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Laizisten in der SPD? – Aber „selbstverständlich“!

SPD-Parteibücher

 

SPD-Parteibücher

Laizismus, so lesen wir bei Wikipedia, „beschreibt religionsverfassungsrechtliche Modelle, denen das Prinzip strenger Trennung von Religion und Staat zu Grunde liegt.“ Bereits am Samstag vorletzter Woche, also heute vor zehn Tagen, schickte die NRZ diese Meldung an die Agenturen:

15.10.2010 – Essen (ots) – Am Samstag kommen in Berlin SPD-Mitglieder zu einer Gründungsversammlung zusammen, um die „Laizisten in der SPD“ offiziell zu gründen. Sie wollen sich in Zukunft für eine strikte Trennung von Staat und Religion einsetzen und einen Arbeitskreis gründen.“ Das berichtet die in Essen erscheinende Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung(Samstagsausgabe). Die SPD hat in der letzten Zeit ihre kritische Distanz zur Kirche verloren“, begründet Nils Opitz-Leifheit, einer der Initiatoren der Laizisten-Gruppe, die Entscheidung.

„Angesichts von 23 Millionen Menschen, die in Deutschland ohne Konfession sind, ist der Staat zur Neutralität verpflichtet“, begründete der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Staatsminister Rolf Schwanitz die Gründung des Arbeitskreises. Die Forderungen der Laizisten seien kein Ausdruck von Kirchenfeindlichkeit, sondern von Pluralität, sagte Schwanitz angesichts der teilweise heftigen parteiinternen Kritik und der Aussicht, dass den Laizisten möglicherweise die Anerkennung als Arbeitsgruppe verwehrt werden würde.

Und siehe: so geschah es. Die Gruppe von etwa 50 Laizisten musste sich am letzten Dienstag der Parteispitze beugen und ihre Homepage mit dem Namen www.spd-laizisten.de abschalten. Eine vollständige Trennung von Staat und Kirche ist nämlich gar nicht im Sinne der SPD-Führung. „Die Parteispitze macht sich die Ziele einer Gruppe, die ausschließlich auf eine grundsätzliche Veränderung des Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaften hin zu einer strikten Trennung gerichtet sind, ausdrücklich nicht zu eigen“, erklärte eine Parteisprecherin der WAZ, weshalb die Gruppe das SPD-Logo auch nicht verwenden dürfe.

Allerdings, so lesen wir in der „Welt“, „können Sozialdemokraten Laizisten sein“, so dieselbe namenlose Parteisprecherin – „selbstverständlich“. Nur liege eben noch kein Antrag auf Gründung eines SPD-Arbeitskreises vor. „Sollte das der Fall sein, werden wir das im Parteivorstand beraten.“ Da wird man gespannt sein dürfen. Was berät und entscheidet wohl der SPD-Vorstand, wenn er es mit einer Selbstverständlichkeit zu tun hat, die er sich jedoch ausdrücklich nicht zu eigen macht?

Rolf Schwanitz (SPD) - Laizist

In der SPD gibt es neben den großen Arbeitsgemeinschaften auch „anerkannte“ Arbeitskreise, bspw. der AK „Christen in der SPD“ oder – seit drei Jahren – der AK „Juden in der SPD“. Im Vergleich dazu haben die Laizisten, die nach eigenen Angaben mehrere Hundert Mitglieder vertreten, eine relativ begrenzte Agenda. Dazu zählen die Abschaffung von Kruzifixen in Klassenzimmern und das Ende des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach. Die Gruppe wendet sich gegen Priesterausbildung an staatlichen Hochschulen und die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat.

Der AK „Laizisten in der SPD“ hat ein 10-Punkte Papier vorgelegt; der erste Punkt lautet bspw.: „1. Gesetze und öffentlicher Raum müssen neutral bleiben: Verfassungen, Gesetze und öffentliche Bauten gehören allen Bürgern. Zur Wahrung der weltanschaulichen Neutralität gehören religiöse Symbole nicht in Gerichte, Parlamente, Rathäuser, staatliche Krankenhäuser, Kindertagesstätten und Schulen sowie Behörden.“

Und so geschah es, dass auch Angelika Wölk, die für „Kirche und Theologie“ verantwortliche WAZ-Redakteurin, ihrem Kommentar die Überschrift „Keine Panik“ geben konnte. Die Gründung eines Arbeitskreises der „Laizisten in der SPD“ sei – man kann es kaum glauben – „kein Hinweis auf den Untergang des christlichen Abendlandes. Genau genommen …“, meint Frau Wölk, „ist es nicht einmal eine Überraschung. Schließlich war die SPD bis in die 50er-Jahre äußerst kirchen-kritisch.“

Na ja, sagen wir mal „auch etwas kirchenkritisch“. Denn ich finde, „äußerst“ hört sich an wie „extrem“, und das sollte man über meine Partei wirklich nicht sagen. Als es um die Gleichstellung unehelicher Kinder ging, um nur ein Beispiel zu nennen, hatte die SPD nicht den Mumm gehabt, sich gegen den Klerus zu wenden – aus Angst, von der CDU als „ungläubige Gesellen“ denunziert zu werden. Schließlich musste erst das Bundesverfassungsgericht für das Ende der (auch) rechtlichen Diskriminierung unehelicher Kinder und vor allem ihrer Mütter sorgen.

Weitere Beispiele gefällig? Vielleicht wie sich die mehrheitlich kirchlich gebundenen, also gottgläubigen Sozialdemokraten (so etwa begründet Thierse seinen Kampf gegen die Laizisten) bei der Streichung des § 175 aus dem Strafgesetzbuch herumgeeiert haben? Oder, weil es noch nicht so lange zurückliegt: erinnern Sie ein klares Wort eines führenden Sozialdemokraten zum Missbrauchskandal innerhalb der katholischen Kirche? Ich jedenfalls nicht.

Ingrid Matthaeus-Maier (SPD) - Laizistin

In Ordnung: wer als Teil der SPD sprechen möchte, also auch in ihrem Namen, und dabei ihr Logo verwenden möchte, kann dies nur mit Genehmigung des Vorstands tun. Dies ist selbstverständlich – so selbstverständlich wie die Laizisten in der SPD und ihre Möglichkeit, sich innerhalb der Partei ganz offiziell organisieren zu dürfen. Dass Letzteres für den Parteivorstand noch nicht so ganz selbstverständlich ist, weckt unangenehme Erinnerungen an das angeführte opportunistische Wackeln der Partei gegenüber klerikal-reaktionärer Fortschritts- und Aufklärungsfeindlichkeit.

Die Parteizeitung „Vorwärts“ diskutiert gegenwärtig, wie die SPD wieder sexy wird. Stefan Laurin hat bei den „Ruhrbaronen“ alles Nötige dazu gesagt: „Es geht nicht um Sex, es geht nicht um den idealistischen Rausch. Es geht um Vertrauen – und sei es um das Vertrauen, mit der SPD das kleinere Übel zu wählen.“ Ich finde auch: die SPD muss nicht sexy sein. Aber die teilweise äußerst hysterischen Reaktionen auf die laizistischen Genossen sind nun dermaßen unerotisch, dass sich der „Vorwärts“ unter diesen Umständen eine solche Diskussion fast sparen könnte.

Ich selbst bin, wenn es interessieren sollte, nicht nur Sozialdemokrat, sondern auch Christ. Nicht besonders fromm, aber gläubig, und hin und wieder gehe ich sogar in die Kirche. Und selbstverständlich – um auch von meiner Seite aus dieses wuchtige Adverb in Anspruch zu nehmen – könnte ich als gläubiger Christ gleichzeitig auch Laizist sein. Oder sind etwa alle Menschen, die für die vollständige Trennung von Staat und Religion eintreten, „Ungläubige“?!

Ich halte die Trennung von Staat und Kirche für eine notwendige Voraussetzung modernen, zivilisatorischen, multiethnischen Zusammenlebens. Ein Laizist bin ich wohl eher nicht. Aber ich möchte auf diese Genossinnen und Genossen nicht verzichten. Und ich bestehe darauf, dass sie – auch in der Partei – die gleichen Rechte haben wie Christen, Juden und Muslime. Sonst steige ich in den Ring. Wir können nämlich nicht um die politisch-gesellschaftliche Hegemonie kämpfen, wenn wir aus Angst vor den Konservativen unsere Prinzipien aufgeben!

Und außerdem freue ich mich schon darauf, mich mit den Laizisten, Atheisten und Agnostikern auch innerparteilich fetzen zu dürfen.

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