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Kleine Staatsbürgerkunde: Kommunalwahlrecht in NRW

handbuch-zum-kommunalwahlrecht-in-nordrheinDerzeit sorgt die Armutseinwanderung aus Südosteuropa für ein großes Medienecho. Im Mittelpunkt des Interesses seht bekanntlich hier in Duisburg ein Mietshaus in Rheinhausen-Bergheim. Inzwischen haben alle deutschen Leitmedien über diese Gebäude anderthalb Kilometer vor meiner Haustür berichtet. Jetzt beginnen die Zeitungen aus dem europäischen Ausland (keineswegs nur britische) damit, sich mit diesem zum Symbol gewordenen Gebäude zu befassen. Auch vor Ort, also dort, wo sich Menschen aus Rumänien oder Bulgarien niederlassen, finden die in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Und auch hier stehen die Bewohner des Hauses in den Peschen im Zentrum – nicht zuletzt wegen der engagierten Öffentlichkeitsarbeit ihrer Anwohner, die in der benachbarten Beguinenstraße zuhause sind. Wie gesagt: ein symbolträchtiger Ausschnitt. Insgesamt dürften mittlerweile an die zehntausend Flüchtlinge aus Rumänien und Bulgarien, zumeist Roma, in Duisburg angekommen sein. Es ist kein Alarmismus davon auszugehen, dass weitere kommen werden, wenn sie ab dem 1. Januar das Recht haben, einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen bzw. – im Fall von Arbeitslosigkeit – Lohnersatzleistungen zu beziehen.

 

Auch in Duisburg wird über diesen Themenkomplex, zum Teil mit hohem emotionalen Engagement, allerorten diskutiert – in der realen Welt, aber auch im Internet, in diversen Facebook-Foren, etwa in der Gruppe „Stadtpolitik Duisburg“. Politiker gehen – von einigen spektakulären Veranstaltungen einmal abgesehen – recht zurückhaltend mit diesem Aufregerthema um, und auch bei Facebook beteiligen sich nur äußerst wenige kommunalpolitische Entscheidungsträger an den einschlägigen Debatten. Anders sieht es aus bei den Parteianhängern sowie bei den Mitgliedern und Sympathisanten der in Duisburg hinreichend vorhandenen freien Wählerlisten. Vermutlich hängt es damit zusammen, dass der Eindruck um sich greift, in diese doch so notwendige Diskussion über die „neue“ Einwanderung aus Südosteuropa spielten auch schon Vorboten des Wahlkampfes herein. Nicht des diesjährigen Bundestagswahlkampfes, wie sich wohl versteht, sondern des Kommunalwahlwahlkampfes. Nun ist es zwar noch anderthalb Jahre hin, bis der Stadtrat und die Bezirksvertretungen erneut gewählt werden; nichtsdestotrotz denke auch ich, dass an besagtem Eindruck etwas dran sein könnte. Ich will und kann diesen Verdacht nicht konkret belegen, ihn also schon gar nicht auf einen oder mehrere bestimmte Diskussionsteilnehmer gemünzt wissen.

 

Darüber hinaus gehe ich – aber auch dies ist nichts weiter als ein Verdacht – davon aus, dass bei den Gedanken an die Kommunalwahl irgendwie davon ausgegangen wird, dass nur eine Seite des / der hier angesprochenen Nachbarschaftskonflikts wahlberechtigt sein werde. Solch eine Annahme wäre – was Sie wissen sollten, falls Sie es nicht sowieso schon wissen – freilich unzutreffend. Denn, und dies wiederum weiß allerdings wirklich jeder, die Einwanderer in den Peschen und anderswo in Duisburg sind rumänische oder bulgarische Staatsbürger, mithin EU-Bürger. Und da spricht das Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen eine ganz deutliche Sprache: „Aktiv wahlberechtigt ist jeder Deutsche oder EU-Bürger, der das 16. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens 16 Tagen seinen (Haupt-)Wohnsitz in der Gemeinde hat.“ (Passiv ab 18 Jahren, drei Monate Anwesenheit). Dies ist überall so, will sagen: NRW hat hier einfach nur EU-Recht umgesetzt: „In der Europäischen Union dürfen alle EU-Bürger an Kommunalwahlen an ihrem Hauptwohnsitz teilnehmen, unabhängig davon, in welchem Mitgliedsstaat sich dieser befindet.“ Ich bitte darum, diese Hinweise darauf, dass die „neuen“ Einwanderer schon jetzt wahlberechtigte Bürger Duisburgs sind, nicht als ein Plädoyer misszuverstehen, die Debatte stärker unter parteipolitischen Vorzeichen zu führen.

 

Im Gegenteil. Weit entfernt davon, „Parteienhickhack“ als lästig zu empfinden (er ist vielmehr eine demokratische Notwendigkeit!), halte ich ideologische Vorbelastungen auf der Suche nach den besten Wegen zum Integrationsprozess für eher abträglich. Es steht auch nicht die Frage zur Debatte, ob man nun für oder gegen die Integration ist. Zur Integration, also zum Miteinander von Alteingesessenen und Zugezogenen, gibt es keine Alternative, worüber sich in Rheinhausen auch alle Parteien einig sind. Es geht nicht um das Ob, es geht um das Wie. Hier können (und, wie ich finde, sollen auch) unterschiedliche Meinungen, Interessen, Grundüberzeugungen („Ideologien“) aufeinanderstoßen. Auf längere Sicht geht es um Interessen. Parteien haben – schon auf kürzerer Sicht – wahlpolitische Interessen. Mehrere Tausend Einwanderer aus Südosteuropa werden bei der nächsten Kommunalwahl stimmberechtigt sein. Wer meint, „die gehen doch sowieso nicht zur Wahl, das sind doch Analphabeten“, könnte überrascht sein, wenn eine unter Druck gesetzte Minderheit mit hoher Verbindlichkeit und Disziplin eine Wahlbeteiligung organisiert, die die der von der Demokratie so frustrierten Ethnodeutschen deutlich übersteigt. Muss nicht, kann aber. Wissen sollte man es aber schon.

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