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Perspectiven Basel / Essen 2012: Ein harmonisches Ganzes

12 Kunstabsolventen der Essener freien Akademie der bildenden Künste und der Kunst-Hochschule Basel präsentieren ihre Arbeiten im Forum für Kunst und Architektur. Trotz der unterschiedlichen Materialien und Stilrichtungen findet die Ausstellung zu einem harmonischem Ganzen.

Ein Schraubverschluss wird geöffnet, Löffel und Gabeln schieben verschiedene Materialien in das Loch. Die Hände, die den Verschluss drehen stecken in dünnen Handschuhen, ähnlich denen wie sie Ärzte im OP verwenden. Die hautfarbene Umgebung verstärkt diesen Eindruck noch. Doch die Fülle der Materialien und die Art wie diese hineingegeben werden verunsichern. Erwartet man nicht bei einer Öffnung des Körpers, dass etwas herauskommt anstatt dass man dauernd etwas hineinfüllt? Die Videoarbeiten von Dieter Wessinger spielen mit den Erwartungen und verwirren den Zuschauer, die Realität gerät aus den Fugen.

Bille Gsottschneider arbeitet auch mit der verwischten Realität, ihr Thema ist die Erinnerung: Fehlerhaftes Polaroidmaterial benutzt sie als Material, nur bedingt vorhersehbare Ergebnisse beim Prozess des Entwickelns entstehen am Ende. Individuell und einmalig sind diese Polaroids genauso wie Erinnerungen – und die Künstlerin lässt die Photos bewußt als Momentaufnahme stehen. Hier ist nichts eingescannt oder verändert worden. Dagegen sind die großformatigen Bilder von Holger Kurt Jäger der Beweis dafür, dass man Realität zerlegen und neu zusammensetzen kann. Schweinskopf auf Männerkörper. Ballonkopf in Mafiamanier. Beine als Ärgermacher. Die schrillbunten Gemälde zeigen einen Kosmos, in dem der Verstand nichts zu suchen hat und deren Botschaften der Betrachter letzten Endes selbst entschlüsseln muss. Ebenso wie die Bilder von Becker Schmitz. „Meine Motive wirken klassisch, bebildern eine aus der Kunstgeschichte und -theorie entrückte Geschichte, denn nichts ist wie es scheint“, sagt der Künstler zu seinen Bildern. Zwischen den Großformaten, meistens ohne Titel, haben sich kleine Studien reingeschmuggelt – die allerdings keine Vorskizzen zu den Großformaten sind. Und wer sich das Bild mit dem Pferdmotiv genauer anschaut wird sich fragen: Wieviele Beine hat dieses merkwürdige Mischwesen, dessen Pegasus-Flügel viel zu klein sind, denn nun eigentlich?

Maja Rieders Arbeiten arbeiten mit Schwarz und Weiß: Schwarze Linien laufen schraffiert über weiße Flächen. „Beim Zeichnen entsteht etwas, es findet eine Entwicklung statt. Am Ort der Zeichnung gibt es Raum für Entwicklung,“ so die Künstlerin. Das Entwickeln passiert während des Zeichnens selbst, am Ende muss aber dann doch ein Ergebnis stehen, aus dem vielleicht erneut der Anstoß für eine Entwicklung ist. Die drei nebeneinander gehängten Werke könnten dabei gut direkt auseinander entstanden sein. Zart und durchsichtig: Die Arbeiten von Ayako Kyodo. Die japanische Künstlerin bearbeitet Verpackungen, Kartons, Abfallpapiere – es könnten Landschaftsbilder sein, die hier zusammengestellt sind, Wasser vielleicht, Meer oder die Andeutung eines Berges.
Ein Museum in einen Museum – Ariana Koch hat einen Koffer aufgebaut, einen dazu passenden Museumsshop eingerichtet, einen eigenen Katalog, eine eigene Führung. Sie spiegelt dadurch den Kunstbetrieb. Auch hier sind verschiedene Objekte in einen Rahmen zusammengefasst, auf einem iPhone läuft eine Miniaturvorführung ab. Eine Kunst-Retrospektive mit 23 Jahren knüpft zudem an die schon geschriebenen Biographien von Popstars wie Justin Bieber an.

„FlyingHedron“ ist eine Videoarbeit von Philipp Madörin, in derem Kernpunkt ein schimmerndes, schwebendes Objekt befindet: Ein fliegender Oktaeder, der die Weite der Rundhofhalle der Messe Schweiz durchmisst, gesteuert vom Künstler selbst. Zerbrechlichkeit, Vergänglichkeit wird der Weite des Raumes gegenübergestellt. Eine zenartige Meditation über die Flüchtigkeit der Skulptur. Anna Scholer ist ebenfalls an der Flüchtigkeit interessiert. Das Ausgangsmaterial des Werkes „wenn ich weiss wo ich bleibe“ sind Eichenbodenplatten aus dem Haus ihrer Großeltern, das nicht mehr existiert. Die Abdrücke von diesen Platten aus Latex hängen mit Magneten befestigt schwebend im Raum, auf dem Boden liegt ein scheinbar abgepflückter, abgefallener Latex-Verbund. Oben und unten offen sind die Latex-Abdrücke wie Einkaufstüten. Doch ihre Durchlässigkeit bewahrt sie davor einfach nur Erinnerungsbehälter zu sein – immer noch sind sie fließend und offen für neue Eindrücke. Die weißen Figuren von Gabi Weinkauf scheinen gerade ausgeschritten zu sein um einen Weg zu gehen. Mönche oder Nonnen auf dem Weg. Doch wohin genau – ins Leere gar, da die Figuren im Moment der Bewegung erstarrt sind? Allerdings sind sie doch nur „Brave Mädchen“. Oder?

Es sind keine großformatigen Photographien, die Ulrike E.W. Scholder ausstellt. Plexiglasplatten werden für einige Tage nach dem Auspacken in Räumen aufbewahrt, anschließend werden sie in einem Fotogramm-Verfahren auf verschiedenen Eben belichtet. Zufällige Staubpartike bestimmen die Bilder mit, aus dem schwarzen Nichts treten sie als Materie hervor. Weltraum, erfahren und erlebt durch individuelle Handarbeit. Nichts und Nichts und Nichts ergibt Materie – dunkle Materie in diesem Fall. Die Arbeit von Aline Zeltner muss man schon etwas finden, sie verbirgt sich hinter einem Vorhand in einem Seitengang, dies hat aber Gründe: Denn zum bewegten Bild kommen hier sehr eigene, exotisch wirkende Klänge. Entschleunigung und Beschleunigung, das Spiel der Muskeln des Pferdes und die Reaktionen der Reiterin haben sich in einem „Instrument“ gefangen. Eine Brille mit Gitarrensaiten, die durch die Wimpernbewegungen der Künstlerin Töne erzeugten. Verstärkt werden diese Töne in den Raum zeitgleich zum Video abgespielt. Schnell und langsam, Fragilität und Stärke – beides tangieren den Zuschauer.

Die verschiedenen Kunstwerke könnten mit ihren Materialmix und ihren unterschiedlichen Einsichten in den aktuellen Stand der Kunst durchaus gegeneinander arbeiten. Doch die Ausstellung fasst die sehr eigenen Ansichten über die Kunst zusammen ohne dass etwas gedrängt erscheint. Jedes Werk hat seinen Raum, durch die Hängung ergeben sich ab und an interessante Kommentierungen. Noch bis zum 12. Februar kann man das Kaleidoskop der Künstler aus Essen und Basel im Forum Kunst und Architektur, Kopstadtplatz 12, erkunden.

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