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ZdJ-Generalsekretär empört über Sarrazin-Abgang: Es reicht, Kramer!

„Rassismus beginnt nicht erst, wenn Blut fließt oder Sachschäden zu beklagen sind, sondern mit Vorurteilen und kollektiven Diffamierungen.“ Wohl wahr! Stephan J. Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat dies gestern erklärt, gegenüber der Nachrichtenagentur dapd, und zwar – Sie haben es sich wohl schon gedacht – im Zusammenhang mit Thilo Sarrazin. Das Dumme an der Sache ist, dass Kramer noch weit mehr erklärt hat. Worum geht´s?

Kramer hatte sich über die Verständigung zwischen der Bundesbank und Herrn Sarrazin echauffiert und diese als einen „faulen Kompromiss“ bezeichnet. Das mag er so empfinden. Offenbar ist auf Initiative des Bundespräsidenten diese Trennung „in gegenseitigem Einvernehmen“ zustande gekommen – ein Deal, der Herrn Sarrazin „eine Handvoll Dollar mehr“, die Rede ist von 1000 Euro mehr Pension pro Monat, bescheren soll, im Gegenzug den Bundespräsidenten aus einer ziemlich komplizierten Situation befreit.
Herrn Kramer sollte bekannt sein, dass der Bundespräsident frühzeitig und eindeutig im „Fall Sarrazin“ Position bezogen hatte, indem er nämlich öffentlich und recht unverhohlen dem Bundesbankvorstand den Rausschmiss Sarrazins nahegelegt hatte. Wulffs Stellungnahme, an und für sich zu begrüßen, hat ihn jedoch insofern in eine vertrackte Situation gebracht, da der Bundespräsident, und nur der Bundespräsident, derjenige ist (jetzt: wäre), der über die Rechtmäßigkeit der Entlassung Sarrazins zu befinden hat (jetzt: hätte).
In einem Rechtsstaat steht niemand über dem Gesetz, auch das Staatsoberhaupt nicht. Wulffs Entscheidung wäre dem Verdacht der Befangenheit ausgesetzt gewesen; sie wäre anfechtbar gewesen. Stephan J. Kramer muss dies alles bekannt gewesen sein. Und selbstverständlich steht es dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland frei, das unter diesen Umständen zustande gekommene „gegenseitige Einvernehmen“ als einen „faulen Kompromiss“ zu bezeichnen. Doch Kramer hat noch weit mehr erklärt.

Die Politik habe versagt, erklärt Kramer darüber hinaus, weil die „Verantwortlichen die Tragweite dieses Falls offensichtlich nicht erkannt“ hätten oder nicht hätten erkennen wollen. Dennoch oder deshalb handele es sich um eine „politische Bankrotterklärung“. Bei der Vereinbarung zwischen der Bundesbank und Sarrazin – nur damit wir das klar haben! Denn damit wurde „die Chance, mit einem Rauswurf Sarrazins eine klare Linie zu ziehen, dass solcher Rassismus in unserer Gesellschaft nicht tolerierbar ist, verpasst.“
Mit dieser Einschätzung des „faulen Kompromisses“ strapaziert Kramer schon einigermaßen das logische Denken, blendet er doch die Alternative zum „gegenseitigen Einvernehmen“ völlig aus. Ganz abgesehen davon, dass er unterstellt, nun entstünde der Eindruck, Sarrazin sei im Grunde „freiwillig“ in Rente gegangen. Tatsache ist, dass „Volksheld“ Sarrazin jetzt als käuflicher Raffke dasteht, während er bei einer Anfechtung seiner Kündigung wahrscheinlich finanziell, ganz sicher aber in Sachen Glaubwürdigkeit wesentlich besser abgeschnitten hätte.
Mag sein, dass Stephan J. Kramer all diese Aspekte nicht übersehen hatte, als er sich zur gestrigen Erklärung hat hinreißen lassen. Das hätte er aber! Oder er hätte auf diese Erklärung verzichten sollen. Man bleibt einfach etwas ratlos zurück, wenn Kramer das Ausscheiden Sarrazins aus dem Vorstand der Bundesbank nicht nur als einen „faulen Kompromiss“ bezeichnet, sondern darüber hinaus auch noch als „eine Schande für das ganze Land“.

„Eine Schande für das ganze Land“ – wohlbemerkt: nicht etwa dieser Eugeniker im Behördenvorstand, sondern die Art und Weise seines Ausscheidens. Findet der Generalsekretär der Juden in Deutschland. Er findet kein Wort zu dem Umstand, dass sich die Spitzen dieses Staates bzw. „der politischen Klasse“ – nicht nur der Bundespräsident – unverzüglich und unmissverständlich zum „Fall Sarrazin“ geäußert hatten.
Nichts, was Kramers unsägliche Einlassung in irgendeiner Art und Weise relativieren könnte. Nur, wie bereits zitiert, dass die Verantwortlichen die Tragweite nicht überblicken konnten oder wollten und deshalb dem ganzen Land Schande bereitet hätten.

Niemand erwartet vom Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, der übrigens kein Nachfahre von Naziverfolgten, sondern als Erwachsener zum Judentum konvertiert ist, Worte des Dankes an die politisch „Verantwortlichen“. Die Juden müssen sich ebenso wenig wie alle anderen dafür bedanken, dass die „politische Klasse“ völkisches „Gedankengut“ entschieden zurückweist.
Doch der Generalsekretär hat zunächst einmal die Pflicht darauf hinzuweisen, dass in der entschiedenen Ablehnung jeglichen Biologismus eine breite, wenn man so will: staatstragende, Übereinstimmung besteht, bevor er Herrn Sarrazin in diesen Grundkonsens hineinfaselt und die Juden aus der Gesellschaft ausgrenzt.

Dass Kritik an der politischen Führung sowieso, aber auch im „Fall Sarrazin“ zulässig ist, bedarf eigentlich keinerlei Hinweises. Sie ist auch hier wiederholt geäußert worden. Doch erstens sprechen wir hier für uns, exakter: jeder Autor spricht für sich selbst, Herr Kramer aber für die Juden in diesem Land. Und zweitens wird Herr Kramer nicht dafür bezahlt, scharfe Polemiken, Journallie oder provozierende Essays unters Volk zu bringen.
Kramer spricht für eine Glaubensgemeinschaft, für die jüdische Minderheit in diesem Land, für die Juden in Deutschland, in der aus bekannten Gründen die Stimme des Zentralrates so etwas wie eine moralische Instanz (gewesen) ist. Ob der Zentralrat der Juden dies überhaupt sein soll oder nicht, ist eine ganz andere Frage, die ich nicht zu beurteilen habe. Doch unstreitig obliegt dem Zentralrat die Aufgabe, wenn es erforderlich ist, dem Antisemitismus im Lande in ernst zu nehmender Weise entgegenzutreten.
‚“Die NPD ist mit dem Fall Sarrazin und diesem Abgang aus der Bundesbank endgültig salonfähig“, erklärte Kramer gestern im Namen der Juden in Deutschland. Man fragt sich, was er immer mit der NPD hat. Letzte Woche hatte Herr Kramer Herrn Sarrazin empfohlen, in die NPD einzutreten. Letztes Jahr im Oktober verglich er Sarrazin mit Hitler, um sich kurz darauf dafür zu entschuldigen. Entschuldigung: Kramer hatte sich nicht entschuldigt, er hatte nur „bedauert“.

„Kramer ist bekanntlich ein Heißsporn, der mitunter in eine emotionale Schieflage gerät. Das kann schon mal passieren. Sollte es öfter passieren, sollte er besser abtreten“, schrieb ich im Juni 2009. Da ich theologisch nicht so sattelfest bin, weiß ich nicht, ob es im Judentum auch so etwas wie ein Sündenregister gibt. Ich glaube es eher nicht. Und auch unter Christenmenschen gehört es sich ja nicht unbedingt, ein solches einem anderen Menschen vorzuhalten. Deshalb verzichte ich darauf und sage nur: Kramer, es reicht! Gehen Sie! Wenn in Kürze ein neuer Vorsitzender gewählt wird, haben Sie eine gute Gelegenheit. Kein Geheimdeal, kein fauler Kompromiss, nichts. Gehen Sie einfach! Es reicht.

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