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Kreisparteitag der Duisburger CDU in euphorischem Zustand

Der Berliner Tagesspiegel berichtet in seiner Sonntagsausgabe, dass ihm Akten vorliegen, die belegen, dass der Essener Immobilienentwickler Kölbl Kruse „offenbar auch in Duisburg lukrative Geschäfte gemacht und vorher vertrauliche Informationen vom Oberbürgermeister persönlich bekommen“ hat. Dennoch, der Redaktionsleiter der Duisburger NRZIngo Blazejewski, weist zu Recht darauf hin: „Für den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Ein Anfangsverdacht ist noch lange kein Beweis.“ Zwar gebe es, schreibt der Tagesspiegel, „justizintern inzwischen Wertungen, die weit über den Anfangsverdacht gegen Sauerland hinausgehen“; doch auch diese müssen erst in öffentlicher Verhandlung lückenlos bewiesen sein, ehe man Herrn Sauerland wegen Vorteilsannahme verurteilen kann.

Duisburgs OB Sauerland betont seine „weiße Weste“, titeltWelt Online, setzt jedoch am gleichen Tag an anderer Stelledie Zwischenüberschrift: „Ermittler – Sauerland förderte die Beschuldigten“ und erzählt: „Die Ermittler gehen hingegen von einer großen Nähe zwischen Projektentwicklern und dem Stadtoberhaupt aus. Nach ihrer Ansicht sei Sauerland öffentlich als Förderer der Beschuldigten in Erscheinung getreten.“ Deshalb habe sich jetzt auch die „Bundestagsverwaltung, als Wächterin über die Parteienfinanzierung“ eingeschaltet, heißt es im Artikel. Sie „befasst sich inzwischen mit dem Vorgang“. Dem WDR lag bereits vor gut einem Jahr ein Brief vor, in dem die Firma Kölbl Kruse ausdrücklich auf Sauerland verweist, um den Verkäufer von ihrer deutlich besseren Offerte zu überzeugen. Der WDR-Beitrag kam zu dem Ergebnis: „Das, was wir hier vorliegen haben, ist leider so dicht, dass wir davon ausgehen müssen, dass es stimmt.“

Ich zitiere noch einmal aus der heutigen Ausgabe desTagesspiegel, nicht etwa, weil ich es erst daraus erfahren hätte, oder weil ich nicht selbst in der Lage wäre, diesen Vorgang in eigenen Worten zu schildern. Sondern weil es immerhin die Hauptstadtzeitung ist, die ihren gnadenlosenIndikativ höchstens einmal mit dem Verweis auf die Staatsanwaltschaft relativiert: „Sauerland informierte die Immobilienprofis aus Essen etwa über die Standortentscheidung zum Bau des Landesarchivs. Dank des exklusiven Tipps sicherten sich die Entwickler von Kölbl Kruse das Grundstück und konnten es hinterher mit Gewinn wieder an das Land zurückverkaufen. Allein dabei haben sie sich, so sind die Ermittler überzeugt, eine `schwarze Kasse` für Bestechungsgelder über vier Millionen Euro angelegt.“

Keine Frage: „Jetzt kommt es ganz dick für Duisburg-OB Sauerland“ (Welt Online). Der Redaktionsleiter der Duisburger WAZ, Oliver Schmeer, kommentiert den Korruptionsverdacht gegen Adolf Sauerland ganz zutreffend folgendermaßen: „Dabei handelt es sich zunächst um einen ganz normalen juristischen Vorgang; gleichwohl: Es hat eine ganz andere Qualität, wenn eine so in der Kritik stehende Person wie der OB als `Beschuldigter´ gilt. Das überlegt sich ein Staatsanwalt dreimal. Die Ermittlungen also als `Blödsinn´ abzutun, ist CDU-Pfeifen im Wald.“ Mit dem „Pfeifen im Walde“ beschreibt Schmeer das Verhalten der örtlichen CDU insofern recht gut, weil der Kreisparteitag am Freitagabend tatsächlich zunächst einmal an die Psychologie des hilflos Ausgelieferten erinnert, der seine Angst mit an sich unangemessenen Geräuschen zu übertünchen versucht. So etwas gibt es sehr wohl auch bei politischen Parteien.

Das siegesgewisse Poltern in Wahlkämpfen unter ungünstigen Voraussetzungen ist dabei letztlich genauso „rational“ wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Wer schon einmal wirklich, also nicht nur sprichwörtlich, allein durch einen stockdunklen Wald gelaufen ist, wird wissen, dass Pfeifen – ich hatte es vorgezogen zu singen – tatsächlich ein wenig lockerer macht. An und für sich beknackt; aber es hilft ungemein. Es soll nicht vollständig geleugnet werden, dass ein vergleichbarer sozialpsychologischer Mechanismus in die Motivlage der Duisburger CDU mit hineinspielt. Auch das ein oder andere mehr oder weniger rationale oder zumindest teilweise nachvollziehbare Motiv, das in den Gesprächen über das merkwürdige Verhalten der Christdemokraten am Ort angeführt wird, kann bei der ein oder anderen geschundenen konservativen Seele eine Rolle spielen.

Theo Steegmann, alter Recke im Rheinhauser Stahlarbeiterkampf und heute einer der Sprecher der Abwahlbürgerinitiative, kommt der Sache schon deutlich näher, wenn er Mahlbergs Worte vom „Einhaken und Helm enger schnallen“ kommentiert mit: „Das ist Wagenburgmentalität, die kann man nur noch mit Realitätsverlust erklären.“ Um es noch klarer zu sagen: die Art und Weise, wie sich die Duisburger CDU in dieser Sache öffentlich präsentiert, weist eine ganze Reihe von Merkmalen auf, wie sie üblicherweise nur in Sekten auffindbar sind. „Sekte“ ist, wie ich einräume, ein relativ unscharfer Begriff, ein Kampfbegriff. Sekte, steht bei Wikipedia, „ist eine ursprünglich wertneutrale Bezeichnung für eine philosophische, religiöse oder politische Gruppierung, die durch ihre Lehre oder ihren Ritus im Konflikt mit herrschenden Überzeugungen steht.“

Nun gut, auch ich befinde mich hin und wieder „im Konflikt mit herrschenden Überzeugungen“, befinde mich allerdings nicht in einer politischen Gruppierung, die darauf einen Ritus oder gar eine „Lehre“ aufbaut. Den Sauerland-Jüngern würde ich folglich nicht ihre politische Dissidenz vorhalten, sondern ihre fatale Kombination aus „Elitebewusstsein, Machtanspruch, Gruppendruck, Bewusstseinskontrolle, Verschwörungsdenken, Verfolgungswahn, Psychoterror gegen Abtrünnige und Kritiker“, wie Hans Peter Bartels im Bundestag am 28.1.2000 die Merkmale einer Sekte, wie wir sie verstehen, definiert hatte. „Psychoterror gegen Abtrünnige und Kritiker“ – in der CDU Duisburg? Nein, nein, das könnte ich nicht belegen. Aber die anderen genannten Merkmale scheinen allesamt zuzutreffen.

Andererseits: wenn sich innerhalb der Kreispartei eine kleine Gruppe das Engagement für mehr innerparteiliche Demokratie auf die Fahne geschrieben hat, was bei einem Vorsitzenden wie Mahlberg, der es erwiesenermaßen mit demokratischen Spielregeln nicht ganz so genau nimmt, nicht ganz unverständlich ist. Wenn also diese kleine Gruppe ihr Ansinnen auf besagtem Parteitag nicht wagt vorzutragen, weil jetzt zunächst einmal die „Solidarität mit Adolf Sauerland“ im Vordergrund stehen müsse, dann mag man Elemente von „Psychoterror gegen Abtrünnige und Kritiker“ nicht gänzlich ausschließen. Wenn wir hingegen annehmen, dass die Abweichler ihr Vorhaben, die Demokratie im Duisburger Kreisverband auf allgemeines CDU-Niveau zu hieven, aus freien Stücken zurückstellen, weil sie die „Solidarität mit Adolf Sauerland“ plötzlich als wichtiger erachten als das parteiübliche demokratische Prozedere, wäre das etwa der Beweis fürs Gegenteil?! Dafür, dass es sich bei der Duisburger CDU nicht um eine Sekte handelt?

Adolf Sauerland hatte es „zunächst die Sprache verschlagen, als die Fahnder am Mittwoch in dieser Woche im OB-Büro des Duisburger Rathauses erschienen …  Der verdutzte Sauerland verweigerte die Aussage. Hinterher ließ er erklären, er habe der Staatsanwaltschaft `volle Unterstützung´ zugesichert“ (AN Online). Sauerland wackelt. Der CDU-Kreisverband wackelt nicht. Er ist eisern und unbeirrbar. Dass sich Sauerland unter den jetzigen Umständen mehr für seinWohlergehen als für das seiner Partei interessiert, ist mehr als verständlich. Der Mann steht mit einem Bein im Knast. Dass der Kreisverband die Interessen der CDU und damit letztlich auch seine eigenen in solch grotesker Art und Weise ignoriert, wird nur begreiflich, wenn man auf den Prozess kollektiver Verbitterung zu sprechen kommt. Solche Prozesse gebären die Sekten.

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