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Die Sozialbehörde – Annäherung an ein unbekanntes Wesen

Wer zu einer Behörde geht und Sozialleistungen beantragt, für den kann es sehr hilfreich sein, zunächst einmal einige grundlegende Dinge über das deutsche Verwaltungswesen zu wissen. Oftmals sieht sich der Bürger hoffnungslos einer Bürokratie gegenüber und bangt darum, zu seinem Recht zu kommen. Die folgenden Hinweise können dazu dienen, schneller einen Bescheid zu erhalten, der dann auch richtig ist, oder im Rahmen eines Widerspruchs eine Korrektur dessen zu erreichen, was im Verwaltungsverfahren schief gelaufen ist. Der Schwerpunkt liegt auf Alg-II-Anträgen bei Jobcentern; aber das Sozialrecht gilt auch für die Zweige der Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfallversicherung und Arbeitsverwaltung), kurz gesagt für alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung, für die die Sozialgerichte anstelle der Verwaltungsgerichte zuständig sind – nicht hingegen für private Versicherungen. Mein Beitrag beschränkt sich ausdrücklich auf das Verwaltungsverfahren vom Antrag bis zum Widerspruchsbescheid, befasst sich also nicht mit der gerichtlichen Klage.

 

I.Antrag und Verwaltungsverfahren

 

Zunächst ist es wichtig zu wissen, welche Sozialleistung man will und wer dafür zuständig ist; das können eine oder mehrere Behörden sein. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob man Wohngeld oder Arbeitslosengeld II beantragen soll; oder wenn das Arbeitslosengeld I nicht zum Leben ausreicht, kann mit Alg II aufgestockt werden. Der Antrag ist beim zuständigen Sozialleistungsträger zu stellen. Denn z.B. ein Anspruch auf Alg II oder Wohngeld setzt einen Antrag voraus, der nicht für längere Zeiträume als den laufenden Monat rückwirkend gestellt werden kann.

 

Um einen Antrag zunächst einmal rechtzeitig zu stellen, reicht es im Prinzip aus, ihn formlos zu stellen. Bei der Arbeitsverwaltung ist allerdings eine persönliche Arbeitslosmeldung erforderlich. Ein schriftlicher Antrag gilt an dem Tag als gestellt, wenn ein Brief bei der Behörde eingeht, dass man eine Leistung beantragt. Vorsicht, Fallstrick: Verspätet sich ein Brief, sei es durch einen Poststreik, dann verspätet sich das Eingangsdatum beim Amt. Deshalb sollte man in jedem Falle dafür sorgen, dass man den Zugang nachweisen kann.

 

Das heißt: Einen Brief versendet man am besten per Einschreiben. Dabei hat ein Rückschein den höchsten Beweiswert, dass der Brief tatsächlich zugegangen ist. Bei einem Einwurfeinschreiben hat man nur einen Beleg über die Absendung in der Hand, aber dafür gibt es einen anderen Vorteil: Ist der Empfänger abwesend, verzögert sich dadurch nicht wie bei einem anderen Einschreibebrief der Zugang beim Empfänger, da der Brief dennoch eingeworfen wird. (Kein Witz: Ich habe es schon erlebt, dass ein wichtiger Behörden-Brief per Einschreiben wieder zurückgegangen ist, da ihn niemand entgegengenommen oder abgeholt hat; die Behörde zeigte sich zunächst wenig kulant.)

 

Wenn man in der Eingangszone beim Jobcenter an die Reihe kommt, kann es einem passieren, dass man einen unangenehmen Mitarbeiter erwischt, der den Antrag partout nicht entgegennehmen will. Diese Praxis ist rechtswidrig; hier ist es wichtig, auf einem schriftlichen Nachweis zu bestehen, dass man dort war und einen formlosen Antrag gestellt hat – notfalls nachdrücklich mit Zeugen oder schriftlich. Denn auch wenn das Formular noch nicht ausgefüllt ist, darf einem ja nicht das Recht verwehrt werden, einen Antrag zu stellen.

 

Um das vollständige und richtige Ausfüllen eines Formulars kommt man trotzdem nicht herum, und es empfiehlt sich, sich hierfür Zeit zu nehmen und sich Hilfe zu suchen, wenn man damit alleine nicht zurechtkommt. Die deutschen Sozialgesetze sind leider kompliziert, so dass es auf viele Einzelheiten ankommt. Die Behörde hat diese Gesetze nicht gemacht, muss sie aber korrekt ausführen; also kommt es manchmal auch auf Dinge an, die man selbst für unwichtig hält.

 

Ein nachlässig ausgefülltes Formular führt also nicht dazu, dass die Behörde auf die Angaben verzichtet; sondern es zieht Nachfragen nach sich, die die Auszahlung des Geldes unnötig verzögern. Ebenso wichtig ist es, einen Termin zur Abgabe einzuhalten. Der Hund, der nicht alleine bleiben kann, ist kein Grund, den Sachbearbeiter mal eben warten zu lassen – denn bis man dann wieder einen neuen Termin bekommt, vergeht Zeit, und entsprechend später liegt das Geld auf dem Konto. Außerdem kann es passieren, wenn man trotz Aufforderung fehlende Angaben nicht fristgemäß nachholt (und sich auch nicht rührt, dass man z.B. eine angeforderte Bescheinigung noch nicht hat), dass einem dann dadurch Leistungen gestrichen werden, weil der Anspruch nicht bewiesen werden kann. (Die Beweislast, dass man einen Anspruch auf Sozialleistungen hat, trägt man als Antragsteller; allerdings hat die Behörde die Pflicht, von Amts wegen vollständige Ermittlungen anzustellen und Hinweisen nachzugehen, worauf man sich in der Praxis nicht immer verlassen sollte.)

 

Keinesfalls verschwitzen sollte man den Termin beim Arbeitsvermittler oder Fallmanager – denn die deutschen Sanktionsgesetze sind da leider gnadenlos, man muss mit einer Kürzung der Leistungen rechnen. Auch sollte man auf vollständige und richtige Angaben achten und immer brav sofort melden, was man sich nebenbei verdient. (Dazu wird routinemäßig eine Belehrung ausgehändigt; also sollte man auch durchlesen und sich dran halten, was man da unterschreibt.) Dass man an Angaben zu den eigenen Gunsten denken sollte, versteht sich ja von selbst. Aber in Jobcentern sind auch große Abteilungen damit befasst, Sozialbetrug aufzudecken, und nehmen zu diesem Zweck einen systematischen Datenabgleich vor. Man glaubt nicht, wie viele Bedienstete in diesen eher unsichtbar vor sich hin werkelnden Abteilungen sitzen – davon könnte die Steuerfahndung, wenn Millionäre Steuern hinterziehen, nur träumen… Dabei geht es meistens nicht um große Beträge; aber den Stress kann man sich ja gerne von vornherein ersparen.

 

Wenn man weiter mit der Behörde korrespondiert, sollte man unbedingt immer das Aktenzeichen angeben und den Brief ausdrücklich an die richtige Abteilung adressieren. Sonst kann es passieren, dass ein Schreiben tagelang in der Behörde herumgeistert und wertvolle Zeit ungenutzt verstreicht. Oder im schlimmsten Falle wird es in der falschen Abteilung abgeheftet oder kann nicht dem richtigen Vorgang zugeordnet werden, so dass es gar nicht berücksichtigt wird. In der Arbeitsverwaltung z.B. ist es wichtig, zwischen der Leistungsabteilung, die die Zahlungsbescheide verfasst, und der Arbeitsvermittlung zu trennen – das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe! Bei einem Widerspruch, wir kommen später noch ausführlicher zum Thema, wird häufig noch ein zweites Zeichen vergeben, nämlich die Widerspruchsnummer, verbunden mit dem Jahr (z.B. 304/15) – dann möglichst beide Zeichen angeben! Hilfreich ist auch ein Bezug mit Datum auf ein vorangegangenes Schreiben der Behörde.

 

Heutzutage sind die meisten Behörden chronisch knapp besetzt; in Städten wie Duisburg, die überschuldet sind, wird natürlich besonders am Personal gespart. Hört man also besonders lange nichts, ist es sinnvoll, einmal nachzufragen, wie der Sachstand ist, beziehungsweise, wenn „Holland in Not“ ist, an die besondere Dringlichkeit zu erinnern. Diese Nachfragen sind aktenkundig beziehungsweise gelangen häufig auch den Vorgesetzten zur Kenntnis. Und die sind daran interessiert, dass über Anträge, soweit es möglich ist, zeitnah entschieden wird.

 

Kommt nun immer noch nichts, gibt es auch zwei gerichtliche Möglichkeiten, die man kennen sollte: Nach 6 Monaten kann man eine Untätigkeitsklage einlegen. Ist es sehr dringend, z.B. weil das Jobcenter nichts zahlt, kann man einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen. Es ist nur fair und hilfreich, dass man ein solches Vorgehen vorher ankündigt und eine angemessene Frist setzt (und damit vielleicht sogar vorbeugen kann, dass es soweit kommt). In Ämtern wird nämlich mit Wiedervorlagefristen gearbeitet, und der zuständige Mitarbeiter kann sich dann darauf einstellen, bis wann er seinen Bescheid oder, falls es noch Rückfragen gibt, mit seiner Zwischenmitteilung fertig sein muss.

 

 

II.Bescheid und Widerspruch

 

Nun flattert also endlich der erwartete Bescheid ins Haus. Die erste „Amtshandlung“ ist, dass man sich anschaut, ob man den Bescheid nachvollziehen kann oder Zweifel daran hat, dass die Entscheidung richtig war. Hat man nicht das bekommen, was man beantragt hat, dann muss man sich damit befassen, woran das gelegen hat und ob das so seine Richtigkeit hat. Die Begründung des Bescheides durchzulesen und zu schauen, ob die eigenen Angaben auch richtig übernommen wurden, ist im ureigensten Interesse Pflicht.

 

Gegen einen Bescheid kann man innerhalb eines Monats schriftlich Widerspruch einlegen; dann muss dieser noch einmal nachgeprüft werden. Schriftlich heißt: nicht per E-Mail, sondern per Brief, und zwar an die Adresse, die in der Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Bescheid angegeben ist. Wenn man Post erwartet, ist es äußerst sinnvoll, sich um die tägliche Leerung des Briefkastens zu kümmern… Die Frist beginnt eigentlich an dem Tag zu laufen, an dem der Bescheid in der Post liegt. Da aber kaum eine Behörde Einschreibebriefe verschickt, hat der Gesetzgeber einen Kunstgriff angewandt: Ein Behördenbrief gilt drei Tage nach der Aufgabe bei der Post als bekanntgegeben. Kommt der Brief später an, liegt die Beweislast für den vorherigen Zugang zwar, wenn es zum Streit kommt, bei der Behörde.

 

Aber über die Einhaltung der Widerspruchsfrist zu streiten, ist überflüssig wie ein Kropf; diesen Stress kann man sich schenken, indem man zeitig einen Dreizeiler-Widerspruch einlegt und die Begründung noch nachreicht (was man dann allerdings, möglichst unter Nennung eines Termins, auch gleich ankündigen und im Anschluss tunlichst einhalten sollte). Der Widerspruch kostet übrigens nichts und kann jederzeit zurückgenommen, wenn man ihn dann doch nicht aufrechterhalten will. Man sollte auch bedenken, dass maßgebend der Tag ist, an dem der Widerspruch mit Stempel bei der Behörde eingeht. Ist es sehr knapp geworden, kann man den Widerspruch auch vorab per Fax einsenden und das Schreiben sofort per Post nachschicken; dann gilt das Faxdatum. Aber da Faxgeräte auch mal spinnen können, ist es am besten, man lässt es gar nicht erst so weit kommen, dass man sich diesem Stress aussetzen muss. Denn funktioniert bereits die Übertragung zum Gerät der Behörde nicht, trägt man selbst dieses Risiko.

Geht es um Rückforderungen von Leistungen durch das Jobcenter, dann kann der Bescheid sofort vollzogen werden. Ein Widerspruch hat, ebenso wie eine Klage, aufschiebende Wirkung, das Verfahren muss also bis zum Ende abgewartet werden. Auch wenn man mit der Rückforderung einverstanden ist, ist also ein Kassensturz ratsam, ob man den Betrag „in einem Rutsch“ zahlen kann. Ansonsten: Sobald man eine Zahlungsaufforderung hat, so schnell wie möglich eine Zahlungserleichterung beantragen und angeben, welche Raten man aufbringen kann und bis wann man denkt, dass man den Betrag abstottern kann. Ein Widerspruch hat aufschiebende Wirkung; erhält man trotzdem Zahlungsaufforderungen, ist etwas schief gelaufen und sollte man sich sofort darum kümmern, bevor am Ende der Vollziehungsbeamte vorbeischaut und irgendwo seinen „Kuckuck“ anbringt.

 

Ein Widerspruch muss nicht begründet werden; eigentlich muss der Bescheid auch ohne Begründung noch einmal komplett nachgeprüft werden. „Eigentlich“ heißt: In der Praxis wird es, was dem knappen Behördenpersonal geschuldet ist, immer weniger gemacht. Also empfiehlt sich trotzdem auf jeden Fall, möglichst genau und verständlich auszuführen, warum man mit dem Bescheid nicht einverstanden ist. Wenn man noch irgend welche Nachweise hat, die die Behörde nicht kennt und die für die Entscheidung wichtig sein könnten, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, sie nachzureichen.

Den ganzen Artikel  können Sie auf BACHTALO http://bachtalo.de/2015/08/20/bachtalo-215/lesen

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