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Die Ästhetik des Musiktheaters

Opernhaus Düsseldorf in 1959

Das Engagment ist beeindruckend: Die Präsentation vier neuer Auftragswerke ist angekündigt; Xtranews hat über die Mitteilung von Generalintendanten Christoph Meyer aus Düsseldorf berichtet. Die Deutsche Oper am Rhein profiliert sich verstärkt mit zeitgenössischen Werken junger Komponisten. Diese Ankündigung wird es den Duisburgern zusätzlich schwer machen, sich politisch im Rahmen der eklatanten Finanznot für oder gegen eine weitere Beteiligung an der Operngemeinschaft  auszusprechen. Die Absage des Traumzeit-Festivals 2012 aufgrund fehlender Mittel unterbricht eine Festival-Kultur, die seit 1997 überregional begeistern konnte. Ob sich Duisburg die Operngemeinschaft noch leisten kann und will, auch dann, wenn andere kulturelle Aktivitäten schlicht entfallen, sogar lokale Förderungen von Kindern und Jugendlichen nicht mehr möglich sind, muss in diesem Frühjahr entschieden werden.

Duisburg steht mit seiner Finanznot und der Frage, wie weiter zu verfahren sei, durchaus nicht alleine. In den letzten Jahrzehnten sind in vielen Kommunen die Kulturhaushalte gekürzt worden, weil dort am ehesten Posten zu finden sind, die für Aktivitäten ausgegeben werden, die als freiwillige und damit disponierbare Leistungen gelten. Selbstverständlich lässt dich gegen solche Maßnahmen polemisieren, bis einem vor Erregung schwindelig wird und man für die Kultur bauliche und soziale Aufgaben eingeschränkt sehen möchte, nicht zuletzt weil man ‘die Schnauze voll’ hat, voller Gift und Galle über das jahrzehntelange Schröpfen der Kultur. Ich möchte einer solchen Polemik sogar noch Nahrung geben, in dem ich betone, dass der Bund in den vergangenen Jahrzehnten viel auf die Kommunen abgewälzt hat, dass die Lage weitaus besser sein könnte. Dann würde sich jedoch die Stoßrichtung des Artikels ändern, hin zu einer Revolte der Kommunen, Kommunen, die brav vor sich hin trotten, wie Duisburg, das auf den Stromschlag des Schlächters wartet.

Nur mal nebenbei: Was für ein Potential würde sich durch eine Ruhrstadt ergeben können, mit einem echten, von den Bürgern des Ballungsraums zu wählenden Ruhrparlament (PDF) finanziell, strukturell, kulturell und machtpolitisch! Leider interessiert sich kaum jemand für eine solche Möglicheit, die sogar dem Land NRW gefährlich werden könnte, um der lieben parzellierten Heimat willen: Schaf an Schaf, entlang von Emscher, Ruhr und Rhein-Herne-Kanal. Eine skurrile Herde, von der manche sagen, die Tiere seien längst tot, aber notdürftig ausgestopft, damit es nicht sofort auffalle. Es würde nicht einmal mehr nützen, es ihnen zu sagen! Die kürzlich wahrnehmbaren Zuckungen gegenüber dem Solidarpakt wären tatsächlich das Werk der Zoom Erlebniswelt, die über Erfahrungen in der Animation verfüge.

Soweit möchte ich jedoch nicht gehen: Das Bild der geduldig auf ihr Ende wartenden Kommune gefällt mir viel besser! Leider wird dieses Ende nicht kommen, auch wenn nur noch die bunten Lampen des Landschaftsparks in den Nachthimmel leuchten werden. Es liegt kaum in unserer Hand. Duisburg ist ein ältlich wirkendes Mündel.

Um die begonnene Improvisation wieder näher zum anfänglich angeschlagenen Thema zu führen, möchte ich auf ein generelles Problem der Musiktheater hinweisen: Die hohen Kosten entstehen durch den Personaleinsatz. Das fest angestellte künstlerische Personal inklusive Sänger, Ballett, Chor, Orchester und sonstige Künstler umfasste 2008/09 nach Arnold Jacobshagen (PDF) in Deutschland 15.266 Personen. Dem gegenüber standen 21.008 Personen, die für Aufgaben bei der Technik und im Haus verantwortlich waren. In den Neunziger Jahren ist in diesem Bereich abgebaut worden: 1993/94 waren es 23.300, 2000/01 hingegen nur noch 21.394 Personen. Merklich verändert haben sich in jüngerer Zeit die Gastspielverträge mit Künstlern: Von 8557 in 2000/01 wuchsen sie auf 13.560 in 2008/09 an. Demnach wurden im letzten Jahrzehnt in den Musiktheatern immer mehr freie Künstler engagiert, auch um die Kosten für Erweiterungen des Ensembles einzusparen. Der Anstieg lässt sich nach meinem Ermessen als eine Reaktion auf den Kostendruck interpretieren, ein Druck, der an die schwächste Stelle, zu den Künstlern geleitet wurde.

Aufgrund solcher Zahlen und einer durchnittlichen Auslastung der Plätze von ca. 70-75% fällt es schwer, den neoliberalen Kulturmanagern zu folgen, die angesichts geschrumpfter Kulturhaushalte und des relational gewachsenen Anteils der Theaterausgaben fast blindwütig nach einer Marktorientierung rufen. Die Etablierung der Musiktheater in bürgerlicher Form fußte auf der Prämisse: Wir können es uns leisten! Das gesamte Konzept war auf einen Luxustempel bürgerlicher Zerstreuung ausgelegt. Ich frage mich hingegen, unabhängig von der Duisburger Situation und zukünftigen Profilierung, ob der hohe technische Aufwand, den die Musiktheater in Deutschland betreiben, ästhetisch! gerechtfertigt ist.

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