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Duisburg: Wenn zwölf Leute vor der Kneipe stehen – Ein Gastkommentar

Ein Gastkommentar von Dirk Weil, Duisburg

Heute morgen wäre wieder über vieles zu schreiben, z.B. darüber, warum auf einmal unklar ist, ob es für den Deckel auf der A40 überhaupt eine Finanzierung gibt, oder auch darüber was Innenminister Thomas de Maiziere über den Schutz der Privatsphäre im Internet sagt. Aber das wollen wir uns aufsparen, im Moment ist etwas ganz anderes viel wichtiger.

Vor einigen Wochen hatte der Spiegel eine Titelgeschichte über die gesellschaftlichen Proteste in Deutschland veröffentlicht, z.B. Atomkraft, Stuttgart21 und was sich da noch alles tut. Heute schreibt die WAZ einen ähnlichen Artikel in ihrer Papierausgabe. Es scheint, als erwache nach 20 Jahren des stillen Schweigens und Ertragens wieder so etwas wie Bürgerbewußtsein in Deutschland. Und dieses Bürgerbewußtsein hat nun auch Duisburg erreicht.

Bekanntermaßen hat Herr Sauerland am Samstag Abend die Eröffnung des Kinderfestes im Innenhafen abgesagt, weil er mit dem Motorroller gestürzt und sich das Schlüsselbein gebrochen hatte. Trotzdem war er fit genug, Herrn Bundesminister Röttgen auf einer Parteiveranstaltung zu begrüßen. Das beim Kinderfest Proteste zu erwarten waren, konnte er wissen, das es auch vor dem Eingang zur Kneipe, in der die Parteiveranstaltung stattfinden sollte, Protest geben würde, hat ihn wohl überrascht.

Weil nun diese ca. 12 Leute vor der Kneipe standen, stand die Krankengeschichte Herrn Sauerlands plötzlich auf tönernen Füßen. Also sagte er Montag nachmittags weitere Termine für diese Woche ab, um die Erheblichkeit seiner Erkrankung zu untermauern.

Wenn zwölf Leute vor der Kneipe stehen und das genügt, um den Terminkalender des Oberbürgermeisters durcheinander zu wirbeln, dann sage niemand, Protest nutze nichts! Der Stadtrat mag den Oberbürgermeister im Amt bestätigt haben, die Bevölkerung hat es nicht.

Wenn so einer kleiner Protest schon genügt, den Amtsinhaber zur Reaktion zu veranlassen, dann hat Protest sehr wohl Aussicht auf Erfolg. Wenn die Menschen sich bewegen, bewegen sie auch etwas.

Herr Sauerland meint, er könne Oberbürgermeister bleiben, obwohl er sich der Verantwortung seines Amtes entzieht, und seine Unterstützer wollen uns glauben machen, dass das Demokratie wäre. Unterstützung erhält er von denen, die ebenfalls an ihren Sesseln kleben.

So zum Beispiel ein Duisburger Ratsherr der CDU. Den Namen möchte ich an dieser Stelle verschweigen, doch ein e-mail-Wechsel mit einem Duisburger Bürger liegt mir vor. Darin schreibt der Ratsherr:

“Ich muss leider feststellen, dass Teile unserer Presse von Anfang eine “Meinung” gebildet und ihre Berichterstattung und Kampagnen dieser Meinung angepasst hat. Sie versuchen durch die Art und Weise der Berichterstattung (eher Kommetieren als Berichten!!!) eine Miese Stimmung zu erzeugen. Diese Miese Stimmung schadet nur unserer Stadt. Ich stelle weiter fest, dass aber die grosse “stille Mehrheit” nicht so denkt wie die Teile der Duisburger Presse und teile der Duisburger Politik. Das wird durch eine Meinungsumfrage im Internetportal “derwesten” bestätigt. In der Umfrage, an der bis Mitte letzter Woche über 45.000 Menschen teilgenommen haben, vertreten ca. 65 % die Meinung, der OB möge nicht zurück treten. …
Da ich mir auch sicher bin, dass in einem möglichen Abwahlverfahren die grosse Mehrheit der Duisburger Bürger dem OB weiterhin ihr Vertrauen schenken würden (siehe die Umfrage im “derwesten”), ist die Einleitung eines Abwahlverfahrens nicht erforerlich und würde auch unserer Stadt enorm schaden. Deshalb werde ich an der heutigen Sitzung meinem Gewissen folgen und gegen die Einleitung eines Abwahlverfahrens stimmen.”

Der Ratsherr geht davon aus, dass die Übernahme von Verantwortung eine Frage von Meinung sei, die so oder auch anders aussehen kann. Dem ist aber nicht so. Man erhält die Verantwortung für ein Amt in dem Moment, in dem man das Amt übernimmt. Das einzufordern hat nichts mir mieser Stimmung zu tun, sondern gehört zu den Grundwerten unserer Demokratie.

Des weiteren beruft sich der Ratsherr auf eine Umfrage auf der Internetseite von derwesten.de. Offensichtlich hat er noch nie etwas von den Manipulationsmöglichkeiten solcher Abstimmungen gehört. (Jeder kann das ausprobieren, man kann so oft klicken wie man möchte). Das kann noch schlichte Unkenntnis sein, schlimm genug, aber viel schlimmer ist sein Berufen auf diese Internet-Abstimmung überhaupt. Was für ein Verständnis von repräsentativer Demokratie spricht aus dieser Äußerung? Werden Wahlen in Zukunft ersetzt durch ominöse, nicht kontrollierbare Abstimmungen im Internet?

Dieser Ratsherr urteilt leichtfertig und machtorientiert, aus seinen Worten spricht die Arroganz der Macht. Seine vorgeblich kühle und rationale Gewissens-Entscheidung beruht einzig und allein auf institutioneller Macht.

Mit diesem Verhalten erwürgen der Oberbürgermeister und seine Unterstützer die demokratische Kultur, nicht nur in Duisburg.

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