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Die Nominierung von Joachim Gauck als Bundespräsident – eine stilististische Nachlese

Deutsch: Joachim Gauck, Eröffnung des Geschich...

Joachim Gauck, Image via Wikipedia

Spannend war der parteipolitische Vorgang durchaus, einen neuen Bundespräsidenten auszugucken, doch alles andere als souverän. Die Gespräche und Verhandlungen endeten in einem Poker, der der Sache kaum gerecht wurde: der Nominierung einer Person für das parteilich ungebundene Amt. Aus der Regierungskoalition setzte sich schließlich der kleine Partner, die FDP durch, die sich von Beginn an für den Theologen und Bürgerrechtler Joachim Gauck eingesetzt hatte. Die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verhinderte durch ihr Einlenken eine sozialliberale Kooperation, die möglich gewesen wäre.

Die politische Elite des Landes präsentierte sich wie gewohnt: um sich selber kreisend, einander provozierend, taktische Finessen bzw. Winkelzüge ausspielend … und demonstrierte den Bürgern einmal erneut, worum es in der Politik zentral zu gehen scheint: um eine kleinliche Gefühlswelt, die sich an offenem Machtkampf, Hinterlist und diebischer Freude ergötzt. Ein Grund mehr, sich für die Beibehaltung des unabhängigen Amtes in unserer Demokratie einzusetzen.

Auf Details der Pokerrunde muss hier nicht eingegangen werden. Spiegel-Online berichtete über den Koalitionsstreit zwischen CDU und FDP, berücksicht aber auch die hämischen Spitzen, die von der SPD und von den Linken verteilt wurden. Es sind keineswegs die Emotionen als solche, die von außen peinlich wirken können, sondern der hässliche Familienstreit, unter Beteiligung der nahen und entfernteren Verwandten. Ein Familienfest, das zur bühnenreifen Satire wurde, wie auf einer Laienbühne!

Die Attacken und Sticheleien gelten zwar den Beteiligten, werden jedoch nur mit Rücksicht auf das Publikum ausgeführt: ‘Sehr her!’ heißt es. Eine Sache sucht man jedoch vergeblich. Im Grunde liegt kaum etwas vor, über das sich lohnen würde zu schreiben. Wenigstens ein Ergebnis: Joachim Gauck ist nominiert, unter Ausschluss und giftigem Protest der Linken. Sie haben es nicht vermocht, über ihren Schatten zu springen, was verständlich, ebenso bedauerlich sein kann.

Prognosen darüber abzugeben, wie sich Gauck als Bundespräsident verhalten wird, ist nahezu unmöglich. Er wird in das Amt hineinwachsen müssen, das mehr verlangt, als persönlich in der Öffentlicheit zu gesellschaftspolitischen Fragen Stellung zu beziehen. Durch das Amt ist er allen Bürgern verpflichtet. Ob und wie er diese Herausforderung meistert, darf als offen gelten. Den Parteien, die letzlich für ihn votiert haben, ist anzurechnen, dass sie diesen streitbaren und parteilich unabhängigen Mann auswählten. Sie erfüllten damit einen Wunsch vieler Bürger.

Für eine Direktwahl des Bundespräsidenten spricht dieser Ausgang jedoch nicht. Nominierungen wären weiterhin notwendig, ebenso die dazugehörenden Prozesse. Und offen bliebe, was es in unserem demokratischen System politisch bedeuten würde, neben den Parteien und der Kanzlerin – bzw. einem Kanzler – als Bundespräsident direkt gewählt zu sein, von der Mehrheit der Bürger. Man müsste grundsätzlich und umfassender darüber nachdenken, wie mehr direkte Demokratie zu integrieren wäre, nicht bloß in Bezug auf ein zu besetzendes Amt oder einzelne gesellschaftspolitische Sachprobleme.

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