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Moers minimal – vor dem pfingstlichen Festival

Schon eine Woche vor dem Freitag beginnenden Moers Festival gibt es in der niederrheinischen Grafenstadt improvisierte Musik zu hören. Am gestrigen Sonntag startete die Reihe der Sonnenuntergangskonzerte. Nachtstimmen erheben sich in der Innenstadt jeden Abend ab 21.30 Uhr.

Maggie Nicols: Unterstatementkonzi im Moerser Bauwagen, mupflpic

Gestern. Abends. Draussen. Erst nahm mich auf der Anreise per Fahrrad die Vorhalle des Essenberger Friedhofes gefangen. Die Vorhölle? Der Platzregen des ersten Sommergewitters war vorhersehbar, zumal die Regenradar-App des Wischhandys schon nach wenigen Kilometern warnend fiepte. So blieb nur das Unterstellen in morbidem Setting. No Risk, no Fun.

Nur ist eine Eigenschaft von Gewitterregen, daß man immer zu früh aus den Schutzhütten aufbricht, weil man denkt, er wäre endgültig vorbei. Aber so isses nie, diese Crescendi pflegen immer nach zu legen. No Risk, no Fun.

Kurz vor der blauen Stunde ist dann der Regen alle balle, der Sturm verbraust und der Moerser Schloßpark menschenleer. Kathartisch gereinigt geradezu. Und während die Entenscharen munter quaken, steigen Nebelschwaden von den Wiesen hinan in das blaßgraue Licht. Ja genau. Und ohne Scheiß jetzt: Nebelschwaden. Kann man sich ja auch physikalisch erklären, meine Gebrauchslyrik.

Dann. Ein Eckchen weiter, in der Fußgängerzone, am Rande einer iluminierten Kirche steht ein Bauwagen. Außen ist er mit Wölkchen drapiert, gefertigt aus Kunstrasen. Gefüllt ist er mit gelbem Licht und etwa einem Dutzend Menschen. Das ist die Bühne, die das Netzwerk Improvisierte Musik „den kleinsten Konzertsaal der Welt“ nennt. Hier wird in fünf Konzertabenden vor dem Moers Festival, dessen Fokus im größten Zirkuszelt der Welt im Schloßpark liegt, die Konzertreihe Nachtstimmen absolviert.

Täglich zum Sonnenuntergang, genauer ab exakt 21.30 Uhr wird in kleinen Formationen und solistisch aufgespielt – eine schöne Idee, die einen Gutteil Kawaii beinhaltet.

Gestern, zur Sonntag Nacht spielte Maggie Nicols. Das ist eine Vokalistin aus Schottland, die auch Phil Minton beschulte und mit ihm arbeitete. Sie ist ungefähr so alt und sieht auch so aus wie Laurie Anderson, macht aber nicht so viel Gewese.

Maggie Nicols neigt solistisch in intimer Runde zur Katzenhaftigkeit, so scheints: Sie schnurrt, miaut, faucht und zeigt bisweilen Krallen. Gleichwohl hat die große Dame eine große Vergangenheit als feministische Künstlerin: Mit Lindsey Cooper und Georgie Brown, den beiden netten Irren von Henry Cow gründete sie schon, als ich erst 15 war, die Feminist Improvisation Group – ein reines Frauenorchester, damals ein Unikum in der improvisierten Musik.

Im Moerser Bauwagen miaute sie jenseits von allem Firlefanz, ganz ohne Mikrophon und ganz ganz leise. Vor einem lokalen Publikum von wenigen Experten, das hingerissen bald die Augen schloß und seine Köpfe wiegte. Ein absolut erstaunliches Konzert: Man muß es sich wie ein Kammerspiel in einer Nußschale vorstellen.

Übrigens – das Festivalzelt im Schloßpark, es steht schon. Hab‘ ich auf der Rückfahrt bemerkt. Es war zwar zappenduster. Aber man kann auf gewitterregen-glitischem Geläuf auch an Heraszäunen stranden. No Risk, no Fun.

Bis Freitag dann also, Gunter Hampel.

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