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Broder über Klarsfeld – Es dämmert

Deutsch: Henryk M. Broder (* am 20. August 194...

Image via Wikipedia Sven Teschke

Wenn es so langsam zu dämmern beginnt, meinen wir meistens einen im Anflug befindlichen Geistesblitz. Ein recht treffendes Bild – in Anlehnung an die Morgendämmerung. Doch wie sieht es am Abend aus? Irgendwann würden wir alle, wenn wir nur lang genug lebten, an Alzheimer erkranken. Bekanntlich hat es den prominenten Fußballfunktionär Rudi Assauer schon ziemlich früh erwischt. Der Journalist und Buchautor Henryk M. Broder ist nicht ganz so prominent wie Rudi Assauer, dafür aber fast genauso alt. Nun gut, Broder ist zwanzig Monate jünger als Assauer; andererseits: Assauer ist ja schon seit einiger Zeit dement.

 

Broder hat sich jetzt in einem Beitrag für die „Welt“ über „das schäbige Spiel der Linken mit Beate Klarsfeld“ beklagt. Was ich nicht weiter bemerkenswert fand, erstens weil Broder ja nicht zuletzt wegen seines nicht ganz spannungsfreien Verhältnisses zur Linkspartei bei der „Welt“ gut aufgehoben ist, und zweitens, weil das Verhalten der Linken gegenüber Frau Klarsfeld in der Tat Anlass zu Kritik liefert. So weit, so gut, so frei von Auffälligkeiten.

Doch der Text bietet Anlass zur Sorge. Der 65-jährige Broder bezeichnet Klarsfeld als „eine Rentnerin, die von einem Lebensabend im Schloss Bellevue träumt“. Da jedoch im Text jeglicher Hinweis auf die Tatsache fehlt, dass Klarsfeld allenfalls als Zählkandidatin in der Bundesversammlung antreten würde, schießt einem die bittere Frage durch den Kopf, ob Broder vielleicht entgangen sein könnte, dass (und wen) die Parteien – abgesehen von der Linken – bereits einen Wulff-Nachfolger nominiert haben.

„Nun sollte man es einer 73 Jahre alten Dame, die ihre `fifteen minutes of fame´ schon lange hinter sich hat, nicht übel nehmen“, schreibt Broder, “dass sie der Versuchung nicht widerstehen kann, aus dem Schatten der Geschichte wieder ins Rampenlicht zu treten.“ Rudi Assauer formuliert noch in aller Klarheit „Ich will mich nicht vergessen“; Broder kriegt nur noch zustande, das von ihm auf Klarsfeld projizierte Bedürfnis, auf die alten Tage noch einmal ins Rampenlicht treten zu wollen, mit den Worten zu kommentieren: „Das ist menschlich.“

 

Menschlich ist kurioserweise auch das Motiv, das Broder der Linkspartei bei der Auswahl ihrer Präsidentenkandidatinnen unterstellt – Luc Jochimsen beim letzten Mal, Beate Klarsfeld – wie Broder annimmt – dieses Mal: „Beide Vorschläge waren vermutlich der Überlegung entsprungen, man müsse älteren Menschen das Gefühl vermitteln, dass sie noch gebraucht werden.“ Man weiß ja, wo das hinführt, wenn einen im Alter das Gefühl beschleicht, von nichts und niemanden mehr gebraucht zu werden.

Zuerst fängt man – siehe z.B. Assauer – mit dem eigenen Verein so einen Riesenkrach an, der in der verbleibenden Restlebenszeit kaum noch zu kitten sein dürfte. Diese Etappe hat auch Broder längst erfolgreich zurückgelegt – spätestens als er 2011 in Aachen bei der Verleihung des Ehrenpreises der Deutsch-Israelischen Gesellschaft gegen das „alternative friedensbewegte rote Pack“ polemisierte. Erreicht einen dann auch noch der Gedankenblitz, dass man nur noch als Pausenclown missbraucht wird, tatsächlich aber von nichts und niemanden mehr gebraucht zu werden, dann …

… flüchtet sich das empfindliche menschliche Gehirn in die Welt des Vergessens. Bevor das Licht vollständig ausgeht, dreht der Dimmer auf Halb- bis Dreiviertel dunkel. „Bleibt als Trost nur der Gedanke, dass es noch schlimmer hätte kommen können“, schreibt Broder am Ende, bevor er in seinem letzten Aufbäumen noch einmal meint, Beate Klarsfeld treffen zu können – mit der geschmackvollen Bemerkung: „In Chile wartet Margot Honecker auf einen Ruf aus der Heimat.“

 

Bei Wikipedia lesen wir: Die Demenz-„Patienten werden nicht selten aggressiv, wenn sie die sich in besten Absichten nähernden Angehörigen und Pflegenden in ihr Wahnsystem einbauen. Hier sind die Übergänge zum Delir fließend.“ Klar. „Für Demenzkranke sieht die Welt merkwürdig und unverständlich aus, weil sie die spezifische menschliche Wahrnehmungsfähigkeit, die Orientierung, verlieren.“ Auch klar. Überraschend ist dagegen, dass während das Kurzzeitgedächtnis schon deutlich abgebaut hat, das Langzeitgedächtnis noch zu faszinierenden Leistungen imstande ist.

Broder zum Beispiel war aus dem Stand in der Lage, mit dem Namen „Beate Klarsfeld“ die richtige Assoziation zu verknüpfen. Hier, faszinierend: „Bei den Älteren dagegen, die mit Hans Rosenthal, Käseigel und Toast Hawaii aufgewachsen sind, klickt es sogleich: Beate Klarsfeld wurde mit einem Schlag berühmt, als sie Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger, der ein lupenreiner Demokrat mit NS-Vergangenheit war, auf einem Parteitag der CDU eine Ohrfeige verpasste. Das war im November 1968, also vor fast 44 Jahren!“ Ausrufezeichen. Wirklich klasse, Herr Broder!

In der Gegenwart bzw. in der kürzlich vollendeten Gegenwart (Perfekt) sieht es freilich nicht mehr ganz so helle aus. Ein notorischer Kritiker der Linkspartei hätte aus der Geschichte um die – man wird sehen – tatsächliche oder vermeintliche Präsidentschaftskandidatin wahrlich etwas machen können. Da kommt die grandiose Parteichefin Gesine Lötzsch auf die Idee, Klarsfeld zu nominieren … – ohne dies mit dem wirklichen Parteichef auch nur abzusprechen. Kein Wunder, dass Lafontaine daraufhin Lötzschs Kandidaten-Plan, wie „Spiegel Online“ schreibt, “torpediert“.

 

Also wird noch einmal Frau Jochimsen ausgegraben, der gute Christoph Butterwegge, der vor Jahrzehnten als Stamokap-Theoretiker deutlich anregender war als heute als Armutsforscher, hinzugefügt, wozu der derart gelackmeierten Parteivorsitzenden die beinahe schon bundespräsidiale Stellungnahme einfällt: „Zu unserer Freude sind wir in der sehr komfortablen Situation, dass wir drei hervorragende Menschen haben, die sich zur Verfügung gestellt haben.“

Wo dieses peinliche Affentheater herrührt, erfahren wir von Beate Klarsfeld selbst. Der taz berichtete sie: „Meine Solidarität mit Israel wird in manchen Parteikreisen kritisch gesehen. Ich bekomme unfreundliche E-Mails.“

 

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