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Marx und Merkel über die Wiederholung in der Geschichte

Am Samstag erschien im Kölner Stadtanzeiger (ksta )ein Interview mit Angela Merkel. Warum auch nicht? Schließlich ist Frau Merkel die Bundeskanzlerin und der Kölner Stadtanzeiger eine der maßgeblichen überregionalen Tageszeitungen in Deutschland. Es bestünde eigentlich kein Grund, Sie auf dieses Gespräch aufmerksam zu machen, wenn …

… wenn da nicht – gleich in der zweiten Frage – die ksta-Redaktion gefragt hätte, vermutlich eine Fangfrage:

„Wiederholt sich die Geschichte?“

Und jetzt raten Sie mal, was die Bundeskanzlerin darauf zu antworten wusste. Was würden Sie denn sagen? Wiederholt sich die Geschichte oder wiederholt sie sich nicht? Und wenn sie sich wiederholt, wie – bitteschön – pflegt sie dies zu tun? Denken Sie einfach mal drüber nach!

Frau Merkel konnte sich dies natürlich sparen; sie braucht über so eine Kleinigkeit gar nicht erst groß nachzudenken. So etwas weiß sie; sie ist nämlich geschult. Verdammt gut geschult. Und deshalb – zack – hatte sie die richtige Antwort sogleich parat:

„Geschichte wiederholt sich nicht und wenn, dann nur als Farce.“

So ist das; obwohl: irgendwie kommt mir diese Aussage bekannt vor. Ich bilde mir ein, diesen Satz schon einmal irgendwo gehört oder gelesen zu haben. Oder zweimal oder dreimal oder noch öfter. Von wem mag dieser Satz wohl stammen?

Um sämtlichen Spekulationen von vornherein entschieden entgegen zu treten: von Karl Marx ist er nicht, dieser Satz. Marx hatte nämlich folgendes geschrieben:

„Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“

Für den Fall, dass Sie jetzt einwenden sollten, Frau Merkel habe in ihrer Version sozusagen eine Kurzfassung gebracht, die das Marx-Zitat gleichsam prägnant auf den Punkt bringe, würde ich sagen: auch falsch.

Den Satz „Geschichte wiederholt sich nicht und wenn, dann nur als Farce“ hat unsere Kanzlerin zwar jetzt im ksta-Interview gesagt, aber deshalb daraus zu schlussfolgern, dass diese Version im Grunde von ihr stamme, … nun ja …

Jeder, der – wo auch immer – für sich beanspruchen wollte – marxologisch zumindest einigermaßen auf Zack zu sein, musste eine Handvoll Weisheiten des großen Meisters schon auf Lager haben. Und diese gehörte unzweifelhaft dazu: „Geschichte wiederholt sich nicht und wenn, dann nur als Farce.“

Und ob nun Angela Kasner, wie Frau Merkel damals hieß, wollte oder nicht: „Nach der damaligen Promotionsordnung musste dem Antrag auf Promotion der Nachweis beigefügt werden, dass die während des Studiums erworbenen Kenntnisse des Marxismus-Leninismus („ML“) wesentlich vertieft und erweitert worden waren.“ Das können Sie bei Wikipedia nachlesen. Und so geht es weiter: „Meist erfolgte dies in Form einer schriftlichen Arbeit. Merkels Arbeit gilt als verschollen.“

Da ich sie zufälligerweise auch nicht habe, kann ich Ihnen leider nicht genau sagen, was drin steht. Ich weiß nur, dass es um kommunistische Moral geht. Wäre eigentlich mal interessant zu lesen: Moral – gar nicht unwichtig.

Angela Merkel war bis 1984 Sekretärin für Agitation und Propaganda. Oskar Lafontaine wusste im Bundestagswahlkampf gar dem Hamburger Abendblatt zu berichten, dass sie zur Kampfreserve der SED gehörte.

Wie dem auch sei, das ist jetzt alles ein Vierteljahrhundert her. Ich will da auch keine schmutzige Wäsche waschen, zumal – wie es hier heißt, „die Kargheit ihrer biographischen Selbstauskunft immer wieder zu Irritationen und auch zu heftigen Angriffen auf diejenigen, die sich hierzu etwas präziser äußern führt.

Vor einiger Zeit bekam das Oskar Lafontaine zu spüren. In der ARD-Talkshow Anne Will sagte er in einem Disput über die »Altkommunisten« in der Partei Die Linke mit dem bayerischen Ex-Ministerpräsidenten Günther Beckstein: »Sie haben eine überzeugte Jungkommunistin zur Kanzlerin gewählt. Ist Ihnen das überhaupt klar? Denn Frau Merkel war FDJ-Funktionärin für Propaganda und Agitation … Und sie durfte in Moskau studieren. Das waren nur Linientreue.«

Ja nun, der Lafontaine. Unfair war das! Hat auch der Plasberg gesagt. Ich weiß nur, dass Angela gern in der FDJ war. Das hat sie nämlich dem Günter Gaus im Fernsehen gesagt. Die Genossen hatten ihr nämlich auch beim Unzug geholfen und so. Und das war doch damals in der DDR so: entweder Du hast mitgemacht, oder aus Dir ist nichts geworden.

Da hat sie eben mitgemacht. Und dann ist auch ganz schön was geworden aus ihr. Sekretärin für Agitation und Propaganda. Keine 30 Jahre alt – das war schon etwas!

Heute ist Angela Merkel Bundeskanzlerin. Das ist sie schon mit 49, keiner der Männer war jemals jünger als sie in diesem Amt. Na klar: wenn sich Geschichte wiederholt, dann als Tragödie oder als Farce. Marx hatte vergessen hinzuzufügen, dass selbstverständlich auch beides gleichzeitig möglich ist.

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