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Nach der Jahrestagung von IWF und Weltbank: der Wechselkursstreit – schlimm?

 

Joseph Stiglitz - Foto: Wikipedia / Gustavo Benitez

Es wird ernst. In der Fachpresse seit Wochen erörtert hat es das Thema gestern an die erste Stelle der Tagesschau gebracht. „Der Streit um die Wechselkurse“, wie es dort hieß, oder auch, wie es andernorts martialisch heißt: der „Währungskrieg“. Anlass war die Jahrestagung von IWF und Weltbank, die, so die Financial Times Deutschland“ (FTD) heute in der großen Titelschlagzeile, „keine Feuerpause im Währungskrieg“ zustande gebracht hatte. Worum geht´s?

In meinen – bereits im August verfassten, hier im September erschienenen – fünfteiligen „Betrachtungen zum Ende des Kapitalismus“ hatte ich schließlich (Teil 5) nur noch zwei Varianten der weltwirtschaftlichen Entwicklung für möglich gehalten: entweder kommt die Ökonomie nicht wieder in die Gänge, was einen weiteren Absturz nach sich zöge , einen sog. „Double Dip“ (Teil 2).

Oder sie kommt wieder in Schwung – jedoch nur deshalb, weil sie allerorten mit „billigem Geld“, also extrem niedrigen Zinsen, gleichsam künstlich aufgepumpt wird. Mit der Folge, dass „eine ganz große Blase entsteht“ (Teil 3) – mit verheerenden Folgen, „wenn die große Blase platzt“ (Teil 4). Meine Sorge begründete ich insbesondere mit den niedrigen Zinsen der vermeintlich sicheren Staatsanleihen, nämlich der vermeintlich sicheren Staaten.

Ein wenig kurios mag es erscheinen, dass ausgerechnet hier – also ausgehend von einem eher linken ökonomischen, nämlich die herrschende monetaristische Doktrin kritisierenden Standpunkt – das niedrige Zinsniveau als Anlass für eine Katastrophenwarnung herhalten musste. Für diese Verwunderung habe ich durchaus Verständnis; auch ich selbst hätte mir bis vor einigen Monaten im Traum nicht vorstellen können, niedrige Zinsen auch nur ansatzweise für bedenklich zu halten.

Doch erinnern wir uns kurz an eine Lehrbuchweisheit! Hohe Staatsschulden, und diese liegen unbestreitbar in fast allen großen Volkswirtschaften der Welt vor, treiben die Zinsen in die Höhe. Logisch: je höher Ihre Schulden sind, desto mehr wird Ihre Bank draufschlagen. Spätestens, wenn Sie beim Kredithai gelandet sind, werden Sie feststellen, dass so manche Lehrbuchweisheit tatsächlich bittere Realität ist. Fragen Sie mal die Griechen! Oder jetzt auch die Iren.

Kurioserweise geschieht in den großen Volkswirtschaften, die angeblich so sicher sind, seit einiger Zeit und fortwährend das genaue Gegenteil. Die Notenbanken drucken überall auf der Welt Geld wie die Jecken; also sinkt der „Preis des Geldes“, nämlich der Zins.

Denn wenn in der Marktwirtschaft – und die Weltwirtschaft ist eine Marktwirtschaft – von irgendeiner Sache zu viel da ist – und Geld ist, wenn vielleicht auch nicht bei Ihnen, so doch allgemein nun wirklich in großem Überschuss vorhanden -, dann muss der Preis dieser Sache eigentlich sinken. Nochmal: der Preis des Geldes ist der Zins, und der sinkt und sinkt und sinkt …

Jetzt hat auch, wie die FTD berichtet, der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz vor einem „Chaos durch die Liquiditätsflut“ gewarnt: „Bislang tat sich der Träger des Nobelpreises für Wirtschaft als Befürworter eines laxen Zentralbankkurses hervor. Doch die Summen, die derzeit auf den Markt gespült werden, gehen selbst der geldpolitischen Taube Joseph Stiglitz zu weit.“

Stiglitz hat der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed vorgeworfen, die Welt mit ihrer extrem lockeren Geldpolitik ins Chaos zu stürzen. Eine „Liquiditätsflut“ von EZB und Fed destabilisiere die globalen Devisenmärkte, sagte Stiglitz am Dienstag am Rande einer Konferenz an der Columbia-Universität in New York.

Dabei ist dieser Vorwurf gegen die EZB eigentlich unberechtigt. Er ist nur insofern und insoweit nachvollziehbar, wann man weiß, dass die EZB im Grunde schon ein erneutes Anziehen der Zinsschraube in Erwägung gezogen hatte, angesichts der stockenden Konjunktur in den meisten europäischen Ländern (außer Deutschland) davon Abstand genommen hat. Vor allem aber, weil weltweit die katastrophale Abwertungsspirale an Fahrt gewonnen hat.

Ebenfalls bereits am letzten Dienstag schrieb die FTD: „Die europäischen Unternehmen drohen zu den Verlierern des aktuellen Währungskonflikts zu werden, sollte sich die Aufwertung des Euro fortsetzen. Genau danach sieht es aus. Der Grund: Im Unterschied zur EZB verstärken die US-Notenbank Fed und die Bank von Japan ihre extrem lockere Geldpolitik noch und geben keinerlei Hinweise auf einen ,Exit´. Rund um die Welt tun Notenbanken alles, um ihre Währungen zu schwächen – nicht jedoch die EZB. Volkswirte warnen bereits vor schädlichen Folgen für das Wachstum in der Euro-Zone.“

„Die einen tun’s heimlich, die anderen mit viel Getöse“, kommentierte FTD-Chefökonom Thomas Fricke am Freitag: „Fast überall auf der Welt sind Regierungen eifrig dabei, ihre Währungen zu manipulieren, ob verbal oder mit Geld – damit hohe Wechselkurse die Exporte nicht zu teuer werden lassen. Das Ganze scheint etwas von mieser Machenschaft zu haben. Ob bei Chinesen, Japanern, Amerikanern oder Brasilianern.“

Es stimmt ja: die Chinesen „haben angefangen“, wie wir die Schuldzuweisung gegenwärtig in den meisten Medien in der ergreifenden Kinderlogik des Sandkastens zu hören bekommen. Nur: würden die Chinesen schlagartig aufhören, ihre Währung an den US-Dollar anzubinden, sprich: künstlich niedrig zu halten, indem sie z.B. ständig US-Staatsanleihen kaufen, bräche der Himmel nicht nur über China zusammen.

Fricke meint, „dass die vermeintlich Bösen gute Gründe haben, selbst die Chinesen“ und plädiert für ein international abgestimmtes, neues Wechselkursregime, wie gesagt: der Chefökonom der „Financial Times Deutschland“, das weder den Devisenspekulanten noch den Devisenspekulationen einzelner Länder „allzu viel Macht lässt“. Er zieht das Fazit: „Das neue globale Währungsgezerre drängt einen Schluss auf: Das Auf und Ab von Wechselkursen sollte man weder einzelnen Regierungen noch dem Markt überlassen.“

Einverstanden. Doch bevor es so weit ist – und es ist noch lange nicht so weit, denn der Währungskrieg geht erst jetzt so richtig los – wäre schon viel damit gewonnen, wenn sich die beiden Hauptstreithähne, also China und die USA, auf einen halbwegs vernünftigen Kompromiss einigen, der für beide Seiten „schmerzhaft“ genug wäre. Arbeitsplatzverluste, innenpolitischer Aufruhr, Legitimationsverlust der Regierungen. Die Alternative, die Entfesselung des „totalen“ Währungskrieges mit darauf unvermeidlich folgendem Wirtschaftkrieg wäre noch furchtbarer.

Die Europäer spielen hier keine große Rolle, sie sind nicht einmal als Vermittler geeignet. Wer, dominiert von den Deutschen, der Logik der schwäbischen Hausfrau anhängt, spielt nun einmal als Akteur beim IWF und bei der Weltbank keine Rolle. Sie werden sehen müssen, was übrig bleibt. Außerdem haben sie mit der Rettung des Euro genug zu tun.

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