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Demos gegen Rechts: Duisburg kann Toleranz

An diesem Sonntag ist die 903, die Richtung Marxloh fährt, ein vorausschauendes Spiegelbild dessen, was der Tag beim Bürgerfest an der Moschee bringen wird: Eine friedliche Veranstaltung mit so gut wie keinem Gefahrenpotential. Dicht an dicht gedrängt stehen Jung und Alt nebeneinander, ein Wunder, dass keiner durch die zahlreichen Fahnenstangen verletzt wird. Der Großteil drängt bei Pollmann aus der Bahn – offenbar ist hier ein Sammelpunkt in der Nähe. Der Rest, der fährt bis Heckmann und geht dann von dort in Richtung Moschee. Nur wenig nutzen den Schleichweg, der durch den kleinen Park in der Nähe des Kindergartens führt. Die Polizei allerdings hat dort schon ihre Wagen stehen. Noch sind es allerdings einige Meter bis zur Moschee selbst, auf der an diesem Morgen kein besonderer Glanz liegt. Eher muss das Gold selbst gegen die grauen Wolken ankämpfen, noch scheint die Sonne nicht.

Während die Junge Welt, ein T-Shirt-Verkäufer, die MLPD und andere ihre Stände auf der Wiese neben der Merkez-Moschee aufbauen wartet man an der Moschee selbst auf Siegmar Gabriel. Dessen Flieger habe Verspätung wird mitgeteilt. So bleibt also erstmal nichts weiter übrig als auf Motivsuche zu gehen. Politprominenz ist jedenfalls schon vor Ort, so etwa Oberbürgermeister Sauerland oder Bärbel Bas. Eine Gruppe von türkischen Schülerinnen nutzt die Gelegenheit ein Gruppenphoto mit dem OB zu schießen. Andere wiederum richten ihre Motive auf die Moschee selbst aus. Endlich: Gabriels Wagen fährt vor.
Ein dichter Kranz von Journalisten umringt ihn bald. Es ist Wahlkampf – kein Wunder, wenn Gabriel auch zur momentanen Aufholjagd der SPD in NRW befragt wird. Doch an einem Tag wie heute ist anderes wichtiger: „Liebe Leute, geht zur Wahl. Wählt eine demokratische Partei, wen auch immer.“ Rechtsradikale, betont Gabriel, hätten nur dann eine Chance wenn die Wahlbeteiligung niedrig sei. „Es gibt genug demokratische Parteien, wählen sie sich eine aus.“ Marxloh sei eines der Beispiele für gelungene Integraton sagt Gabriel. Vielleicht weil hier offen über alles, auch über die schwierigen Dinge geredet worden sei – die Anspielung auf Köln ist unüberhör. Ein Statement gegen die Kopfsteuerpauschale muss allerdings in Wahlkampfzeiten dann auch noch drin sein bevor Gabriel sich mit der Presse auf den Moschee-Rundgang begibt. Selbstverständlich ohne Schuhe.

Muhammed al, Vorsitzender der DITIB, hat mit der Presse in den letzten Tagen offenbar keine guten Erfahrungen gemacht. „In der Politik sprechen wir von einer Minderheit von Rechtspopulisten. Leider bemerken wir in der Bevölkerung eine latente Zustimmung für diese Forderungen. Vielfach leitet sich dies von der Medienberichterstattung ab, die auch unter dem Motto Islamkritik und Sensatonsberichterstattung den Islam und die Muslime direkt oder indirekt diffamiert.“ Weiterhin führt er in seiner Rede auf der Pressekonferenz aus, dass die Merkez Moschee Duisburg sich auf die demokratischen Grundlagen beruft: Menschenrechte, die freiheitlich-pluralistische Demokratie. Nach ihm ergreift Gabriel ohne Mikrophon das Wort: Al verhalte sich ja fast schon wie ein Politiker. „Wenn wir uns ärgern, schimpfen wir auch als Erstes auf die Medien.“ Charmant legt er nach, man müsse den Medien immer Recht geben – man beeinflusse sowieso nicht was sie schreiben würden. Dann kommt er auf den Grund des heutigen Besuches in Marxloh zu sprechen: „Wenn Rechtsradikale demonstrieren ist das auch unser Problem“, versichert Gabriel unter heftigem Beifall. „Wir reden gerne über deutsche Leitkultur, die kann man einfach nachlesen, das sind die ersten 20 Artikel unserer Verfassung.“ Wer gegen die dort genannte Religionsfreiheit vorgehe, gehe gegen die Verfassung das das Verständnis des ganzen Landes an. Er bestreite ncht, dass es Probleme gäbe, diese sollten aber wie es sich für Demokraten gehöre offen und gemeinsam debattiert werden.

Direkt nach der Pressekonferenz begeben sich Gabriel und Kraft zur Kundgebung des DGB. Die ersten Teilnehmer der Demo erscheinen wenig später vor der Bühne. Der Platz füllt sich. Fahnen von allen Parteien sind zu sehen, handgemalte Schilder, viele Demonstranten tragen Buttons des Marxloher Bündnisses gegen Rechts. Es ist eine entspannte, friedliche Stimmung, man sucht sich einen Weg durch das schlammige Gelände und versucht nah an die Bühne zu kommen. 10.000 Demonstranten sollen es sein. Schätzungen der Polizei sprechen dagegen eher von 5000, wenn nicht gar 4000. Erst später aber. Der Grund? „Wir wollten die Angaben des DGBs nicht kaputtmachen“, sagt die Polizei. 150 Leute bei der NPD und 150 würden bei ProNRW später auftauchen, eingestellt hatte sich die Polizei allerdings auf an die 1000.

Rainer Bischof eröffnet die Kundgebung. Politische Brunnenvergifter seien es, die in Duisburg auftreten würden. Alt-OB Krings betonte, dass er als Zeitzeuge ganz genau wüsste, warum man an diesem Tag gegen Rechts auftreten soll. Die leeren Formeln von Heldentum, die man ihnen als Schulkinder 1933 eingebläut hätte seien nicht das, was den Krieg auszeichnen würde. Etwas, was auch Menschen heute wissen sollten. „Duisburg kann Toleranz,“ ist dann das Fazit, dass OB Sauerland ziehen wird. Duisburg als weltoffene, tolerante Stadt, die an diesem Tag gezeigt hat, dass rechte Parolen keinen Platz in diese Gesellschaft haben. Das ist das Gemeinsame, was alle Reden an diesem Tag verbindet – das ist die Botschaft, die von diesem Fest ausgeht.

Nachdem sämtliche Rede gehalten worden sind beginnen die Massen sich zu zerstreuen. Das gute Wetter weckt in manchen den Appetit – die Schlangen vor den Essensständen sind sehr lang. Kinder spielen vor dem Eingang der Moschee, die Leute nutzen die Gelegenheit um sich die Moschee von Innen anzusehen. Das Kulturprogramm auf der Bühne beginnt nach einer gehörigen Ohrenportion Eurodance. „Cotton Eye Joe“ z.B. Da zieht man dann doch lieber die mit Liebe aber nicht immer mit den richtigen Tönen gesungene Fassung von „It’s A Wonderful World“ vor. Man könnte es fast glauben an diesem Tag.

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