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Nach der Loveparade: Psychologen, Polizisten, Videos

Soeben erschienen: ein Interview mit der Trauma-Expertin Kerstin Stellermann. Auf Zeit Online. Es geht um die Video-Aufnahmen aus Duisburg am 24. Juli. Die Trauma-Expertin kann da nur warnen. Hier ein kleiner Auszug:

 

ZEIT: Ein Dilemma, denn Presse und Rundfunk sollen ja über das Zeitgeschehen informieren…

Stellermann: …aber weniger dramatisch! Man kann sich dem Ereignis auch anders nähern. Relativ gut fand ich Bilder, die nur den leeren Tunnel zeigten. Das Fernsehen könnte warnen, bevor es potenziell belastende Sequenzen zeigt, etwa in der Art: Kinder sollten die folgenden Bilder besser nicht ansehen.

ZEIT: Warum Kinder generell?

Stellermann: Weil gerade junge Kinder solche Ereignisse als etwas Verallgemeinerbares wahrnehmen. Im aktuellen Fall könnte das zu dem Glauben führen, dass jedes Mal, wenn man durch einen Tunnel geht, Menschen sterben müssen.

ZEIT: Und was können Eltern tun, deren Kinder verstört reagieren?

Stellermann: Vor allem ist es wichtig, Kindern das Gefühl zu geben, dass sie nachfragen dürfen und darüber sprechen. Vieles klärt sich dann.

ZEIT: Und wenn auch Erwachsenen mulmig wird?

Stellermann: Ein Hinweis wäre gut, dass übermäßiger Konsum solchen Filmmaterials psychische Auswirkungen haben kann. Bis auf das Frühstücksfernsehen hat meines Wissens niemand darauf aufmerksam gemacht, auf welche Folgen man achten muss.

ZEIT: Was wären denn die klassischen Symptome?

Stellermann: Wenn man anfängt, seine alltäglichen Routinen zu vermeiden. Wenn man plötzlich sehr unruhig ist oder aus nichtigem Grund wütend wird. Wenn das nach ein paar Wochen nicht besser wird, dann braucht jemand Unterstützung.

Merke: auch bei Erwachsenen kann ein übermäßiger Konsum solchen Filmmaterials psychische Auswirkungen haben. Aber wer weiß das schon?! Außer den Zuschauern des Frühstücksfensehens; nur: das kann ja nun einmal nicht jeder gucken. Manche Leute müssen ja arbeiten. Polizisten zum Beispiel. Und die können das dann nicht wissen, was insofern etwas ungünstig ist, weil die sich auf der Arbeit auch schon mal Videos ansehen. Und zwar genau diese Videos, wie wir – ebenfalls soeben – bei SPIEGEL-ONLINE erfahren. Da steht:

Ein hoher Duisburger Kriminalbeamter hat sich nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen sichergestellte Love-Parade-Videos angeschaut, obschon er dafür nicht zuständig war. Sein Vorgesetzter findet das dennoch "unproblematisch".
Der kommissarische Duisburger Polizeipräsident teilte SPIEGEL ONLINE hingegen mit, ein Teil des am 26. Juli beschlagnahmten Videomaterials sei tatsächlich an diesem Tag angesehen worden. Darüber gebe es einen Vermerk. Einen Tag später habe es dann eine erneute Vorführung gegeben, diesmal "im Beisein des Leiters der Ermittlungsgruppe ‚Love Parade’" aus Köln.
Die Sichtung sei jedoch insgesamt "unproblematisch" gewesen, weil sie "dem Bemühen einer umfassenden Berichterstattung" an das Innenministerium gedient habe, schrieb der Leitende Regierungsdirektor Detlef von Schmeling.
Das jedoch erscheint zweifelhaft. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Duisburger Polizei gar nicht mehr zuständig für die Love-Parade-Recherchen, galt es doch, auch ihre eigene Arbeit zu hinterfragen.

Sollten Ihnen in Duisburg also künftig Polizisten begegnen, die nicht ihren „alltäglichen Routinen“ (Pluralis psychologensis) nachgehen, sondern „plötzlich sehr unruhig oder aus nichtigem Grund wütend“ sind, wissen Sie jetzt, warum.

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