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Entschuldigung Junge Union: „Politiker in der Evolution“

English: President of Germany Christian Wulff ...

Image via Wikipedia

Zwei Vorsitzende der Jungen Union (JU) aus dem ländlichen Westfalen ließen uns gestern auf xtranews wissen: „Auch Politiker sind Menschen“. Gemeint ist freilich Christian Wulff; ich zitiere seine jugendlichen Parteigänger: „Auch Politiker sind in der Evolution schließlich – und das ist auch gut so – noch keine Maschinen. Er hat die Contenance verloren und sie schon am nächsten Tag wiedergefunden, als er sich für den fraglichen Anruf entschuldigte. Und die Entschuldigung wurde angenommen.“

 

Lassen wir die Frage außer acht, wann der Zeitpunkt gekommen sein wird, an dem Politiker zu Maschinen mutieren werden („noch keine Maschinen“), obgleich es sich nicht verleugnen lässt, dass einige Exemplare dieser Gattung den Eindruck erwecken, von diesem Entwicklungsniveau nicht mehr allzu weit entfernt zu sein. Kommen wir gleich zu dem Punkt, an dem Wulff „die Contenance verloren und sie schon am nächsten Tag wiedergefunden“ hatte.

 

Da habe er sich, so die beiden Jung-Unionisten erstens „für den fraglichen Anruf entschuldigt“, die daraufhin zweitens „angenommen“ worden sei. Nun kann man erstens nicht sich selbst entschuldigen, sondern nur um Entschuldigung bitten, was Herr Wulff möglicherweise bei Herrn Diekmann gemacht hat, aber ganz gewiss nicht bei mir. Folglich mag Diekmann diese Entschuldigung „angenommen“ haben, ich jedoch habe ihm nicht verziehen.

 

Dass Herr Wulff gegenüber Herrn Diekmann „die Contenance verloren“ hatte, geht mich nichts an. Das geht nur die beiden etwas an, und wenn die beiden JU-Autoren anmerken, dass Wulffs Entschuldigung angenommen worden sei, schwingt vorwurfsvoll die Enttäuschung darüber mit, dass Diekmann gar nicht so recht anzumerken ist, dass er Wulff vergeben haben könnte. Wie gesagt: Persönliches, Privates.

 

Es ist aber weder eine persönliche Angelegenheit noch Privatsache, sondern ein Politikum ersten Ranges, wenn das Staatsoberhaupt versucht, kritische Berichterstattung zu unterdrücken. Es geht nicht um die Frage, ob die Bildzeitung ein Garant für Aufklärung, Wahrhaftigkeit und Anstand ist. Darum kann es gar nicht gehen, es sei denn, die Junge Union leite aus der bisherigen Praxis des Blattes ab, dass der Bildzeitung – gleichsam zur Strafe – nur eine Pressefreiheit zweiter Klasse zustünde.

 

Es geht nicht einmal um die Frage, wie lächerlich angesichts des gegebenen Kräfteverhältnisses Wulffs Versuch der redaktionellen Einflussnahme gewesen sein mag. Es geht einzig und allein darum, dass wir aus den bislang veröffentlichten Passagen seiner Mailbox-Ansage schlussfolgern können, dass Wulffs Ansinnen, den Bericht über seinen Hauskredit zu verhindern, verdammt ernst gemeint war. Und dass, wie bspw. Der Spiegel in seiner Printausgabe berichtet, Wulff diesbezüglich nicht nur ein Wiederholungs-, sondern ein Gewohnheitstäter ist.

 

Auf Seite 24 der aktuellen Ausgabe (Heft 2 / 2012) findet sich der Artikel „Dünnhäutig und nachtragend“. Darin berichtet eine Autorengruppe über eine ganze Reihe entsprechender Einschüchterungsversuche des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten, von denen verschiedene Regionalzeitungen betroffen waren. Dass er sich bei den namentlich genannten Chefredakteuren dieser Blätter dafür um Entschuldigung gebeten hätte, ist nicht bekannt.

 

Es würde auch nicht genügen – ebenso wenig, wie wenn er mich um Verzeihung bäte. Wir reden über Angriffe auf die Pressefreiheit, und wir dürfen nicht daran rütteln, dass jeder Angriff auf die Pressefreiheit ein Angriff auf die Freiheit schlechthin und somit ein Angriff auf alle Bürger ist. Der Hinweis darauf, dass sich Wulff entschuldigt und Diekmann angenommen habe, verrät ein Demokratieverständnis der JU-Funktionäre, das – vorsichtig formuliert – fragwürdig ist.

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