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Die Mittelschicht, der Selbstbetrug und eine kleine deutsche Besonderheit

Ulrike Herrmann Buch Gehören auch Sie zur Mittelschicht? Blöde Frage: natürlich tun Sie das. Sie gehören dazu. Wozu sollten Sie auch sonst gehören?! Sie kennen Leute, die mehr haben als Sie, allerdings auch welche, die – möglicherweise selbstverschuldet – noch weniger haben als Sie. Und daraus können wir messerscharf schließen: auch Sie – oder: Sie auch – ein klarer Fall von Mittelschicht.

Das muss nicht, kann aber bedeuten, dass auch Sie einer der Deppen der Nation sind, wie Herr Westerwelle das nennt. Dass der aber auch immer so provozieren muss! Schwamm drüber, das ist ja schon etwas her.

Und irgendwie hat er ja auch Recht: immer dieses Arbeiten, dann auch noch Steuern zahlen, und ganz entspannt dabei zusehen, wie einem die Anderen alles wegnehmen. Die Anderen, das sind diejenigen, die eben nicht zur Mittelschicht gehören, also zur Unterschicht.

Wir leben nämlich in einer Schichtengesellschaft – wissen Sie? Sie besteht aus Ausbeutern und Ausgebeuteten, sprich: aus Unterschicht (das sind die mit dem anstrengungslosen Einkommen) und Mittelschicht (das sind die vom Steuerstaat Ausgepressten).

Mittelschicht – das sind aufgeklärte Menschen, politisch interessiert und mit anständigen Manieren. Soziologen gehen davon aus, dass die überwältigende Mehrheit der Leser von Webseiten wie xtranews.de oder jurga.de eben dieser Spezies angehören. Und dennoch gibt es Leute, die dieser erlesenen Menschengruppe irgendwie Vorwürfe machen.

„Nur weil sie täglich Gemüse essen, ihr Kind nicht Kevin nennen und abends im Bett Geschichten vorlesen, glauben viele in der Mittelschicht, sie seien schon Elite“, behauptet in einem Spiegel-Interview – aktuelle Ausgabe (13 / 2010) – Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der Tageszeitung taz. Offenbar scheint Frau Herrmann gerade dies nicht zu glauben, sondern vielmehr von dem etwas altbackenen Modell auszugehen, das den Elitebegriff einer angeblichen Oberschicht vorbehält. Sie fährt fort:

„Das hilft, um die Angst vor dem Abstieg zu bekämpfen – dieser Abstieg droht aber, wenn die Mittelschicht weiterhin Steuergesetze durchwinkt, die die Oberschicht privilegieren.“

So etwas liest man nicht gern. Es ist richtiggehend ärgerlich, zumal sich Ulrike Herrmann sehr wohl im Klaren darüber ist, „dass die Reichen sich in Umfragen gern zur Mittelschicht zählen.“ Doch anstatt es mit dieser Tatsachenbehauptung gut sein zu lassen, muss sie unbedingt noch ihre – rein spekulative – Interpretation anfügen, derzufolge dies helfe, „die echten Grenzen zwischen oben und unten zu verwischen.“

Und warum das alles? – Na, warum wohl?! – Profitinteressen! Die Dame will Reklame für ihr Buch machen, das Anfang März erschienen ist.

Ulrike Hermann: Hurra, wir dürfen zahlen – Der Selbstbetrug der Mittelschicht. Westend-Verlag, Frankfurt am Main, 220 Seiten Preis: 16,95 Euro
(ISBN: 978-3938060452)

(Alle folgenden Zitate aus diesem Buch)

Es geht einfach immer nur ums Geld. Und so Sprüche aus der Klamottenkiste des Klassenkampfes dürften in den heutigen post-modernen Zeiten möglicherweise immer noch ihre Leser finden.

„Obwohl die Realeinkommen sinken, können sich die allermeisten noch immer als Mittelschicht fühlen. Denn inzwischen ist jeder `drinnen`, der als Arbeitsloser nicht `draußen` ist.“

Genau, das ist nämlich die „neue soziale Frage“: der Konflikt zwischen denen, die Arbeit haben, und denen, die keine haben. Das hat der Heiner Geißler schon vor Jahrzehnten gesagt. Da war der auch schon so super links und Generalsekretär der CDU. Aber dieser Ulrike Herrmann reicht das ja nicht; das ist ihr vermutlich immer noch nicht links genug.

Ausgerechnet die Massenarbeitslosigkeit verleitet die Beschäftigten der Mittelschicht dazu, sich mit der Elite zu identifizieren. Sie fühlen sich bereits herausgehoben, nur weil sie nicht zu den Ausgestoßenen zählen.“

Muss man sich so etwas bieten lassen? 220 Seiten lang. Dann doch lieber Westerwelles „Deppen der Nation“, anstatt sich von so einer taz-Tante anmachen zu lassen. Der Westerwelle ist ja wenigstens noch empört; aber die Herrmann – die lacht uns doch aus!

„Auch der Mittelschicht leuchtet plötzlich ein, dass es eine Zumutung für die Elite ist, Steuern zu zahlen, wenn davon nur Arbeitslose alimentiert werden, die angeblich zu faul sind, um eine Stelle aufzunehmen. Der Denkfehler ist schnell gemacht: Statt wahrzunehmen, dass die eigenen Reallöhne fallen, vermutet man lieber, dass die Hartz-IV-Empfänger zu viel kassieren.“

Ja, wieso „Denkfehler“? Jetzt mal im Ernst: wollen Sie wirklich 16,95 Euro ausgeben, um sich von solch einer Propagandaschrift beleidigen zu lassen?! Oder hier – lesen Sie das doch nur mal!

„Wenn Lobbyisten Steuersenkungen für die Reichen durchbringen wollen, dann müssen sie der Mittelschicht das Gefühl geben, dass sie ebenfalls zur Elite gehört. Man muss die Mittelschicht zum Selbstbetrug animieren.“

„Selbstbetrug“ – nur weil es dieser Ulrike Herrmann nicht passt, dass wir zur Elite gehören. Nur die ganz oben sollen … ach Mensch! Das ist so gemein. Aber sie hat ja nicht ganz Unrecht, die Frau:

„Der eigentliche Abstieg der Mittelschicht findet ja dadurch statt, dass die Reallöhne sinken, und sie sinken in Deutschland seit Jahren, und wichtig ist zu wissen, dass sie NUR in Deutschland in dieser Weise sinken.“

Okay, dann sind wir eben nicht mehr stolz darauf, Mittelschicht zu sein. Dann reicht es halt aus, deutsch zu sein. Das ist nämlich wirklich einmalig!

„In Deutschland haben wir den einmaligen Fall, historisch und auch im Vergleich zu den Nachbarn, dass die Reallöhne selbst dann sinken, wenn die Wirtschaft boomt.“

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