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Der Stadtrat – nicht öffentlich – und der Junge auf dem weißen Pferd

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Es war so gegen 18:00 Uhr. Am Freitag, den 21. Mai 2010, meldet Radio Duisburg um 17 Uhr 37, dass nun auch die Stadt an Rhein und Ruhr auf die Gewerbesteuer des insolventen Unternehmens Karstadt verzichtet. Die Online-Ausgaben der Lokalzeitungen folgen ein wenig später.
Um 17 Uhr 56 meldet das Handelsblatt online, dass Karstadt einen neuen Bieter gefunden habe, nämlich den Privatinvestor Nicolas Berggruen. Die Nachrichtenagenturen kommen mit dieser Meldung deutlich später.
Eine fast schon kuriose Gleichzeitigkeit der Ereignisse, könnte man meinen. Wenn es sich denn hier um eine Gleichzeitigkeit gehandelt hat. Klar: 17:56 Uhr ist später als 17:37 Uhr. Aber dass in weniger als zwanzig Minuten Nicolas Berggruen entschieden haben könnte, dabei zu sein, das Handelsblatt informiert hat, und die dann ruckzuck den recht ausführlichen Artikel ins Netz gestellt haben …
Sagen wir mal so: die Zeit kommt mir ein wenig knapp vor. So ein Artikel muss doch Korrektur gelesen werden. Also doch eine echte Gleichzeitigkeit? Könnte ja sein. Dass Albert Einstein in seiner Relativitätstheorie meinte, den Nachweis erbracht zu haben, dass echte Gleichzeitigkeit im Grunde gar nicht möglich sei, muss uns hier nicht weiter interessieren.
Nehmen wir einfach einmal an, dass am Freitag Nachmittag ganz zufällig und ganz unabhängig voneinander zwei Entscheidungen getroffen wurden – mehr oder weniger gleichzeitig. „Gott würfelt nicht“, meinte Einstein. Wenn er sich da mal nicht geirrt hatte, der Einstein. Zufälligerweise.

Wir gehen also davon aus, dass eines Freitags nachmittags sich der Rat der Stadt Duisburg – in nicht-öffentlicher Sitzung, versteht sich – gesagt hat: „Ach, was sollen wir auch noch bei Karstadt Steuern eintreiben?!“ Und zur gleichen Zeit kam – wo auch immer – dem „homeless“ Nicolas Berggruen die Idee: „Ach, ich könnte doch mal Karstadt kaufen!“
Ich meine, das kann doch sein. Wäre dem nämlich nicht so, dann bliebe ja nur noch übrig, dass Berggruens Angebot vor den Beratungen des Duisburger Stadtrates über die Steuerbefreiung für Karstadt vorgelegen hatte. Logisch: vorher, gleichzeitig, nachher – mehr gibt es nicht. Nachher kann nicht, gleichzeitig gibt es eigentlich nicht, also vorher.
Klar: vorher. Aber was? Vorher. Da haben wir wieder zwei Möglichkeiten. Entweder hatte Herr Berggruen dem Handelsblatt gesagt: „Also, ich informiere Euch schon mal über mein Gebot beim Insolvenzverwalter. Ihr haltet aber schön dicht, jedenfalls so lange, bis der bekanntlich äußerst bedeutende Duisburger Stadtrat verkündet hat, ob er nun Steuereinnahmen braucht oder nicht!“
Oder in Duisburg wusste man von Berggruens Gebot, was wiederum die Frage aufwürfe, wer das denn gewusst haben könnte. Etwa auch diejenigen, die über die Frage „Steuerverzicht – Ja oder Nein?“ zu entscheiden hatten? Ich kann es Ihnen nicht sagen. Und wenn ich es könnte, dürfte ich es Ihnen nicht sagen. Denn die Sitzung war doch nicht öffentlich. Und wenn dann trotzdem …
Überlegen Sie mal: Sie bitten Ihre Stadt, ob sie nicht einmal – nur für eine Zeitlang – darauf verzichten könne, ausgerechnet von Ihnen Steuern zu erheben. Sie seien nämlich gegenwärtig nicht so solvent, eher im Gegenteil. Also insolvent. Und dann beratschlagen Jeti und Pleti nicht nur über so heikle Fragen, wer Ihnen nun gerade wie viel Kohle für Ihr Haus bietet. Dann steht das alles auch noch hinterher in der Zeitung oder im Internet oder so. Das wäre Ihnen doch auch nicht recht! Oder?

Also müssen wir mit dieser Ungewissheit leben. Entweder wussten die Duisburger Ratsleute von einem zweiten Bieter oder sie wussten es nicht. Entweder wusste die Duisburger Verwaltung davon oder eben nicht. Oder der Oberbürgermeister wusste es, der Rat aber nicht. Na und?! So etwas spielt doch heutzutage ohnehin keine Rolle mehr; denn
der Erlass der Gewerbesteuer für Karstadt, der in diesen Tagen in Kommunen wie etwa Dresden erneut auf dem Prüfstein steht, ist für Berggruen eine wichtige Voraussetzung zum Kauf“.
Das ist sowieso klar. Ob Triton oder Berggruen, ob Metro oder der Insolvenzverwalter – es gibt so einige Dinge, die gelten – sagen wir mal: – unabhängig von Raum und Zeit. Jedenfalls in der heutigen Zeit. Steuern zahlen? Gar noch Gewerbesteuer? Ich glaube, es hackt!

Dass sich ausgerechnet die in Duisburg so Mätzchen erlaubt haben … Na gut, das ist ja jetzt Geschichte. Außerdem haben sich diese Duisburger selbst am meisten damit geschadet. Die hatten doch sowieso schon so ein beschissenes Image. Und jetzt – sozusagen zusätzlich, das kommt noch oben drauf – weiß jeder potenzielle Investor:
“Im Grunde würden die eiskalt von mir verlangen, Steuern zu zahlen. Gut, die haben zwar sowieso nichts zu sagen. So Spinnereien kriegen die nicht durch. Trotzdem: allein schon die Einstellung! Das macht doch keinen Spaß, wenn man erst einmal richtig Power geben muss, damit die mit ihrer Bettelei aufhören!“

Ob das daran gelegen hat, dass der Berggruen erst jetzt mit seinem Gebot rauskommt? Kann doch sein. Jedenfalls ist die Frist, um ein Gebot abzugeben, schon seit langem abgelaufen. Warum nur ist der erst jetzt auf die Idee gekommen, sich Karstadt zuzulegen? Dieser Nicolas Berggruen.
Von seinem Vater habe er, sagt er, „zwei Sachen gelernt. Erstens: nur Qualität zu erwerben. Und zweitens: sich zu konzentrieren.“ Damit wir uns recht verstehen: Berggruen will nicht nur die Duisburger Filiale, er will ganz Karstadt erwerben. Muss er ja wissen. Er soll ja auch ziemlich clever sein. Will sagen: der muss deutlich mehr wissen als ich.

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