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Die mit dem Wolf tanzt

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Image by xtranews.de via Flickr

 

Zülfiye Kaykin ist eine der Architekten des „Wunders von Marxloh“, vielleicht sogar die wichtigste Architektin. Sie ist nämlich die Geschäftsführerin der Ditib-Begegnungsstätte in der Merkez-Moschee – allerdings nicht mehr sehr lange. Im Februar war nämlich der Richtungsstreit im Marxloher Moscheeverein eskaliert. Nachdem der Pressesprecher abgesetzt wurde und der Vorsitzende zurücktrat, zog auch Zülfiye Kaykin die Konsequenzen und kündigte als Geschäftsführerin der Begegnungsstätte.
Die Kölner DITIB-Zentrale hat nie zwischen der Gemeinde und der Begegnungsstätte unterschieden, die Türken vor Ort nicht, und Außenstehenden stellen sich die Begegnungsstätte und die Gemeinde ohnehin als eine Einheit dar.

Damit will ich sagen, schrieb ich letzten Donnerstag in einer eMail an Zülfiye Kaykin, dass selbst wenn Du als (damalige) Geschäftsführerin nichts mit der Einladung an dieses braune Volk zu tun haben solltest, es doch im Interesse der Klarheit läge, wenn man zu diesem Vorgang auch etwas von Dir und nicht nur von der DITIB-Zentrale zu hören bekäme. Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Doch die Freude war mir nicht vergönnt. Zülfiye Kaykin ließ meine Anfrage unbeantwortet. Wie schade! Dabei hatten wir doch einige Tage zuvor ihr mit einem Interview die Gelegenheit gegeben, ihre politischen Positionen ausführlich darzulegen.

Mit dem Begriff „Vorgang“ hatte ich freilich nicht das in diesen Tagen breit getretene Wahlkampfgedöns gemeint, das die Tatsache und die Terminlage ihrer Kündigung gegen Frau Kaykin ausschlachten will. Aber klar: es wäre besser gewesen, wenn Hannelore Kraft und Zülfiye Kaykin gleich bei der Nominierung als Integrationsbeauftragte am 15. April deutlich gemacht hätten, dass Kaykin nur noch bis Ende April, allenfalls bis zum 19. Mai als Geschäftsführerin der Begegnungsstätte tätig sein wird.
Andererseits hätte in diesem Fall auch der Grund für die Kündigung zur Sprache kommen müssen. Dabei handelte es sich weder um, wie „Spiegel Online“ irrtümlich annimmt, die notwendige Konzentration auf den SPD-Wahlkampf noch um die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die beabsichtigte Kandidatur als stellvertretende Vorsitzende auf der Hauptversammlung am 19. Mai, sondern um die eingangs angesprochenen Konflikte innerhalb der Marxloher Gemeinde.

Doch ein Wahlkampf ist nicht die ideale Zeit, um unangenehme Dinge unter den Tisch zu kehren. Die WAZ-Gruppe weiß Bescheid und legt selbst in Duisburg all diese Dinge offen. Die WAZ weiß sogar noch mehr, was sie vor einigen Tagen auch in ihrer Printausgabe veröffentlicht hatte – jedoch nicht online.
Daher hatte ich ja am letzten Donnerstag erst von dem braunen Volk erfahren, was mich zu meiner eMail an Frau Kaykin veranlasst hatte. Am Sonntag, den 11. April, fand in den Räumlichkeiten der Merkez-Moschee eine Veranstaltung der Grauen Wölfe statt.
Man muss sich das vorstellen: exakt zwei Wochen, nachdem sich Tausende Menschen schützend vor die Moschee gestellt hatten, indem sie gegen den Rassismus und Faschismus von Pro-NRW und NPD demonstriert hatten, findet in eben diesem Gotteshaus eine Gedenkveranstaltung für den „Gründervater“ der Grauen Wölfe statt.

Das Bündnis für Marxloh, das gemeinsam mit dem DGB und der Stadt Duisburg den 28. März in Duisburg-Marxloh organisiert hatte, reagierte darauf „mit Befremden und Abscheu“, wie es in der Erklärung „Grenzenlos gegen Rechts“ heißt, die bereits am 16. April veröffentlicht wurde. Darin heißt es u.a.:
„Gemeinsam wirkten über einen Zeitraum von über acht Wochen verschiedenste Kräfte überparteilich und interreligiös zusammen, um ein deutliches, unübersehbares Zeichen gegen Rechts und für Frieden und Völkerverständigung zu setzen.
Von vornherein war die DITIB-Gemeinde integraler Bestandteil des Bündnisses und beteiligte sich an unseren Planungen, Diskussionsabenden, Infoständen und weiteren Aktivitäten unter dem Motto „Hand in Hand gegen Rassismus“.
Mit Befremden und Abscheu mussten wir nunmehr feststellen, dass in den Räumen der Merkez-Moschee am 11.4.2010 eine Trauerfeier für den verstorbenen historischen Führer der aus der Türkei stammenden rechtsextremen MHP (Partei der Nationalen Bewegung), Alparslan Türkes, abgehalten wurde. Für diese Veranstaltung hatte die in Deutschland ansässige MHP Vorfeldorganisation ATF (Türkische Föderation in Deutschland) kurzfristig auf Plakaten in mehreren Stadtteilen geworben.
Die MHP ist seit ihrer Gründung in den 60er Jahren in der Türkei für ihre Hetze gegen Minderheiten, Übergriffe auf Oppositionelle und Gewerkschafter sowie die tiefe Verstrickung in Putsche und Bürgerkrieg bekannt. Zuletzt 2007 kam es auch in Marxloh zu einem Aufmarsch der Exilstrukturen dieser Gruppierung, auf dem mehrere hundert Menschen nationalistische und kriegsverherrlichende Parolen skandierten.
Wir erwarten eine lückenlose Aufklärung aller politisch Verantwortlichen, wie es zu dieser Veranstaltung kommen konnte.“

Auch der WAZ gegenüber bestätigte Sylvia Brennemann, eine Sprecherin des Marxloher Bündnisses, dass das „Befremden über diese Entwicklung groß“ sei. Sie erinnert daran, dass die DITIB-Moschee von Anfang an „integraler Bestandteil“ des Marxloher Bündnisses gewesen sei, spricht von einem „Skandal“, fordert Aufklärung und warnt: „Passiert das noch einmal, werden wir dagegen mobilisieren.“
Für die DITIB durfte offenbar nur die Zentrale in Köln sprechen. Sie erklärte: „DITIB und alle in ihr organisierten Moscheevereine stehen als offene Zivilorganisationen im selben gebührenden Abstand zu allen Personen, Parteien und Institutionen. Eine solche Totenmesse zu veranstalten, gehört zum Spektrum von Religionsdiensten, die Menschen nicht verwehren können.“
Ganz abgesehen davon, dass die Grauen Wölfe mit Plakaten für diese „Totenmesse“ geworben hatten: dieser „selbe gebührende Abstand“ irritiert doch ganz erheblich. Denn die Grauen Wölfe sind nicht eine Partei wie andere auch, sie sind vielmehr Rechtsextremisten reinsten Wassers.

Zülfiye Kaykin, die Geschäftsführerin der Ditib-Begegnungsstätte, hat zwar ihre Stelle bereits gekündigt – jedoch erst zum Ende des Monats. Sie beabsichtigt, den Job bis zum 19. Mai zu erledigen. Eigenen Angaben zufolge führt sie ihn gegenwärtig faktisch aus.
Wie auch immer: auf jeden Fall wurde die Veranstaltung der Grauen Wölfe während ihrer Zuständigkeit vereinbart. Eigentlich hätte sie doch den Nutzungsvertrag unterzeichnen müssen. Vielleicht werfe ich da aber organisationspolitisch etwas durcheinander.
Deshalb wollte ich mir das ja auch von Frau Kaykin erklären lassen. Ich zitiere noch einmal aus meiner eMail:
Mich irritiert besonders, dass Du uns – also xtranews.de, dessen Redaktionsmitglied ich bin – am 16. April ein Interview gibst, das wir am 18. April gebracht haben, aber auch in den Gesprächen um dieses Interview herum mit keinem Wort die Veranstaltung der Grauen Wölfe in Euren Räumlichkeiten erwähnst …
Ehrlich gesagt, liebe Zülfiye, macht mich das sprachlos. Als Außenstehender weiß ich doch nicht, kann ich doch gar nicht wissen, welche Entscheidung bei Euch der Moscheeverein und welche die Begegnungsstätte zu verantworten hat. Politisch weniger interessierte Bürger werden nicht einmal ahnen, dass es da zu differenzieren gilt.

Die liebe Zülfiye hat – wie gesagt – nicht geantwortet. Dabei würde ich so gern differenzieren. Man muss doch schließlich auch differenzieren. Es ist doch etwas anderes, ob Frau Kaykin nur mit dem Wolf tanzt, oder aber ob sie auch mit den Wölfen heult.

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