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Früherer Bundesbankpräsident Tietmeyer: Ostdeutschland 1989 aus Ruinen auferstanden

Bundesarchiv B 145 Bild-F088851-0004, Bonn, BM...

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Leipzig (ots) – Der frühere Bundesbankpräsident und Sonderberater von Kanzler Helmut Kohl, Hans Tietmeyer, hat die Deutsche Einheit als großen historischen Erfolg gewürdigt. "Natürlich sind im Vereinigungsprozess auch Fehler gemacht worden, und das auch auf unserer Seite. Richtig ist auch, dass Ostdeutschland zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung noch nicht vollständig das wirtschaftliche Niveau der alten Bundesrepublik erreicht hat. Dennoch: Ostdeutschland ist seit 1989 im wahrsten Sinne des Wortes auferstanden aus Ruinen", schrieb Tietmeyer in einem Gastbeitrag für die "Leipziger Volkszeitung" (Sonnabend-Ausgabe). Nicht befriedigen könne allerdings bis heute die Beschäftigungssituation in den neuen Ländern. "Einen Teil der Arbeitsmarktproblematik, die in den neuen Bundesländern entstehen würde, haben wir in den Verhandlungen zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion bereits kommen gesehen. Es war klar, dass eine 1:1-Umstellung der Löhne in der damaligen DDR die ohnehin großen Probleme der damals international weitgehend nicht wettbewerbsfähigen DDR-Wirtschaft enorm vergrößern würde." Die Löhne in der DDR bewegten sich, was die Mark-Beträge anging, damals im Schnitt bei etwa einem Drittel des Westniveaus. Mit Blick auf die absehbaren wirtschaftlichen Verwerfungen hätten Ökonomen seinerzeit gefordert, die Löhne höchstens 2:1 in D-Mark umzustellen. "2:1 hätte jedoch dazu geführt, dass ostdeutsche Arbeitnehmer plötzlich mit einem Sechstel der westdeutschen Durchschnittsbezüge dagestanden hätten. Voraussichtlich wäre die Massenflucht aus der DDR dann weiter eskaliert. Deshalb kam dies für die Politik letztlich nicht in Frage", so Tietmeyer.

Leider sei 1990 eine schonungslose öffentliche Bestandsaufnahme über den wirklichen Zustand der DDR und ihrer Wirtschaft ausgeblieben. "Dazu hatte ich dem neuen DDR-Regierungschef Lothar de Maizière nach der Märzwahl 1990 auch persönlich geraten. Mein Argument dafür: Nur schonungslose Offenheit könne verhindern, dass die junge demokratische Regierung für die zu erwartenden Probleme beim Umstellungsprozess der DDR-Wirtschaft verantwortlich gemacht würde. Leider ist Lothar de Maizière diesem Rat aus Rücksicht auf die Sensibilität in der Bevölkerung damals nicht gefolgt." Noch heute täuschten sich leider viele in Ost und West über den wirklichen Zustand der DDR und ihrer Wirtschaft in den letzten Tagen der deutschen Teilung. "Das verstellt ihnen leider oft auch den Blick auf eine angemessene Würdigung dessen, was erreicht worden ist." Ermutigend für die Zukunft sei vor allem der Blick auf die ostdeutsche Bildungslandschaft. "Der Anteil der Menschen, die heute die Hochschul- oder Fachhochschulreife beziehungsweise einen Hochschulabschluss haben, ist in zwei Jahrzehnten um 75 Prozent gestiegen. Junge Menschen haben demnach in Ostdeutschland heute vielfach bessere Bildungschancen als vor dem Ende der DDR." Starke Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Ostdeutschland zum Beispiel in den Regionen Jena und auch Potsdam seien für Investoren attraktive Standortmerkmale. "Was hier noch fehlt, sind Forschungs- & Entwicklungskapazitäten in privaten Unternehmen. Dem Osten fehlen leider immer noch eigene Firmenzentralen – er ist vielfach noch verlängerte Werkbank des Westens. Hier rächen sich 40 Jahre, in denen private unternehmerische Initiative aus ideologischen Gründen ausgeschaltet wurde."

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