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Von den einfachen Lösungen oder der „gesunde Menschenverstand“ des Peter Maffay

Wahrscheinlich spreche ich gerade die falsche Person an. Denn die Tatsache, dass Sie gerade diese Ausgabe des Bachtalo in Händen halten (und sie auch noch lesen!), ist jedenfalls ein deutliches Indiz dafür, dass Sie wohl nicht anfällig sind für jene simplen „Lösungen“, die manch einer  – aus welchen Gründen auch immer – feilzubieten versucht. Sie werden wissen, dass die Welt und Ihre Probleme eben (meistens) kompliziert und vielfältig sind. Sie wissen ebenso, dass es vonnöten ist, ganz genau hinzuschauen, um sie zu lösen. Denn wäre es nicht so, dann gäbe es meinen Berufsstand nicht. Wozu bräuchte es Juristen, wenn alle Fragen schlicht, ohne wenn und aber, durch ein einfaches „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden könnten.

Eine Ausgabe des Grundgesetzes, aufgenommen am 19.4.1999. Das Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, wird in diesem Jahr 50. Es wurde am 8.Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat angenommen und trat am 24.Mai in Kraft. Das Verfassungswerk legt in 15 Abschnitten die staatliche Grundordnung fest – von den Grundrechten über die Regelung der Staatsform, der Verfassungsorgane, der Rechtssprechung, des Finanzwesens und des Verteidigungsfalls.

Aber genau das wollen uns jene weißmachen, welche die Ein- oder Zweidimensionalität zum Credo erhoben haben. Sie versuchen uns glauben zu machen, dass die großen Fragen dieser Welt geschlossene Fragen seien, die ein jeder beantworten könnte, sofern er nur in der Lage ist, mit jenem „gesunden Menschenverstand“ ein Kreuzchen zu malen. Ganz so wie z. B. bei jenem Volkentscheid unlängst in der Schweiz (Zuwanderung ja oder nein?). Schließlich will man Fremde ja nur um sich haben, wenn man sie kennt. Kann man doch verstehen, nicht wahr?

Das Fazit soll also jenes sein: Die Weltprobleme sind ganz einfach zu lösen, wenn man nur die richtige Fragetechnik anwendet.

Das hat Peter Maffay wohl auch verstanden, denn jüngst meldete er sich in der „Bild am Sonntag“ zu Wort, und es waren – Sie ahnen es schon – „klare“ Worte, gefolgt von „einfachen“ Lösungen.

Mit 13 Jahren habe er im Jahr 1963 zusammen mit seinen Eltern seine Heimat Rumänien verlassen. Angst und Schikanen seien der Grund gewesen, warum die Familie damals nach Deutschland ausgewandert ist. Heute sehe der mittlerweile sechzigjährige Sänger die Bilder der ankommenden Flüchtlinge und erinnere sich an die eigene Ausreise. Er kenne die Angst, in ein fremdes Land zu kommen, die Sprache nicht zu können. Was er nicht kenne, sei aber „die Angst, auf einen rostigen, zum Sinken verurteilten Kahn zu steigen“.

Immerhin, wer könnte kompetenter über Zuwanderer reden als derjenige, der selbst zugewandert ist? Und wenn er weiter ausführt, dass neben dem Spracherwerb der Respekt vor den Werten der neuen Heimat die wichtigste Voraussetzung für die Integration sei, wird das niemand ernsthaft bestreiten wollen.

Aber dann stutzen wir doch: „Alle, die hier Asyl suchen, sollten das Grundgesetz vorgelegt bekommen und mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass sie es auch gelesen haben. Was wir nicht verkraften werden, sind Parallelgesellschaften.“

Ernsthaft? Alle 146 bzw. 188 Artikel des Grundgesetzes, womöglich inklusive Präambel und Anhang? Und wenn man das dann alles gelesen, klickt man dann auf das Kästchen mit der Beschriftung „Ja, ich bestätige, dass ich die allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen und verstanden habe“- so wie bei der Installation eines Office-Pakets.

Nebenbei: Sollten Sie den „Endbenutzer-Lizenzvertrag“ (End User License Agreement oder kurz „EULA“) von Microsoft vor einer Programminstallation tatsächlich wie dort in penetranten Großbuchstaben gefordert einmal SORGFÄLTIG GELESEN haben, dann melden Sie sich bitte bei Gelegenheit bei mir. Ich wollte immer schon jemanden kennenlernen, der das wirklich gemacht hat…

Nein, ganz im Ernst, der Verfasser dieser Zeilen hat trotz zweier juristischer Staatsexamina und einiges an Jahren Berufspraxis das gesamte Grundgesetz ganz bestimmt nicht gelesen, und das beabsichtigt er ebenso bestimmt auch nicht. Und sollten Sie es tatsächlich getan haben (Sie lesen auch immer die EULA, stimmt‘s?), dann dürfen Sie mich bei Gelegenheit gerne aufgrund meiner fehlenden Integration beschimpfen. Denn immerhin wissen Sie ja, dass die Luftverkehrsverwaltung in Bundesverwaltung geführt wird (Art. 87d GG). Oder dass den Ländern ab dem 1. Juli 2009 infolge der Übertragung der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zusteht (Art 106b GG).

Klar, das muss man wissen, und als Flüchtling sowieso.

Nicht weniger bizarr ist auch dieses Postulat Maffays: Wer seine Religion für besser halte oder Homosexualität nicht akzeptiere, dem müsse man sagen: „Sorry, aber du hast hier nichts verloren.“

Einverstanden. Aber wer soll uns bloß die ganzen zweifelsfreien Katholiken abnehmen? Der Vatikan mit seinen 0,44 Quadratkilometern scheint nun wirklich zu klein dafür. Zumindest könnte man dort mit den bisherigen 840 Einwohnern wirklich von einer Flüchtlingskrise sprechen, sollten wir nur die Bischofssynode dorthin abschieben.

Und das bringt uns zum nächsten Bonmot des Herrn Maffay:

Man dürfe sich nämlich nicht „herum mogeln, indem wir einfach sagen: ‚Das schaffen wir schon'“. „Wenn Sie einen trockenen Schwamm nehmen und Wasser darauf gießen, wird er eine Menge aufnehmen.“ …

Den ganzen Artikel können Sie in der neuen Bachtalo 1/2016 lesen

 

Information zum Autor: Dirk Heckmann ist seit 2005 als Rechtsanwalt in Düsseldorf in einer überörtlichen Rechtsanwaltskanzlei tätig. Er ist Ko-Autor eines Buches über Verbraucherrecht und vor allem in den Bereichen Sozial- und Strafrecht tätig. E
mail: info@jhsk.de
Web: www.jhsk.de

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