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Mülheim: Schluss mit swaps u.a. spekulativen Geschäften der Stadt Mülheim, dafür Schadensersatzklagen und endlich Transparenz

Im Finanzausschuss der Stadt Mülheim am 30.4. war ein Hauptpunkt erneut das Thema Zinswettenverluste (swaps, Währungsspekulation usw.) und die Konsequenzen. Seit Jahren beschäftigt die gesamte Thematik immer wieder die Gremien und/oder die Medien mit immer neuen Erkenntnissen oder Enthüllungen. Es ist mehr als überfällig, die Problematik durch politische Beschlüsse endlich in den Griff zu bekommen und nicht weiter zu vertagen. Vor 1 Jahr wurde der entsprechende MBI-Antrag erst mehrfach verschoben und dann abgelehnt mit dem Verweis, dass eine Anwaltskanzlei dazu ein Gutachten erstellen solle. Das lag nun um Monate verspätet vor, entlastet die Verantwortlichen der Stadt für das Millionen-Desaster und empfiehlt eine Schadensersatzklage nur gegen die WestLB wegen Währungswetten, aber keine auch gegen die Commerzbank wegen der swap-Geschäfte, obwohl das Düsseldorfer Büro wg. ähnlicher zweifelhafter Geschäfte andere Städte vor Gericht vertritt.
Doch der Finanzausschuss, der seinerseits damals und später mehrheitlich die dubiosen Geschäfte abgenickt hatte, wollte erneut nur eines: Beratungsbedarf, Vertagen auf die Juliratssitzung usw.. Nur keine Entscheidung, warum auch immer. Deshalb haben die MBI ihren Antrag aus letztem Jahr in aktualisierter Form als Eilantrag gestellt, um das unwürdige bis peinliche Dauertheater endlich zu beenden bzw. zu beschleunigen. Der ganze Antrag weiter unten
Mitte April hatte die Stadt ferner gegen das Gerichtsurteil zur Einsichtnahme der WAZ in städtische Stellungnahmen zur Bewertung des swap-Desasters Berufung eingelegt, ohne dies in irgendeinem demokratischen Gremium beraten zu können (oder wollen). Der Punkt war im FA überhaupt kein Thema, obwohl von sicherlich öffentlich großem Interesse. Deshalb der folgende weitere MBI-Eilantrag, der Rat möge die Rücknahme der Berufung beschließen.

Eilantrag für die Sitzung des Rates der Stadt Mülheim am 03.05.12    TO: Öffentlich

Beschlussvorschlag

Der Rat der Stadt möge beschließen:

Die Stadt zieht ihre Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zur Einsicht der WAZ in die Stellungnahme des Rechtsamts aus 2008 zurück.

 

Begründung
Bekanntlich hat das VG Düsseldorf der WAZ Recht gegeben. Die Stadt Mülheim muss der WAZ nach dem Gerichtsurteil Einsicht in das Gutachten ihres Rechtsamtes gewähren, das nach der Millionen-Pleite mit Zinswetten mögliche Haftungsansprüche gegenüber der West LB als Wettpartnerin sowie Ex-Kämmerer Gerd Bultmann und leitenden Beamten zum Gegenstand hat. Die Frist zur Einlegung der Berufung lief am 13. April ab. Die Grünen hatten einen Antrag für den Hauptausschuss am 26.4. gestellt, dies nicht zu tun. Sie zogen aber in der Sitzung ihren Antrag zurück, weil die Frist zur Einlegung der Berufung bereits verstrichen sei und Berufung eingelegt wurde. Damit ging diese Entscheidung völlig an den demokratischen Gremien vorbei, denn auch im Finanzausschuss am 30.4. wurde die Frage nicht mehr genauer beraten.

In der komplizierten Angelegenheit herrschte bereits viel zu viel und zu lange Intransparenz. Der gesamte Eindruck, den alle zusammen als Stadt in der Sache hinterlassen haben, war alles andere als vorteilhaft. Da nun auch noch Berufung eingelegt wurde, sehen viele Bürger das als eine Art Vertuschungsmanöver. Da es sich um öffentliche Gelder handelt, will und muss die Öffentlichkeit auch informiert werden.

Dabei kann eine Akteneinsicht durch die WAZ ohnehin nichts sensationell Neues mehr ans Tageslicht bringen. Die Ergebnisse des Gutachtens durch das Düsseldorfer RA-Büro haben die Auffassung des Rechtsamts im wesentlichen bestätigt, umso weniger sollte die o.g. Stellungnahme der Öffentlichkeit weiter vorenthalten werden. Da das Gutachten vom 17.4. zudem nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Berufung erstellt wurde, muss nun entschieden werden, die Berufung zurückzuziehen oder laufen zu lassen. Das muss möglichst unmittelbar geschehen, und zwar durch den Rat, der wegen der gegebenen Terminabfolge bisher außen vor war. Die Stadt kann in der Berufung vor Gericht nur noch wenig gewinnen, aber gegenüber den Bürgern und der Öffentlichkeit nur verlieren.
Auch deshalb die Eilbedürftigkeit

L. Reinhard, MBI-Fraktionssprecher

Eilantrag für die Sitzung des Rates der Stadt Mülheim am 03.05.12    TO: Öffentlich

Swaps und andere spekulative Geschäfte der Stadt

Bekanntlich hat die Stadt Mülheim bereits bis 2008 6,1 Mio. € Verluste durch swaps gemacht, die in 2003 unter Kämmerer Bultmann abgeschlossen worden waren. Auch Kämmerer Bonan betrieb noch zuletzt spekulative Geschäfte, indem Kassenkredite z.B. in Schweizer Franken aufgenommen wurden. Auch diese führten inzwischen zu Verlusten  Zu dem gesamten Komplex beantragen die MBI sowohl ein Verbot jeglicher weiterer spekulativer finanzieller Betätigung der Stadt Mülheim, als auch Klagen auf Schadensersatz wegen aller Zinswettenverluste gegen Verantwortliche.

Beschlussvorschläge im einzelnen:

Der Rat der Stadt möge beschließen:

  1.    Die Stadt Mülheim beteiligt sich in Zukunft an keiner weiteren Finanzspekulation, ob mit Derivaten, Währungsspekulation oder anderen spekulativen Finanzprodukten, mag sie kurzfristig auch noch so erfolgversprechend wirken oder sein.
  2.    Die Stadt Mülheim reicht Klage auf Schadensersatz sowohl wegen der swap-Verluste, als auch wegen der Verluste durch Währungsspekulation ein zumindest
    – gegen Commerzbank und WestLB wegen nicht anlegergerechter Beratung
    – oder/und gegen die Finanzaufsicht des RP bei der Bezirksregierung Düsseldorf bzw. gegen das Innenministerium als oberste

    Aufsicht, welche der damaligen Nothaushaltskommune Mülheim u.a. die swap-Geschäfte hätten untersagen müssen.

 

Begründung

§ 75 der Gemeindeordnung NRW beinhaltet ein Spekulationsverbot für Kommunen. Das ist nicht nur sinnvoll, sondern auch grundsätzlich geboten, weil öffentliches Geld verwaltet wird, das anders als bei Privatpersonen, nicht verspielt werden darf, egal welche Gewinnchancen momentan winken. Eine Kommune, die bekanntlich nicht in Konkurs gehen kann, ist nicht seriös und nachhaltig zu führen, wenn sie sich an risikobehafteten Spekulationsgeschäften beteiligt.

Gegen dieses fundamentale Selbstverständnis und Gebot haben etliche Kämmerer in klammen Kommunen im letzten Jahrzehnt verstoßen. Zum einen wurden sie von Bankberatern mit Versprechungen gelockt, zum anderen ließen die Aufsichtsbehörden des Landes dies zu, ohne einzugreifen. Wenn dann wie in Mülheim auch die Politik mehrheitlich für das eigentlich unerlaubte Vorhaben des jeweiligen Kämmerers votierte, so werden dadurch weder Berater, noch RP aus ihrer Verantwortung entlassen, so sehr auch die nahezu gesamte Politik in 2003, damals ohne MBI, versagt haben mag. Der damalige Zeitgeist erklärt zwar vieles, entschuldigt aber nichts.

Immobilien-, Finanz- und Eurokrise ab Herbst 2008 haben zudem noch einmal deutlich gemacht, wie grundlegend wichtig der § 75 GO ist. Deshalb muss der Rat mit Antrag 1 allen zukünftigen Verlockungen einen Riegel vorschieben. Kein noch so ausgeklügelter Kriterienkatalog etwa für die Beratung im Finanzausschuss wird die Stadt wirklich dauerhaft schützen können, wenn sie sich auf spekulative Finanzprodukte von Banken einlässt. Diese schmerzhaften Erfahrungen haben schließlich nicht nur Kommunen gemacht.

Für den entstandenen Millionenschaden durch nicht zulässige Spekulationsgeschäfte tragen die verschiedenen Banken durch ihre Art der Beratung sicherlich die Hauptschuld. Das Gutachten von Baum, Reiter & Co hält die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die WestLB im Hinblick auf die Währungsspekulationen (u.a. CHF-Plus-Swaps) für erfolgversprechend. Die Kanzlei rät dagegen von Schadensersatzklagen wegen der 2004 bis 2006 getätigten Swap-Geschäfte ab, obwohl die Kanzlei für andere Kommunen selbst solche Klagen führt.
Doch das Gutachten ist auch in sich widersprüchlich. Einerseits wird zwar ein Verstoß gegen die Pflicht zur anlegergerechten Beratung bejaht, andererseits aber dieser Pflichtenverstoß nicht zum Anlass genommen, dementsprechend Ansprüche konsequent zu Ende zu prüfen. Im Rahmen der Verjährung wird auch die Frage des Vorsatzes gänzlich außer Acht gelassen. Wichtig ist dabei, dass die Bank den fehlenden Vorsatz darstellen und beweisen muss, nicht der Kunde, sprich die Stadt Mülheim. Das Gutachten behandelt nicht alle speziellen Risiken der verschiedenen Produkte, bleibt daher unvollständig. Wichtige Gesichtspunkte wie etwa die Aspekte Sittenwidrigkeit, Nichtigkeit wegen Überschreitung des Wirkungskreises u.ä. werden entweder gar nicht erst behandelt oder allenfalls nur am Rande erwähnt.

Aus all den Gründen heraus sollte die Stadt keine Möglichkeit unterlassen, die bereits entstandenen Verluste wenigstens zum Teil von den beteiligten Banken einzuklagen. Die Chancen dürften seit dem BGH-Urteil vom letzten Jahr nicht ganz schlecht sein. Auch dass u.a. die Deutsche Bank sich bei Kommunen wie z.B. Hagen auf Vergleiche eingelassen hat, unterstreicht dies.
Die Stadt sollte nicht nur wegen des CHF-Plus-Swap auf Schadensersatz klagen, sonder auch wegen der anderen swap-Geschäfte.

Doch auch der jeweilige Kämmerer, seine Vorgesetzte die OB, und ggfs. auch die demokratischen Entscheidungsträger hätten den swap- und Währungsgeschäften aus Gewissensgründen und eingedenk ihres Amtseids eigentlich nicht zustimmen dürfen. Inwieweit sie dafür haftbar gemacht werden können, ist ungewiss. Auch das Gutachten von Baum, Reiter&Co bewertet dies als wenig erfolgversprechend, auch wegen der längst abgelaufenen Verjährungsfrist insbesondere zu den Derivatgeschäften der Bultmann-Ära. Hier sollte abgewartet werden, was die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben.
Die Finanzaufsicht des RP aber musste damals alle finanziellen Aktivitäten der Stadt Mülheim genehmigen, weil diese sich im Nothaushalt befand. Sollte also der RP seine Zustimmung gegeben haben, ist auch eine Schadensersatzklage gegen die Aufsichtsbehörde bzw. gegen das Innenministerium als oberste Aufsicht zu erwägen. Falls die RP-Zustimmung nicht eingeholt wurde, weil nicht erforderlich, müssten Landesgesetze und -bestimmungen entsprechend präzisiert werden.

Seit Jahren beschäftigt die gesamte Thematik immer wieder die Gremien und/oder die Medien mit immer neuen Erkenntnissen oder Enthüllungen. Es ist überfällig, die Problematik durch Beschlüsse, wie oben beantragt, endlich in den Griff zu bekommen und nicht weiter zu vertagen. Die vom Finanzausschuss beschlossene Vertagung um weitere 2 Monate in die Juli-Ratssitzung verlängert das ganze eher künstlich und birgt evtl. die Gefahr von Verfristung bei Schadensersatzklagen. Angesichts der desolaten Haushaltslage muss dagegen endlich jedes weitere Spekulationsgeschäft mit Finanzprodukten entsprechend des § 75 GO unterbunden werden und der Beschluss zur Ausschöpfung aller Klagemöglichkeiten auf Schadensersatz vom Rat auch gefasst werden, besser gestern als heute.

L. Reinhard, MBI-Fraktionssprecher

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