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Kuhls Kolumne: Quo vadis Duisburg? Hintergründe des Kampfes ums Djäzz

Titel JUDAS-KULTURMAGAZIN Juni 2007

Titel JUDAS-KULTURMAGAZIN Juni 2007

Kürzlich hat die Stadtmitte eine der letzten Manifestationen der freien Szene der untergehenden Stadt im Rhein-Ruhr-Scharnier gesehen. Geschätzte fünfhundert Menschen, überwiegend Kulturschaffende, haben für den Erhalt des Clubs „Djäzz“ demonstriert, der gerade vom Ordnungsamt erwürgt wird.

Ohne hier auf Details des amtlichen Kulturmobbings einzugehen, möchte ich die konstituierenden Faktoren beleuchten: Oberbürgermeister Sauerland inklusive der ihm unterstehenden „Ordnungs“-behörde, Multi Development, Fosters „Masterplan Duisburg“, „gewachsene“ Kulturstrukturen, die SPD – und die freie Szene inklusive Djäzz.

Kultur – lieber nicht!

Nach Beschwerden über nächtliche Ruhestörung vor dem Club hatte das Ordnungsamt die Konzession auf ein Uhr nachts beschränkt und damit die Finanzierung einer der letzten Stätten freier Kultur zerschossen. Gemäß der althergebrachten (mit den anderen Parteien unstrittigen) Kulturblindheit, die kontrollneurotisch freie Kunst bei gleichzeitiger Hofierung von „Hoch“-Kultur demontiert: Während die freie Szene die Grundlast mit drei Prozent des Etats bei erheblichen Beschränkungen schultert bekommt die subventionierte, prestigeorientierte Kultur, die gerade mal 15 Prozent der Bevölkerung bedient, den Bärenanteil.

So hatte die Traditionspartei SPD schon vor langer Zeit das Eschhaus (das erste freie Kulturzentrum dieser Republik) „wegen nächtlicher Ruhestörung“ abgerissen. Unter Oberbefehlshaber Sauerland (CDU-Spektrum) gingen dann die Fabrik und das Fifty-fifty ein – demnächst wohl auch das Djäzz.

Dabei ist die sogenannte Hochkultur auch nicht balanciert. In Sachen Theater wäre das Schauspiel die Grundlage und Oper oder Tanz die Kür. Eigenes Duisburger Schauspiel findet nur im Nanoformat in der Säule statt (auch nur nach einem Erbe) während die meisten Ressourcen in die „Deutsche Oper am Rhein“ (wo Nibelungengemetzel und Hitlers Krächzen nachhallen) gehen. Das größte subventionierte Haus der freien Szene (Hundertmeister) erhält von der Stadt knapp halb soviel Geld wie man für Ballettschuhe in der Oper ausgibt.

Vertreibungen statt Kommunalpolitik

Sauerland verfolgt hier konsequent eine Dreifachstrategie: Beton statt Lebendigkeit, Aushändigung der Stadt an paramafiöse Strukturen, Saubermannimage qua Ordnungsamt. Eines seiner wesentlichen Politikmittel ist die Vertreibung; so wurde ein ganzes Quartier plattgemacht für das Forum seiner Mittäter Multidevelopment, Hauseigentümer ruiniert, Bewohner vertrieben und (mindestens) einer hat sich umgebracht; im Norden mussten zweihundert Häuser inklusive ihrer Bewohner weichen für einen „Park“, den Thyssen als Staubfänger für seine Umweltverpestung braucht – und nun wird das Djäzz vertrieben für den „Anschluss“ (nicht von Österreich an den anderen Adolf) seiner Filzbrüder und Foruminhaber an die Kaufhof-Galeria gemäß Masterplan. An das Nebenhaus, in welchem der Djäzz-Inhaber eine Pizzeria betreibt, grenzt die alte Stadtbibliothek, die demnächst „entkernt“ werden soll und umliegende Häuser sind teilweise schon aufgekauft.

Beton statt Leben

Der Monsterplan eines gewissen Foster sieht eine totale Gentrifizierung des Stadtkerns vor. Nachdem mit dem Forum der erste Tumor gesetzt und mit der Galeria der zweite angefangen ist, kommt jetzt die Einverleibung von Volkshochschule und Stadtbibliothek sowie die Zubetonierung des Rathausumfeldes. Sieht man sich die Klingelschilder an der Kö an – man kann auch mal im Dunkeln darauf achten, in welchen Wohnungen überhaupt noch Licht brennt – wird man feststellen, dass oberhalb der erdgeschossigen Geschäftsbetriebe Friedhofsatmosphäre herrscht. Zwar versucht die Kommune sowie einige Immobilienfuzzis jeden Frühsommer wieder, mit einem „Immobilientag“ Wiederansiedlungen in der Geisterstadt zu erreichen – letztlich bespiegeln sie nur die katastrophale Situation und verstärken so die Massenfluchtbewegung.

Putzknechte und Gierlappen

Unter unserem Adolf ist das Ordnungsamt zur Superbehörde geworden. Was Wissenschaftler als „Postfaschistischer Hygienewahn“ bezeichnen, manifestiert sich in Dreierstreifen, die Obdachlose wie Junkies mobben und im ständigen Patroullieren von Ordnungsamtsfahrzeugen, die Assoziationen von massiver Militärpräsenz in Diktaturen hervorrufen. Der Dreck, der damit verschleiert werden soll, ist die Tatsache, dass all die obengenannten Projekte von Sauerlands Kumpels von der Multidevelopment gebaut werden: Die City ist an einen Multi verschenkt worden.

Friedhofsruhe

Mitten in der Anschlußzone Börsenstraße ist ein kleiner Club (man kennt das aus Asterix), der unsubventionierte freie lebendige Kultur macht. Manchmal ist das sogar zu hören. Diesem pietätlosen Gequieke mitten auf dem Friedhof muss die Tötengräberbehörde natürlich mit aller Macht entgegentreten. Tags laufen die Geschäfte, nachts sind die Bordsteine hochgeklappt – im Kern der dreizehntgrößten Stadt Deutschlands.

I LOVE DJÄZZ!

Kultur ist ein harter Standortfaktor!

Ohne freie Szene keine freie Stadt!

Djäzz forever!

Judas” Thomas Kuhl

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