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Bohrer und Raspel: Die Geheimnisse von Giacomettis „Frau auf dem Wagen“

Photograph of Alberto Giacometti by Henri Cart...
Image via Wikipedia

Seine Figuren sind grazil, schlank und stehen aufrecht auf ihren Sockeln. Seine Vorzeichnungen zu den Kunstwerken kritzelte er auf die Seiten von Zeitschriften oder die Rückseite von Briefen. Und er war interessiert an der Kunst im Nachkriegsdeutschland – Facetten von Giacometti, denen man momentan im Duisburger Lehmbruck-Museum begegnen kann.

Für die Dauer der Ausstellung hat das Wilhem-Lehmbruck-Museum jeden Freitag bis 20:00 Uhr geöffnet und bietet zusätzlich als kleinen Anreiz auch zu später Stunde noch Kultur zu erleben eine Veranstaltungsreihe an, die Aspekte des Künstlers aufzeigen. Ein ganz besonders extravagantes Thema wurde von Diplom-Restaurator Hans Portsteffen, Fachhochschule Köln, vorgestellt: Das Anwenden der Röntgentechnik in der Kunstwissenschaft. Ein Thema, das für einen vollbesetzten Vortrags-Raum sorgte.

Unter dem Gips

Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte der Röntgenstrahlung und deren physikalischen Hintergrund – so durchdringen die Strahlen dichtes Gewebe weniger stark als etwas leichteres – folgten einige Beispiele für die Anwendung der Technik in der modernen Kunstwissenschaft. Dass Diplom-Restaurator Portsteffen seinen Beruf liebt wurde durch die zahlreichen Fallbeispiele belegt. So interessant diese allerdings auch waren, eine Kürzung an dieser Stelle würde dem Vortrag in der Zukunft gut tun.

Das Ausleuchten des Innenlebens der „Frau auf dem Wagen“ sei seine letzte analoge Röntgentätigkeit gewesen leitete Portsteffen dann den letzten Teil seines Beitrages ein, heutzutage mache er dies digital. Diese Röntgenaufnahmungen habe er in der Nacht tun müssen, da Röntgenstrahlung in hoher Dosis den Menschen schade und er habe einige Probeaufnahmen machen müssen bis er den richtigen Abstand und die richtige Strahlenstärke herausgefunden habe. Giacomettis grazile, schlanke Figuren können unmöglich von selbst stehen – sofern sie aus Gips oder leichterem Material geformt sind. Daher brauchen sie eine Art Skelett, dass der Künstler vorher erstellt damit die Figur trägt. „Die Frau auf dem Wagen“ habe dem Wissenschaftler zumindest ein Rätsel aufgegeben: Was sind das für sägeartige Strukturen im unteren Bereich der Beine?

Überraschende Entdeckungen

Die Erkenntnis: Giacometti, der nach der Phase der kleinen Miniaturfiguren die „Frau auf dem Wagen“ als erste Großplastik schuf, arbeitete zwei Werkzeuge für die Stabilisierung der Plastik ein. Im Kopf befindet sich ein Handbohrere und diese seltsame Struktur rührt von einer Raspel her – ohne Holzgriff. Ein Draht lief von unten nach oben, den Giacometti dann nach der Fertigstellung abknipste. Zudem ist der solide wirkende Sockel hohl – ein Maschendrahtgebilde wurde vom Künstler mit Gips ummantelt. Diese Merkmale sind einzigartig, denn bei den späteren Plastiken findet man nur noch normale Eisenstäbe.

Überraschende Erkenntnisse konnte man noch nach dem Vortrag des Kölner Wissenschaftlers aus dem Mund von Gottlieb Leinz, dem stellvertretendem Direktor des Lehmbruck Museums und Kurator der Ausstellung erfahren. Die Röntgenaufnahmen habe man vor einem Jahr hergestellt als man die Ausstellung konzipierte. Denn man wollte wissen ob und wie die „Frau auf dem Wagen“ transportabel sei. Das Ergebnis: Man kann die Plastik nur mit dem Wagen rollen, anders geht es nicht. Desweiteren hätte man gerne die Ausstellung nach Frankreich weitergegeben, doch die „Frau auf dem Wagen“ sei wegen der Arme, die nur aus Gips bestünden, einfach unmöglich. Selbst Dämmstoffe könnten hier nur Schaden anrichten.

Alles in allem ein faszinierender Einblick in die Arbeitsweise von Giacometti, wenn auch der Vortrag eine leichte Kürzung vertragen hätte – nach dem fünftem Beispiel ist man doch etwas ermüdet. Zudem wäre die Installation eines Mikrophons erwägenswert. Bis zum 18. April werden die Werke von Giacometti im Lembruck-Museum ausgestellt, die Termine für die nächsten freitäglichen Vorträge findet man auf der Homepage des Museums.

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