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Der Grieche bei uns, oder: Herne ist überall

de: Stich aus Griechenland

Image via Wikipedia

Heute in der WAZ-Leserbriefspalte. Auf der zweiten Seite der Gesamtausgabe. Nicht des Duisburger Lokalteils, sonst wäre dies ja etwas für die Serie „Samstags in Duisburg“. Doch es waren keine Duisburger, denen wir diese wertvollen Hinweise verdanken. Kein Wunder. Denn es ist nur schwer vorstellbar, dass Duisburger überhaupt nur ansatzweise auf die Idee kommen könnten, auf Gedanken zu kommen respektive eine Gefühlslage zu entwickeln, wie sie nur unter der Sonne Hernes in all ihrer Schönheit und Erhabenheit entstehen können.

 

Herne. Tja, wie soll ich Ihnen das jetzt erklären?! Herne, sagen wir es mal so, das sind rund 160.000 Menschen, die „zwischen Bochum und Recklinghausen auf dem südlichen Talhang der breiten Emscherniederung inmitten einer Bergbau- und Industrielandschaft auf sandigen Terrassenflächen der Emschertalung“ (Wikipedia) … – wie sagt man jetzt? Ach ja: „… leben.“ In Herne, da lebt man gerne, sagt der Volksmund dort. Allerdings vermutlich auch nur dort. Andererseits: die Anziehungskraft der sandigen Terrassenflächen auf dem südlichen Talhang auf die Menschen ist ganz enorm.

 

Gut 3200 Leute quetschen sich in Herne auf den Quadratkilometer. Zum Vergleich: in Duisburg sind es „nur“ 2103 Einwohner je km². Gut, in Berlin teilen sich 3.900 Menschen den km²; aber Berlin, das ist ja künstlich. Hauptstadt und so weiter. Politik, Lobbyismus, Szene-Leute und all der Pipapo; so schafft man auch ohne die sandigen Terrassenflächen der Emschertalung ein mörderisches Gedränge. Leider ist „Enge als Keimzelle von Aggression“ seit langem bekannt – hier dargestellt am Beispiel von München (4359 Einwohner je km² – ach Du Scheiße!).

 

Nun gut, uns muss nicht interessieren, wie der Bayer als solcher tickt. Tatsache ist jedenfalls, dass es dem Ruhri, selbst wenn er an der Emscher lebt, nicht gut tut, zusammen mit 3200 anderen Leuten auf einen Quadratkilometer zusammengepfercht zu werden. Und wenn – richtig geraten (!) – der Herner dann noch lesen muss, dass diese Griechen zu 79 Prozent „Deutschland als Feind“ betrachten, dann … Ja dann kann ihn selbst die schönste aller sandigen Terrassenflächen nicht mehr milde stimmen.

 

Andreas W. zum Beispiel hat deshalb sogar billigend in Kauf genommen, dass er mit seiner kurzen Bemerkung zum WAZ-Artikel „Griechen erklären Deutsche zu Feinden“ mit vollem Namen abgedruckt wird. Warum auch nicht?! Als Herner und damit automatisch auch Deutscher wird er ja wohl noch anmerken dürfen: „Das ist der Dank für bisher geleistete Hilfen.“ Bitterböse Ironie, wenn Sie verstehen. Herner Sarkasmus. Mehr wollte, warum auch immer, die WAZ aus Andreas W.´s Leserbrief nicht abdrucken.

 

„Als Geldgeber für Rettungspakete und Devisenbringer sind wir gut genug“, meint Klaus B., dessen vollständiger Name unübersehbar auf seine polnischen Wurzeln hinweist, der sich inzwischen aber ebenfalls in Herne niedergelassen hat. „Feinde leben im eigenen Land“, schreibt Klaus B., vermutlich nicht ahnend, wie sehr er damit Recht haben könnte. Denn der Feind lebt nicht nur im eigenen Land, schlimmer noch: er lebt sogar in der eigenen Stadt. Chris Kougioumtzidis zum Beispiel, 48 Jahre, Imbissbesitzer in Wanne-Eickel, also Herne 3 – wieder ein anderes Thema, wofür zugegebenermaßen der Grieche nichts kann.

 

Herrn Kougioumtzidis hat die WAZ jetzt in ihrer Herner Lokalausgabe interviewt. Als Zweijähriger sei er als Gastarbeiterkind nach Deutschland gekommen, offenbar von vornherein mit so einer negativen Einstellung: „Da gab’s noch Plumpsklos auf dem Hof. Für uns Kinder war das der Horror, nachts raus zu müssen.“ Ja, das glaube ich. In Griechenland ist es ja auch immer schön warm. Freunde, Ihr könnt nicht alles haben! Nun ja, egal. Das ist ja jetzt 45 Jahre her, und wer heute eine Gyrosbude hat, hat bestimmt auch eine Toilette im Haus.

 

Nach Griechenland zurück –  also in seine „Heimat“, wie es in der WAZ heißt – geht der gute Chris bestimmt nicht mehr. Hat ja auch niemand was dagegen, kann man ja auch verstehen: „Das ist grauenhaft“, also Griechenland, sagt er, der Kougioumtzidis. „In Griechenland herrscht ein Kampf ums Überleben. Ich habe vor kurzem erst gehört, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder an wohlhabende Familien abgeben, weil sie selbst sie nicht durchbringen können.“ Ja, das lief hier in einer Fernsehtalkshow. Am Abend, in so einer politischen.

 

Deshalb glaube ich eigentlich nicht, dass Andreas W. oder Klaus B. die gesehen haben. Und wenn schon! An und für sich helfen wir doch ganz gern, behauptet jedenfalls Klaus B. (mit vollem polnischen Namen). Die sollen dann aber auch den Hals halten und uns nicht zum Feind erklären! Okay, das macht der Kougioumtzidis ja auch nicht. Zumal: seiner buckeligen Verwandtschaft in Griechenland geht es ja …, lesen Sie selbst: „Meine Onkel arbeiten bei so einer Busgesellschaft wie Anton Graf, denen geht’s ganz gut.“ Na, siehste mal!

 

„Probleme haben aber vor allem Taxifahrer, Kleinstunternehmer, also die ganzen Geringverdiener“, sagt Chris. Vor allem, heißt wohl: es gibt auch Busfahrer, die jetzt eigentlich mal so langsam anfangen müssten zu rechnen. Vor allem, wenn sie Schulbusfahrer sind. Und ganz besonders, wenn sie auf Kreta rumgurken. Wie zum Beispiel Manolis, der bürgerlich Emmanouil L. heißt und dessen vollständiger Name der Redaktion der Ruhrbarone bekannt ist. Aber dieser Manolis, das ist auch so ein Grieche, bei dem es einfach keinen Zweck hat. Mal vernünftig die Flocken nachhalten? Fehlanzeige.

 

Obwohl sich das für ihn kein bisschen lohnt, fährt dieser Manolis „weiter seinen Schulbus und freut sich, dass die Kinder es zumindest auf der 20-minütigen Fahrt in seinem Bus schön warm haben. Denn Heizöl für die Beheizung der Schulen gibt es in diesem wohl kältesten kretischen Winter der letzten 20 Jahre auch keines mehr.“ Schön und gut, aber für das Wetter kann niemand etwas, und ein Busunternehmen ist nicht die Heilsarmee. Glauben Sie etwa, dass die Griechen irgendwann einmal anständig Zug reinkriegen in ihren Laden?

 

„Werden Sie oft auf das Thema angesprochen?“, hat Jonas Erlenkämper von der WAZ Herne unseren – an und für sich sympathischen – Herrn Kougioumtzidis gefragt, den von der Gyrosbude. „Ich höre ständig dumme Sprüche“, sagt er. Na, ist das denn ein Wunder?! „Der nächste Griechenland-Urlaub muss aber umsonst sein, ihr habt ja jetzt genug Geld von uns bekommen“, witzeln die Leute. Mein Gott, ja! Ein Scherz. Versteht so ein Grieche natürlich nicht. „Wenn man das zum 20. Mal hört, geht einem das schon auf die Nerven.“ Ach, sieh mal einer an!

 

Und jetzt, der Höhepunkt dieses Interviews. Hier, Achtung! „Ich denke mir dann: Bleib ruhig.“ Und? Merken sie etwas? Interessant, wie so auf einmal der Hass entsteht. Ausgerechnet auf uns! Auf uns, die wir doch nur helfen wollen. „Ich kenne viele andere Griechen in Herne, die leiden alle“, sagt Chris Kougioumtzidis. In Herne! Und zwar wegen oder unter uns! Das muss man sich bloß einmal vorstellen! Das ist also der Dank für bisher geleistete Hilfen. Aber als Geldgeber für Rettungspakete und Devisenbringer sind wir gut genug. Es reicht mir langsam. Wenn es nach mir ginge, würden die alle – aber achtkantig …

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