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Das Klima so warm, die Sonne so kalt

Español: Clima de Ayacucho

Image via Wikipedia

Lothar Reinhard „sträuben sich die Nackenhaare“. So jedenfalls beschreibt er – heute in einem Beitrag für xtranews -seine Empfindungen bei der Lektüre des jüngst erschienenen Buches „Die kalte Sonne“.Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning erläutern darin ihre Thesen, „warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet“, so der Untertitel. Da kann sich Lothar so richtig aufregen, über diesen „Störenfritz“, wie er Vahrenholt – in Anlehnung an einen zehn Jahre alten Zeit-Artikel – nennt. Allen Mut mobilisiert fordert der Mülheimer Ratsherr Reinhard ganz entschlossen: „RWE muss sich vom Verschwörungstheoretiker Vahrenholt distanzieren!“ Und ich würde mich nicht wundern, wenn der RWE-Konzern in Kürze seinem Druck nachgäbe.

 

Mülheim-Ruhr ist meine Geburtsstadt; deshalb kenne ich Lothar Reinhard inzwischen seit fast vierzig Jahren. Wie die Zeit vergeht! Geschenkt. Was soll sie auch sonst machen? Ich war damals Juso und Lothar ein, wie er sich nannte, „undogmatischer“ oder, wie ich es ausdrückte, „heimatloser“ Linker. Ich bin umständehalber heute nur noch „So“, und Lothar ist Sprecher der Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI), die in Fraktionsstärke im Mülheimer Stadtrat vertreten sind. Auch sonst hat sich in all der Zeit gar Manches auf dieser Welt geändert, manch Anderes allerdings auch wiederum nicht. Damals wie heute vertreten Lothar und ich in aller Regel die gleichen politischen Auffassungen. In einigen wenigen Fragen jedoch auch mal nicht.

 

Ich zum Beispiel halte es für wenig aufklärerisch, Fritz Vahrenholt mit der Kennzeichnung als „Verschwörungstheoretiker“ aus der Debatte ausgrenzen zu wollen. Wie ich überhaupt die Konjunktur des Begriffs „Verschwörungstheorie“ für unglücklich halte. Na klar, es gibt Verschwörungstheorien, es gibt aber auch tatsächliche Verschwörungen, und es gibt alles Mögliche. Zumeist Interessen. Die Kunst der Politik besteht nun darin, die eigenen als die Interessen anderer Leute zu „verkaufen“. So entstehen dann die Theorien oder besser: Ideologien, als welche man bislang landläufig diejenigen Theorien zu bezeichnen pflegte, die der Sache der Gegenseite dienlich waren.

 

In letzter Zeit wird dem – durchaus auch schon denunziatorisch verwendeten – Begriff der Ideologien von der „Verschwörungstheorie“ der Rang abgelaufen. Dabei handelt es sich gewiss um eine Modeerscheinung, die allerdings zwei unangenehme Begleiterscheinungen in sich birgt. Unverkennbar ist erstens die semantische Verschärfung der Denunziation: eine Verschwörungstheorie ist (noch) verwerflicher als eine Ideologie. Zweitens, und dies ist der wichtigere Unterschied, können mit dem Kampfbegriff „Verschwörungstheorie“ nur Minderheitenpositionen belegt werden. Es gibt extremistische Ideologien, aber auch Herrschaftsideologien. Die Verschwörungstheorie dagegen kennzeichnet die auszugrenzenden Außenseiter.g

Lothar Reinhard zum Beispiel kritisiert in der Mülheimer Kommunalpolitik, wie ich finde zurecht, seit langem das weit verbreitete Cross-Border-Leasing (CBL). Häufig bezieht er sich dabei auf die Arbeiten Werner Rügemers, der diesen Themenkomplex in zahlreichen Veröffentlichungen umfassend analysiert hatte. Rügemer geht freilich nicht von der herrschenden Meinung aus, sondern von einer marxistischen Position, die sich in der heutigen Stimmungslage ohne weiteres als Verschwörungstheorie denunzieren ließe. Was Unsinn wäre: Rügemers theoretische Basis wie seine empirischen Befunde sind fundierte Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus.

 

Was die Sache so kompliziert macht, ist der Umstand, dass in Rügemers Analyse, die als Standardwerk zum Thema CBL zu betrachten ist, hier und da auch verschwörungstheoretische Elemente auszumachen sind. Insbesondere dann, wenn sich Rügemer auf die Suche nach den Schuldigen macht. Anstatt es dabei zu belassen, dass die US-amerikanische Steuergesetzgebung in Kombination mit den finanziellen Nöten deutscher Städte den Boden für den Wildwuchs fragwürdiger CBL-Praktiken bereitet hatten, spürt er die involvierten Fondsgesellschaften auf, um dann dort einen jüdischen Einfluss zu verorten.

 

Das Beispiel Werner Rügemer ist deshalb relativ ausführlich behandelt worden, weil gezeigt werden sollte, dass auch Arbeiten, deren verschwörungstheoretischer Gehalt nicht zu verleugnen ist, bedeutsame Erkenntnisse enthalten können, auf die eine seriöse Untersuchung des entsprechenden Gegenstands schlicht nicht verzichten kann. Ich denke, dass es sich bei Fritz Vahrenholts Buch über „Die kalte Sonne“ genau so verhält. Doch dem „Klima-Sarrazin“, wie Vahrenholt in eindeutig denunziatorischer Absicht auch genannt wird, verweigert man die ernsthafte Auseinandersetzung. Mein alter Freund Lothar hält es in seinem xtranews-Beitrag nicht einmal für nötig, ein einziges Gegenargument aufzubieten.

 

Es genügt der Hinweis, dass Vahrenholt Gehaltsempfänger der RWE ist, und dass die „Klimaskepsis“ einen der Hauptagitationspunkte der ultrarechten Tea-Party in den USA darstellt. Mehr braucht man ja wohl nicht zu sagen! Andere geben sich etwas mehr Mühe als Lothar Reinhard. Carel Mohn zum Beispiel hat in der FTD eine Replik auf „Die kalte Sonne“ geschrieben: „Krude Thesen gefährden Glaubwürdigkeit von RWE“. Toralf Staud hat in der Zeit den „Skeptiker im Faktencheck“ betrachtet. Verschwörungstheorie hin, Verschwörungstheorie her – mich überzeugen diese Einwände gegen Vahrenholt nicht. Es ist kein schönes Gefühl, an der Seite der „Tea Party“ zu stehen. Nur: selbst dieses Gefühl befreit nicht davon, die vorgetragenen Argumente unvoreingenommen zu betrachten.

 

Wer sich nicht die Mühe machen will, Vahrenholts Buch zu lesen, sei auf seinen zusammenfassenden Beitrag „Fürchtet euch nicht vor dem Klimawandel“ in der FTD verwiesen. Zum Schluss nur ein Beispiel, weil die Debatte hier nicht geführt werden kann, für den Stil der Auseinandersetzung. Toralf Stauds, des bislang gründlichste Kritikers, erster Einwand. Fritz Vahrenholt behauptet: „Seit 1998 erwärmt sich die Erde nicht mehr, der Klimawandel hat gestoppt.“ Staud hält dagegen: „Ein Fehlschluss. Hier werden kurzfristige Temperaturschwankungen mit langfristigen Klimatrends vermischt.“ Aha. Kam mir gar nicht so vor. Wieso das denn?

 

Antwort Staud, direkt weiter im Text: „Forscher verstehen unter `Klima´ nicht den 10- oder 14-jährigen Temperaturdurchschnitt des Wetters, sondern den 30-jährigen Mittelwert. So hat es die Klimaforschung definiert – was Vahrenholt schlicht ignoriert.“ Ach, so ist das. Gut, dass dies einmal geklärt wurde. Mit der Definitionsmacht der Klimaforscher. Also „ein Fehlschluss“, na schön. Und dennoch muss es gestattet sein, ohne als Verschwörungstheoretiker verunglimpft zu werden, die unwidersprochene Feststellung zu zitieren: „Seit 1998 erwärmt sich die Erde nicht mehr, der Klimawandel hat gestoppt.“ So ist das. Basta! Umweltverschmutzung ist trotzdem Scheiße. Nur: „Seit 1998 erwärmt sich die Erde nicht mehr.“ Ende.

 

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