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Das Sterben einer Fankultur: Wie das klassische deutsche Science-Fiction-Fandom untergeht

Deutsch: Groschenromane im Angebot des Zeitung...

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Michael Gorbatschows Spruch gilt besonders für eine Fankultur deutscher Ausprägung, deren Tod unausweichlich ist – das überwiegend literarisch geprägte Fandom mit der Convention im alten Format stirbt aus. Weil es sich weigert den Dialog mit den Jugendlichen aufzunehmen.

Es ist eine sehr kleine und überschaubare Fanszene in Deutschland. Sie trifft sich regelmäßig im Jahr zu den sogenannten Conventions, über deren richtigen Artikel man sich genüßlich alles Jahre wieder streitet. Sie reden vorwiegend über Literatur, stellenweise kann man noch die ein oder andere Fernsehserie mögen aber gute SF – da ist man sich einig – findet oder fand man doch nur stets im Buch. Die Händler bei solchen Conventions bestätigen das Bild dann auch: Bücherrücken an Bücherrücken, Heftroman an Heftroman reihen sich die Kästen und der interessierte Conbesucher kann hier seine Print-Publikations-Sammlung gut ergänzen. Ab und an auch mal taucht ein Händler mit DVDs oder TV-Serien-relevanten Inhalten auf, die überwiegende Zahl der Händler aber sind dem Printgut verhaftet. Die überwiegende Zahl der Besucher indessen ist selten unter 50. Sie, die sich in SF-Clubs organisiert haben, haben teilweise noch mit Aasimov persönlich gesprochen, kennen Bradbury von Kindesbeinen an und finden, dass Perry Rhodan immer noch eine tolle Serie ist. Diese Fankultur, deren Höhepunkt jährlich der Buchmesse-Convent in der Nähe von Frankfurt ist, wird es in wohl in 20 oder 30 Jahren nicht mehr geben. Damit werden ebenfalls SF-Clubs mit Fanzine-Herausgebern verschwinden. Was allerdings kein Wunder ist: Es ist zwar nicht unmöglich Kontakt in dieses Fandom zu bekommen, das Fandom selbst aber macht es einem auch nicht gerade leicht es zu mögen und hat den Kontakt zu den Jugendlichen längst verloren. Auch wenn der BuCon sich seit einigen Jahren bemüht mit einem Konzert am Ende des Tages junge Leute herbeizulocken – Insider wissen aber: Nachdem der Deutsche Phantastik Preis am Abend verliehen ist, sind die meisten Händler und Fans schon längst auf dem Weg ins Restaurant der Wahl und stehen zu Kontaktaufnahmen nicht mehr zur Verfügung.

Es ist hochgradige Ironie: Einerseits beschäftigen sich die Leser von SF-Literatur ja gerade mit der Zukunft, mit möglichen Spielarten, mit den Modellen, finden sich unter den Konsumierern von Perry-Rhodan ausgeprochene Hardcore-Fans die einem genau erklären können wie ein Transmitter funktioniert oder wo sich die Klos für die Besatzung der Riesenraumschiffe befinden. Sie sind fasziniert von den Möglichkeiten der neuen Technik, denken bestehende Entwürfe voraus, beteiligen sich rege an Diskussionen in Heftromanserien über die möglichen Auswirkungen einer nicht-existierenden Technik und sind damit dem anderen Fandom in Deutschland – dieses begeistert sich eher für Fernsehserien – durchaus gleich. Während aber das Fandom der Fernsehserien Entwicklungen wie dem Cosplay näher steht und sich hier auch Jugendliche begeistern lassen können, schottet sich sich das lesende SF-Fandom in Deutschland gerne gegenüber allen aktuellen Entwicklungen der Jugendkultur ab. Man schmort gerne im eigenen Saft, liefert sich heftige Debatten innerhalb des Fandoms darüber warum man so wenige junge Besucher zu den Conventions bekommt, beklagt die abnehmende Zahl der Print-Fanzines – und ignoriert dabei die digitalen Möglichkeiten – kurzum: Man wehleidigt sich alle Jahre wieder auf die Aussage hin: „Das deutsche SF-Fandom muss gerettet werden“. Etwas, was mindestens seit 2004 als ich dazu schon Stellung nahm immer wieder mal diskutiert wird, aber große Entwicklungen finden in diesem Fandom nicht statt. Es bevorzugt die kuschelige kleine Nische und eine Öffnung gegenüber den Jugendlichen sprengt die eigene Comfortzone, in der man sich all die Jahre lang so hervorragend eingerichtet hat.

Nun ist die Entwicklung im Buchhandel definitiv etwas langsamer als in anderen Branchen, die Buchmesse Frankfurt rief allerdings immerhin mit der „StoryDrive“ – dieses Jahr in Halle 4.0 – eine Konferenz ins Leben, die sich mit dem Erzählen von Stoffen im digitalen Raum und der Verbindung mit dem Print beschäftigt. Ebenso gabs natürlich auch diverse neue eBook-Reader-Modelle und Weiterentwicklungen der Technik zu bestaunen. Die erste Welle von Anfang der 2000er Jahre, die sang- und klanglos verebbte, scheiterte wohl auch daran dass es keine Inhalte für die teuren Reader gab. Bei den aktuellen Preisen – und TXTR gab die sagenhafte Botschaft heraus, man wolle für einen Zehner einen eReader produzieren, aber TXTR hat schon öfters Dinge angekündigt, die nicht realisiert wurden – spielt aber dieser „Second Screen of Publishing“ durchaus eine Rolle. Ebenso sind Facebook, Twitter und Soziale Netzwerke auf der Buchmesse angekommen, ja, die Buchmesse selbst nutzt in ihrem Webauftritt alle Kanäle fürs Marketing.

Die lesende deutsche SF-Szene kommt zwar jetzt nach und nach auf den Geschmack, es gibt genügend Facebook-Gruppen und Auftritte. Allerdings auch nur dort, die Möglichkeiten von Twitter, Pinterest und Co. gehen an den SF-Fans offenbar in der Regel vorbei. Es gibt Ausnahmen, ja, wie es immer Ausnahmen gibt. Doch stellt man fest: Während des diesjährigen BuchmesseCons gab es offenbar keine Live-Bericht-Erstattung fürs Social Web. Es gab keinen Hashtag für Twitter, keine Rückverweise auf der Homepage zur immerhin bestehenden Facebook-Fanpage. Auf der Fanpage findet, das ist legitim, überwiegend Vor- und Nachberichterstattung statt. Man schöpft aber hier nicht aus eigenen sondern aus fremden Quellen. Zumindest hier wäre ein Anknüpfungspunkt an die aktuellen Entwicklungen gegeben – mit den über 1000 Fans sollte der BuCon eigentlich ein Best-Practice-Beispiel sein. Und wie auch andere Fanpages zeigen: Man begreift das Internet nicht als Kommunikations- sondern als PR-Kanalsmedium. Dass Facebook eher an Klicks und Likes interessiert ist, dass man interessante Inhalte zum Mitmachen anbieten muss damit man nicht aus der Timeline der Fans rausfliegt weil Facebook das so möchte – das sind keine neuen Erkenntnisse. Sondern Fakten.

Dabei ist Facebook, wie das White Raven Festival in diesem Jahr bewies, durchaus ein Ort an dem Jugendliche zu finden sind. Vom Spruch: „Gehe dorthin und nutze das, was die Zielgruppe nutzt“ hat das klassische lesende Fandom zwar gehört, setzt es aber nur für die eigene Zielgruppe ab 50 Jahren um: Man macht Flyer, inseriert in Perry-Rhodan oder anderen Heften, macht Anzeigentausch mit Printfanzines und sendet eventuell sogar noch eigene Pressemitteilungen an die Zeitungen im Umland aus. Alles nicht verkehrt. Damit erreicht man aber keine Jugendlichen. Schließlich müssen die ja wissen dass es solche Conventions gibt – und werden mit Sicherheit keine Fanzines abonniert haben. Dies ist einer der Fehler, der rechtzeitig hätten vermieden werden können, aber schon 2004 war man alles andere als dialogbereit und stellte sich auf den Standpunkt: „Wenn wir es bauen, dann kommen die schon.“ Überraschend, dass dann Jugendliche nicht erschienen sind… Das Internet ist in den Augen der Fans eher der Ort für Informationensammeln und -verbreiten. Darin ist sich diese Szene anderen Branchen verblüffend ähnlich: So etwa dem Journalismus deutscher Prägung. Während lesende SF-Fans mit den Fans von TV-Serien nichts anfangen können, haben sogenannte Qualitätsjournalisten bekanntlich ein Problem mit Blogs. Beide Systeme stehen ratlos vor dem, was sich am Horizont andeutet und anstatt aktiv zu werden lässt man sich lieber überrollen oder probiert unsinnige PR-Eventstrategien aus, Hauptsache „man hat ja mal was getan.“ Ergebnis: „Also dieses Internet ist totaler Mist, das braucht man nicht. “ Ohne richtige Strategie kann das ja auch nichts werden, aber wenn man das nicht erkennt…

A – I – D – A. Ohne Attention kein Interest, ohne Interest kein Desire, ohne Desire keine Action. Während Verlage allmählich erkennen, dass sie viel zu lange geschlafen haben was den digitalen Markt anbelangt weigert sich die klassische deutsche Fansparte ebenso wie einige aus ihr entstandene Verlage – Homepagedesign anno 1998, das höchste der Gefühle und klar bestelle ich ein Buch direkt beim Verlag selbst weil es so schön umständlich ist statt bei Amazon und Co. – die Zeichen der Zeit zu erkennen und wenigstens den Dialog mit den Jugendlichen zu suchen. Während man teilweise befremdlich auf den Cosplay-Wettbewerb in Frankfurt schaut, veranstaltet man selbst seit Jahren Kostüm-Wettbewerbe. Was nun lächerlicher ist kann und darf jeder für sich selbst entscheiden, zum Glück. Man vertraut auf die Kraft der Söhne und Töchter, die man zu solchen Conventions hinbringt und die das sicher total interessant finden und später dann mal das Erbe des Fandoms übernehmen werden. Nein. Werden sie nicht. Weil die Söhne und Töchter längst daran gewöhnt sind Inhalte mit ihren „Devices“ zu konsumieren, weil sie gelernt haben: „Sharing is Caring“ und weil sie ein attraktives und gute Programm haben wollen. Ihr gutes Recht, das will man als Conbesucher auch und deswegen wählt man seine Veranstaltungen aus. Wirft man einen Blick auf das Programm des BuCon siehts da eher Mau aus… (Ja, die Webseite arbeitet noch mit Frames. Putzig. Irgendwie.)

Es ist allerdings längst zu spät das Steuer herumzureißen. Das Schiff „Lesende SF-Fankultur“ sinkt eigentlich schon nur die Bewohner der ersten Klassen bemerken das noch nicht. Es ist jedoch faszienierend den Untergang zu beobachten – während es bei den Fußball-Ultras faszinierend war diese Fankultur entstehen zu sehen. Das eine kommt, das andere geht. Retten muss man das SF-Fandom auch gar nicht. Längst haben sich Formen und Spielarten entwickelt, die lebendiger sind als zuvor. In 20 Jahren allerdings wird der letzte Con wegen Aussterbens der Mitglieder schließen, der letzte SF-Club das letzte Fanzine an die Deutsche National Bibliothek geschickt haben. Vielleicht wäre es tatsächlich gnädiger, jetzt schon den Stecker zu ziehen, damit das Fandom sich nicht so leiden dahinquält.

 

 

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