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Was sagt man nur zu Sarrazin?

„Wenn er sich ein bisschen tischfeiner ausgedrückt hätte, hätte ich ihm in weiten Teilen zustimmen können“, sagt Helmut Schmidt: Recht hat er; Tischmanieren sind nicht ganz unwichtig.

Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wer sich sonst noch so alles zu Thilo Sarrazin und sein neues Buch „Deutschland schafft sich ab“ geäußert hat. Oder Sie können es sich doch vorstellen. Sie ist ja weder zu übersehen noch zu überhören, die große Debatte, die der große Denker losgetreten hat. Wer dazu schon alles etwas gesagt hat! Ob die alle schon das Buch gelesen haben? Ab Montag ist das Buch im Handel, ab nächsten Montag. Übermorgen.

Wichtige Leute erhalten so ein Buch bestimmt schon früher. Wie gut, dass ich nicht wichtig bin! Hinterher müsste ich auch noch etwas über dieses Buch schreiben, was insofern etwas blöd wäre, weil … nun ja, hatte ich schon darauf hingewiesen, dass sich bereits alle möglichen Leute zu diesem Werk geäußert haben? Da würde ich doch einen Teufel tun und auch noch meinen Senf dazugeben.
Zumal ich das Buch gar nicht gelesen habe. Das konnte ich doch gar nicht; es erscheint doch erst übermorgen. Wie oft soll ich das noch sagen?! Immerhin habe ich schon einmal die im „Spiegel“ veröffentlichten Originalauszüge gelesen. Und die in der Bildzeitung. Toll! Und „Bild“ bringt in den nächsten Tagen noch mehr. Und am Montag Abend, wenn das Buch schon erschienen ist, tritt der Sarrazin beim Beckmann auf, so dass dann diejenigen, welche irgendetwas nicht verstanden haben, … – ach nee, das geht beim Beckmann ja gar nicht; das geht nur bei „Hart, aber fair“.

Der Helmut Schmidt, habe ich heute gelesen, der ist ja richtig reich geworden, weil seine Bücher so oft verkauft worden sind. Obwohl oder weil der sich immer so tischfein ausgedrückt hatte. Wollen wir mal sehen, ob der Thilo Sarrazin mit seinem Werk auch so einen Erfolg haben wird. Müsste eigentlich – bei allem, was schon jetzt darüber geschrieben wird. Allein im „Spiegel“.

Aber auch in der Bildzeitung. Sogar der Franz Josef Wagner hat dem jetzt einen Brief geschrieben, dem Thilo Sarrazin. Der kann aber auch schön schreiben, der Franz Josef Wagner: „Das alles schreiben Sie in Ihrem Buch, lieber Thilo Sarrazin, was wir uns nicht zu denken wagen. Ihr Buch ist ein Beitrag zur Meinungsfreiheit.“
Meinungsfreiheit – ganz wichtig! Ein Bochumer SPD-Ortsverein fordert, den Genossen Sarrazin aus der Partei auszuschließen. Die Genossen dort sind also nicht so für die Meinungsfreiheit. Das haben sie wahrscheinlich von diesem Willy Brandt. Der sagte einmal, man könne in Deutschland so ziemlich jede Meinung vertreten, nur eben nicht innerhalb der SPD. Das war grob.
Hannelore Kraft meint, Thilo Sarrazin verletze „die Regeln des menschlichen Anstands und Umgangs”. Das geht. Sigmar Gabriel und Andrea Nahles meinen, das Beste wäre, wenn Sarrazin von sich aus austräte. Das ist schlau. Vielleicht.

Frau Dr. Petra Follmar-Otto meint, wesentliche Forderungen Sarrazins nach Rechtsänderungen lägen jenseits des menschenrechtlich Zulässigen und des unveränderlichen Kerns des Grundgesetzes. Das muss einfach schlau sein; denn Dr. Follmar-Otto ist Leiterin der Abteilung Inland / Europa des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

Udo Ulfkotte dagegen ist seines Zeichens Islamkritiker und findet, Sarrazin habe „völlig Recht“. Ein anderer Udo, nämlich der Pastörs, findet: „“In dem Buch werden die Probleme unserer Tage deutlich gemacht.“ Er wünsche ihm „zahlreiche Leser“. Udo Pastörs ist der NPD-Fraktionsvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern und gilt als Sprecher der rechten innerparteilichen Opposition gegen den Bundesvorstand.
Meinungsfreiheit wohin das Auge blickt. Außerdem heißt das ja überhaupt nichts, wenn man von der NPD Beifall bekommt. Den bekommt der Duisburger Hermann Dierkes ja auch. Und? Ist der Hermann etwa ein Rechter? Ich meine, in dieser Sache. Das mit Israel ist ja mehr so eine persönliche Marotte von ihm. Aha! Der Dierkes gehört nämlich zur linken Opposition bei den Linken, so ähnlich wie der Pastörs zur rechten Opposition bei der NPD zählt. Schon toll, diese Meinungsfreiheit!

Andererseits müssen wir uns selbstredend immer auch ein bisschen an den Tatsachen orientieren. Das ist zwar hart, aber fair. Also: Sarrazin im Faktencheck. Und gucke mal da: vieles von dem, was Sarrazin anspricht, ist Realität. Missstände in der Unterschicht, Missstände in Einwandererfamilien.

Gewiss, spätestens seit Derrick wissen wir, dass auch in der Oberschicht nicht alles Gold ist, was glänzt. Aber das heißt ja nichts. Denn da unten gibt es ein paar Leute mehr. Und mitunter stimmt da so einiges nicht.
Wir können darüber reden. Am besten ohne Herrn Sarrazin. Wir müssen darüber reden. Es reicht eben nicht aus, unsere Solidarität den von Sarrazin Angepöbelten zu versichern. So lange wir selbst nicht ernsthaft über diese Dinge reden – von mir aus: nicht ernsthaft genug, nicht klar und deutlich genug -, solange werden „Werke“ wie jetzt dieses von Sarrazin zum Bestseller.
Warum denn sonst? Weil der Autor so ein Cleverle ist? „Es bleibt niemals etwas so, wie es ist, und kein gesellschaftlicher Zustand ist konservierungsfähig“, weiß Sarrazin. Boah! Geschichtsphilosophie, ick hör Dir trapsen … Noch wichtiger freilich: die Psychologie. Ach Quatsch: die Biologie.
„Intelligenz ist zu 50 bis 80 Prozent angeboren.“ Wir erfahren zwar keine Einzelheiten über das von Sarrazin verwendete Messverfahren; aber es ist, wie es ist. Die Schlauen – Ausnahmen bestätigen die Regel – kommen aus der Oberschicht. Oder auch teilweise aus der Mittelschicht. Während die da unten … – nun ja, die können da ja nicht für. Es ist ja zu 50 bis 80 Prozent angeboren.

Dummerweise vermehren sich die da unten wie die Karnickel, während die da oben und die aus der Mitte nicht so recht wollen. Wissenschaftlich ausgedrückt: Je niedriger der Intelligenzquotient, desto höher die Fertilitätsrate. Was wegen der Möglichkeiten der Geburtenkontrolle nicht unbedingt dasselbe bedeuten muss wie „Dumm fickt gut“.

Jedenfalls tendiert auf diese Art und Weise die gesellschaftliche Durchschnittsintelligenz nach unten, und immer weiniger Schlaue müssen immer mehr Doofe mit durchfüttern. Dagegen muss nun endlich einmal etwas unternommen werden. Vor allem muss verhindert werden, dass noch mehr Türken, Araber und Afrikaner einwandern, weil die nämlich besonders doof sind.
Außerdem will Thilo Sarrazin nicht, dass seine Urenkel in einem Deutschland leben, das islamisch geworden ist. Wir erfahren nicht warum. Hat er etwa etwas gegen den Islam? So weit ich es sehe, scheint Sarrazin seinen Unwillen nicht einmal zu begründen. Das muss er auch nicht. Das ist doch klar, dass man etwas gegen den Islam hat. Wenn Deutschland islamisch geworden ist, dann hat es sich abgeschafft. Das ist ein und dasselbe.
Denn Deutschland, überhaupt Europa, gehört zum christlichen Abendland. Und das hat auch so zu bleiben. Zwar „bleibt niemals etwas so, wie es ist, und kein gesellschaftlicher Zustand ist konservierungsfähig“ (Sarrazin, wie bereits zitiert); aber wenigstens dies soll so bleiben. Dafür gilt es zu kämpfen!
Der Retter des christlichen Abendlandes hat es nicht nötig, zu erklären warum. Er hätte ja den Islam in Zusammenhang bringen können mit archaischen Gesellschaftsvorstellungen, mit mittelalterlichem Recht, mit der Unterdrückung der Frau, mit der Verfolgung von Homosexuellen u.v.a.m. Hat er aber nicht. Das Einzige, was Sarrazin in den Sinn kommt, ist: Kanaken sind doof.

Im Grunde genauso doof wie unsere deutschen Unterschichten. Wollen wir der NPD und der Bildzeitung die Daumen drücken, dass sich dieser Aspekt nicht in ihrem Publikum herumspricht! Ist also Thilo Sarrazin ein Rassist?

Na klar! Allein schon deshalb, weil all diejenigen, die nicht zu den Oberschichten, hilfsweise zu den aufstrebenden Mittelschichten in den entwickelten Ländern gehören, von Natur aus seines Erachtens nicht einmal die Chance haben, mehr als 20 bis 50 Prozent (die nicht erblichen Anteile der) Intelligenz abzubekommen.
Dass auch die Angehörigen der „Herrenrasse“ – wie man Unsereins früher in derartigen Gedankengängen zu bezeichnen pflegte – auch nicht automatisch, sondern erst durch strenge Zucht zu „Herrenmenschen“ werden, ist auch seit jeher klar.
Dass Sarrazin allein auf die Intelligenz abhebt und das Körperliche außen vor lässt, muss nichts heißen. Entweder schiebt er das noch selbst nach oder es machen Andere. Dass die Propagandisten des „Herrenmenschen“ allerdings regelmäßig so aussehen wie Thilo Sarrazin, kann allerdings m.E. kein Zufall sein.

„Das Problematische der sarrazininschen Ideen“ (mmhh), schreibt der Tagesspiegel, „besteht nicht in den Einzeldiagnosen, sondern in der biologistischen Logik, mit der er Bruchstücke der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu einer pseudonaturwissenschaftlichen Weltanschauung fügt. Aber gerade diese Dimension bleibt in der sich selbst befriedigenden öffentlichen Empörung beschämend unbeachtet.“
Wie wahr! Wie wahr! – Aber wie kommt so etwas bloß? Direkt weiter im Text:
„Vielleicht auch, weil der so übereifrig den Bösewicht spielende Sarrazin mit seinem biologistischen Gesellschaftsbild, seinem Erbintelligenzlertum und seiner Gen-Rhetorik vielen Menschen der akademischen Mitte mehr aus der Seele spricht, als ihr Mund zugeben würde.“
Also, das schreibt der Bruno Preisendörfer. Im „Tagesspiegel“. Nicht ich. Er schreibt, was ich mir nicht einmal zu denken wage. Okay, wenn er sich etwas tischfeiner ausgedrückt hätte, hätte ich ihm in weiten Teilen zustimmen können. Aber so …

Werner Jurga

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