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Stuttgart 21: Kampf den Reaktionären! Für eine rückschrittliche Politik!

Jung, also über 40, links und gebildet

Die Protestbewegung gegen das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ – das unbekannte Wesen. Wer protestiert da eigentlich? Alle, na klar. Nur: „alle“ – das erklärt nichts. Und deswegen – welch ein Segen! – hat sich ein Berliner Professor mit ein paar Mitarbeitern auf den Weg ins Schwabenland gemacht, um der Anatomie des unbekannten Wesens ein wenig auf die Schliche zu kommen. 

Die Rede ist von Dieter Rucht, einem Sozialwissenschaftler vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), und in der WAZ ließ sich heute nachlesen, was bei der Feldforschung so herausgekommen ist. Dirk Hautkapp berichtete, online unter der Überschrift „Entschlossen zum Konflikt“, auf Zeitungspapier betitelt mit „Der Protest ist über 40 und links“. 

Womit wir in der Papierausgabe schon in der Überschrift die Antwort auf die forschungsleitende Frage gefunden hätten: „Gibt es den typischen Demonstranten rund um den Stuttgarter Bahnhof?“ Ja, jetzt wissen wir es endlich; denn es wurde ja „vor Ort überprüft, wie sich ,das Volk` der Protestbewegung von Stuttgart zusammensetzt.“ Okay, über 40 und links. 

Nun bin ich zwar schon über 50, andererseits: damit bin ich auch über 40. Aber links? „Das Gros sortiert sich politisch in der linken Mitte ein“ – ach ja, das könnte passen – „hat reichlich Demo-Erfahrung gesammelt“ – ja, das kann man wohl sagen! – „viel Vertrauen in die politischen Parteien und den Staat verloren und entsprechend Lust auf mehr direkte Demokratie“. Nun ja, hier wird es schwierig. 

Die Untersuchung ergab ferner: es handelt sich um einen „Protest der Gebildeten“. Das ist ja interessant. „Es ergibt sich ein erstaunliches Bild“. Da sagt er was, der Dirk Hautkapp! Aber langsam, ich will ihn keinesfalls irreführend zitieren. Es geht ja noch weiter. Nach dem erstaunlichen Bild folgt ein Doppelpunkt, und auf den folgt: 

„Es ist eben nicht zuvorderst der bedächtige Schwabe und jahrzehntelange CDU-Wähler, der hier anzutreffen ist.“ Daraus folgt, wenn ich Hautkapp richtig verstehe – oder meint das etwa auch der Prof. Rucht ? -, dass jahrzehntelange CDU-Wähler, zumindest wenn sie Schwaben sind, einerseits bedächtig, anderseits nicht ganz so gebildet sind. Tja, so sieht es aus … – na egal, schauen wir lieber einmal, was so in den Köpfen der ach so gebildeten Protestler vor sich geht: 

„Aus Sicht von Professor Rucht spiegelt sich hier eine Skepsis wider, die ,Fortschritt und Tradition` in Gegensatz bringt. Viele Bürger empfänden das Höher-Schneller­Weiter-Moderner-Mantra der herrschenden Infrastrukturpolitik in Deutschland als kaum mehr zumutbar. ,Sie fragen sich, was bringt es mir wirklich, wenn ich künftig 20 Minuten eher mit dem Zug in Ulm bin.` „

Genau! Was bringt das denn schon, wenn man sich genauso gut mal eben in den Daimler schwingen kann? Da spart („sparen“ – schwäbisches Zauberwort!) man doch die Anfahrt zum und die Abfahrt vom Bahnhof, und außerdem ist die ganze Reise bei Regen ohnehin viel bequemer im Auto. Patschenass an der frischen Luft, das hat man schließlich auf den Demos schon zur Genüge. 

Schneller – höher – weiter. Neumodischer Kram. Was für ein Quatsch! Ich möchte nur mal wissen, wer auf so eine beknackte Idee gekommen ist. Schneller – höher – weiter. Wahrscheinlich steckt Toyota dahinter, oder Google, oder irgend so ein anderer Grieche. Und von so einem Stuss lässt sich die herrschende Infrastrukturpolitik auch noch leiten! Schneller – höher – weiter … – … unfassbar! 

Langsamer – tiefer – nicht ganz so weit weg. Ja, das wäre doch was! Langsamer – prima Sache, Zeitpioniere und so. Tiefer – okay, so lange es kein Bahnhof ist. Und ganz so weit weg mag der Stuttgarter an sich ohnehin nicht so gern. Gebildet bis zum Abwinken kann er eigentlich Alles. Alles – außer hochdeutsch. Und genau an dieser Stelle spürt er ihn, diesen Gegensatz zwischen Fortschritt und Tradition. 

Es gilt, diesen Gegensatz zu überwinden. Die Protestbewegung gegen „Stuttgart 21“ ist ein guter Anfang. Sie steht für den Fortschritt, weil sie nicht mehr, wie die Alten vorgeschrieben hatten, die CDU wählen. Aber sie bewahren die Tradition, weil sie im Grunde denselben Scheiß labern wie die besagten Alten. Nur eben auf eine etwas fortschrittlichere Art und Weise. Für den Rückschritt „entschlossen zum Konflikt“. Rettet die Bäume! Vorwärts zur Langsamkeit! Kampf den Reaktionären! Für eine rückschrittliche Politik!

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