwerbsleben ermöglichen.“ – Vollbeschäftigung? Hey, SPD, wir sind nicht mehr in den 70gern. Das werden wir auch nicht mehr erreichen, das Ziel. „Wir wollen mit einem Sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose soziale Teilhabe und einen neuen Zugang zu Arbeit schaffen. Bereits heute haben wir begonnen: Mehr als 2.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze sind durch das Programm Öffentlich geförderte Beschäftigung NRW entstanden. Mehr noch: Mit dem Haushalt 2017 haben wir zusätzlich die finanziellen Voraussetzungen für 4.000 weitere Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose in NRW geschaffen. NRW nimmt damit eine Vorreiterrolle ein. Für die betroffenen Menschen sind das nicht nur 4.000 neue Jobs, sondern vor allem 4.000 neue Chancen.“ – Klingt erstmal gut, bis man sich vergegenwärtigt, wieviele Menschen momentan in NRW arbeitslos gemeldet sind. – 720.000 Menschen sind es momentan, wenn davon 4000 eine Stelle bekommen ist das zwar nett, aber das löst das zentrale Problem ja nicht. Oder sehe ich das falsch? Müsste das die Politik nicht mehr wagen, besser sein? Wenn man schon diesen Sozialen Arbeitsmarkt haben will, warum so kleinteilig? Vor allem: Wenn man Vollbeschäftigung möchte, müsste man Stellen für diese 720.000 Menschen haben – oder wie definiert man Vollbeschäftigung nochmal?
„Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, das bleibt unser Ziel. Menschen, die lange Zeit ohne Arbeit sind, geben wir mit unserem Sozialen Arbeitsmarkt die Würde der Arbeit zurück.“ – Von regelmäßigen Jobs mit guter Bezahlung ist hier nicht die Rede.  „Wir bekämpfen Armut und Perspektivlosigkeit gleichermaßen. In einem ersten Schritt werden wir die Zahl der Plätze im Sozialen Arbeitsmarkt auf 10.000 aufstocken. Statt immer neue Programme anzustreben, müssen endlich eine Entfristung der Maßnahmen und eine tarifierte Entlohnung erfolgen.“ – Moment mal, eine Entfristung der Maßnahmen? Momentan werden Maßnahmen für Arbeitslose tatsächlich befristet – häufig gehen die 6 Monate, je nachdem, was da gemacht wird. Für diese Zeit ist der Arbeitslose raus der Statistik, der ist offiziell nicht arbeitssuchend, weil er in einer Qualifizierung steckt. Dass die SPD nun fordert, Maßnahmen zu entfristen – das heißt, dass das Arbeitslose länger als 6 oder 12 oder was weiß ich Monate drin bleiben können – könnte man als Versuch ansehen, die Zahlen der Statistik zu drücken. Und vor allem: Normalerweise bleibt den Arbeitslosen keine Wahl. Zwar darf man Maßnahmen, die angeordnet wurden auch verweigern, dann darf man aber auch mit weniger Geld im Monat auskommen, weil man ja das helfende Angebot zur Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt – dazu sollen die Maßnahmen dienen – verweigert hat. Wer Nerven und Zeit hat, kann das mal durch die Gerichte durchfechten. Was soll das, SPD? Seid ihr noch ganz dicht? Vor allem: Worauf bezieht sich die tarifierte Entlohnung? Auf die Maßnahmen? Auf die Programme? Welche Programm wollten das denn sein? „Dazu werden wir beim Bund die Möglichkeit schaffen, Mittel der Grundsicherung für die Entlohnung von Beschäftigten zu nutzen (Passiv-Aktiv-Transfer) und die Mittelnutzung in den Jobcentern zu flexibilisieren.“ – Da schrillt die Alarmglocke: Es wird flexibilisiert! Das hatten wir doch schon mal. Flexibel soll der Arbeitslose sein und willig dazu, umziehen soll er, wenn die Wohnung zu groß für sein Leben ist und sintemalen… Was genau das heißen soll? Eine Umschichtung der Mittel in den Jobcentern? Aber was wohin?

Arbeit mit dem Q-Vermerk

„Qualifizierungsmöglichkeiten stärken. Gemeinsam mit den Tarifpartnern sowie den Agenturen für Arbeit und Jobcentern werden wir passgenaue Qualifizierungsangebote für Beschäftigte entwickeln und umsetzen.“ – Ich applaudiere: Das Wort passgenau ist richtig schönes Marketing-Fachsprech. Wie genau das vor sich gehen soll? Und warum will man das jetzt erst? Warum scheint man Maßnahmen nicht richtig zu evaluieren sondern lässt da den Trägern Freiheit solange es geht?  „Für uns ist klar: Wir wollen alle inländischen Arbeitsmarktpotenziale vor allem von Frauen, Älteren und Menschen mit Behinderungen bestmöglich erschließen. Deshalb werden wir unsere aus dem Europäischen Sozialfonds geförderten Landesaktivitäten fortschreiben und frühzeitig eine Neujustierung für die nächste Förderperiode vorbereiten.“ Na ja….
Und das war es dann. Im nächsten Absatz haut man auf die Digitalarbeiter ein, weil die ja selbstständig sind und außerhalb des Systems stehen und keine Beiträge an die Kassen zahlen… Die Rentenkassen natürlich, aber es ist auch nicht unüblich, dass einige Internetfachkräfte keine Krankenversicherung haben, weil… Aber anderes Thema. Gute Arbeit soll guten Lohn erbringen und man möchte dann noch das mit der Zeitarbeit irgendwie verbessern – weil… Ja. Gute Frage. Gründe stehen im Programm nicht drin. Überhaupt steht wenig drin, was eine Verbesserung der Situation für Arbeitslose generell bedeuten kann. Der Soziale Arbeitsmarkt ist mir zu wenig sichtbar, mir fehlen da konkrete gute Beispiele. Dass Arbeitslose Oldtimer zusammen bauen ist nett, aber dadurch kommen sie  auch nicht unbedingt wieder auf den ersten Arbeitsmarkt, in den sie sich integrieren sollen.
Skeptisch macht mich die Forderung nach der Entfristung von Maßnahmen. Ein bequemes Mittel um Personen aus der Statistik auszurechnen und sie solange wie möglich auch in einer Maßnahme zu halten ist nichts, was ich von der SPD nun erwartet hätte. Aber offenbar ist das so gemeint. Was schlimm wäre… Überhaupt: Viel Rauch, wenig Feuer, viel Geschwafel, wenig Gehaltvolles – aber das ist bei einem Programm für die Wahl an sich nun auch nicht zu erwarten. Aber ob die SPD sich im Mai wirklich vieler Stimmen gewiß sein darf? Wir werden sehen.
 
 
 
 
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