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Politische Heimat

Als gäbe es in Deutschland keine dringenderen Probleme zu lösen, wird neuerdings in allen Parteien bis hin zu den Grünen eine Meta-Diskussion über den Begriff „Heimat“ geführt. Dabei gibt es vermutlich so viele individuelle Definitionen, wie es Menschen gibt.
 
Schon alleine die Diskussion unter Duisburgern, was ihre Heimat sei, wird vermutlich ein breites Meinungsspektrum hervorrufen. Die einen lassen nichts auf ihr geliebtes Duisburg mit all seinen Fehlern kommen, halten den Zebras in jeder Liga die Treue. Andere verbindet eine Hassliebe mit Duisburg; sie wollten eigentlich immer schon weg, sind aber einfach hängen geblieben. Dieses Phänomen gibt es übrigens auch in deutlich beliebteren Städten mit ausgeprägtem Lokalpatriotismus: Da sind die Münchener Grantler, deren notorisch schlechte Laune eigentlich schon das in Wahrheit zärtlich gemeinte bayrische Lokalkolorit ausmacht, da sind Schriftsteller wie Heinrich Heine und Heinrich Böll, die zu ihren Heimatstädten ​eine Art Hassliebe pflegten, der muffige Hamburger Wasserträger Hans Hummel antwortete, wenn die Kinder ihm „Hummel Hummel“ zuriefen, „Mors Mors“, was so viel bedeutet wie „Leckt mich am Arsch.“…
Und dann sind da noch die Homberger, die sich als feindlich übernommene Niederrheiner fühlen. Überhaupt die Frage: Gehört man jetzt zum Rhein oder zur Ruhr? Damit haben andere auch zu kämpfen – Dortmunder zum Beispiel, die sich eigentlich als Westfalen fühlen.

Rheinpanorama, die Duisburger Silhouette und die Häuser der Deichstraße: Die Rheinpromenade in Laar ist vielleicht die schönste in ganz Duisburg. Foto: Privat

Was soll ich da jetzt als zugereister Hamburger und Düsseldorf-Pendler sagen? Ich habe mir Duisburg bewusst ausgesucht, weil es viele Vorzüge hat, die für mich Lebensqualität ausmachen: niedrige Lebenshaltungskosten, Wochenmärkte und eine türkische Brautmodenmeile, wo es so südländisch wie auf einem Basar zugeht, eine sehr individualistische Gastronomie, zahlreiche innerstädtische Naherholungsgebiete mit viel Wasser und Grün, die teilweise avantgardistische Architektur des Innenhafens, trotz Industrieruinen und unverzeihlicher Bausünden immer noch dieses Wechselspiel von hinreißender Bausubstanz im Jugendstil und einer lieblichen Landschaft, die den Übergang von rheinischer Tiefebene und bergischen Hügeln markiert. Zugleich sehe ich auch die Defizite von Duisburg und merke, dass die Zeiten nicht einfacher für unsere hoch verschuldete, von Arbeitslosigkeit und Armutsmigration gezeichnete Stadt werden. Wäre nicht das Shoppingparadies Düsseldorf die Nachbarstadt, könnte man nicht mal einen schnellen Ausflug in beschauliche Städte wie Münster oder Koblenz machen, wäre man nicht auch mal schnell in den Niederlanden oder Belgien, dann würde ich es vermutlich nicht so gut mit Duisburg alleine aushalten. Ich bin mir aber auch bewusst, dass es ein großes Privileg ist, meine Meinung frei äußern zu dürfen, ohne dafür wie in der Türkei oder in China einen Gefängnisaufenthalt zu riskieren. Und ohne jetzt pathetisch werden zu wollen, bin ich auch stolz darauf, von einer so unprätentiösen Kanzlerin wie Angela Merkel regiert zu werden und nicht von einem Trump, Kim oder Erdogan.

Gewissermaßen bin ich „viel herumgekommen“ – ich habe in Hamburg und Umland, im Ruhrgebiet, in Frankfurt und Dresden gelebt, also Erfahrungen gemacht, was einen West- von einem Ostdeutschen und einen Nord- von einem Süddeutschen unterscheidet. Vielleicht bin ich deshalb etwas nachsichtiger gegenüber den Sachsen, die die TITANIC und DIE PARTEI am liebsten gnadenlos mit einer Mauer als „antifaschistischem Schutzwall“ wieder einzäunen würden. Zugleich hat es mich jedoch nie zum Leben ins Ausland gezogen. Ich finde die deutsche Mentalität manchmal etwas zu behäbig, bin aber auch dankbar, wenn ich in meiner behäbigen deutschen Mentalität in Ruhe gelassen werde. Der Deutsche an sich neigt nicht zur Revolution – mit Revolution ginge es gerechter zu, aber zugleich könnte man sich als Mensch schlechter in seinem beschaulichen Leben einrichten.
Damit sind wir bei einem wichtigen Aspekt angelangt, den man meines Erachtens verallgemeinern kann: Es ist alles eine Frage der Mobilität. Es gibt Menschen, die sehr eng mit ihrer Heimatstadt oder sogar ihrem Kiez verwoben sind, die einen Straßenzug von ihren Eltern entfernt oder sogar mit der Großfamilie unter einem Dach wohnen. Und dann gibt es das andere Extrem, zu dem ich auch mich nicht zählen möchte: überzeugte Europäer, deren Höhepunkt im Studium das ERASMUS-Programm ist, oder sogar Weltbürger, für die eine Staatsbürgerschaft eher eine Weste zum Wechseln ist. Da gibt es kein „richtig“ und kein „falsch“. Niemand sollte auf seine alten Klassenkameraden herabschauen, die mit Haus und Hof fest heimatverwurzelt geblieben sind. Und umgekehrt, die Missgunst gegenüber globalisierten Menschen hat die hässliche Fratze des Antisemitismus hervorgebracht, der Unrast für eine jüdische Eigenschaft hielt und gar an eine Weltverschwörung einer globalen Finanzelite glaubte.
Vielleicht sollte man Heimat weniger ortsgebunden definieren, sondern den Wunsch des Menschen in den Vordergrund stellen, irgendwann im Leben „anzukommen“. Da spielen viele andere Aspekte eine Rolle, zum Beispiel die Jobsicherheit. Meine Generation (ich bin 40) wurde immer gerne als „Generation Praktikum“ bezeichnet – jedenfalls ist sie die Generation, der ohne Skrupel unsichere Stellen und Lohndumping zugemutet werden. Ich müsste sehr lügen, wenn ich behaupten würde, dass es mir Spaß gemacht hat, wenn sich Kollegen kurz vor der Rente alles erlauben durften, während es Vorgesetzte gab, die meinten, als junger Mensch habe man noch viel zu verlieren und sei deshalb nach Belieben formbar. In der Arbeitswelt gibt es immer noch eine Kultur, in der Menschen, die in ein paar Jahren eine üppige Rente mit 63 bekommen werden und sich die Zeit davor mit regelmäßigen Krankmeldungen sehr entspannt gestalten, der selbstverständlichen Meinung sind, sie hätte einen Anspruch, dies von einer Generation finanziert zu bekommen, die bis 70 und älter schuften muss und dann dank Riester in großem Stil von Altersarmut bedroht sein wird. Ich finde, wenn man etwas aus sich gemacht hat, eine gute Ausbildung abgeschlossen plus für Geld gearbeitet, sind das nicht die Existenzängste und der Verdrängunngswettbewerb, die ein großer Teil unserer Gesellschaft verdient.
In strukturschwachen Regionen – das betrifft weite Teile Ostdeutschlands ebenso wie das nördliche Ruhrgebiet – haben die etablierten Parteien keine Perspektive mehr anzubieten, mit der die Lebensverhältnisse besser oder zumindest nicht schlechter werden. Werden die Menschen dort arbeitslos und haben womöglich eine Familie zu ernöhren, dann wissen sie nicht mehr ein noch aus. Statt abstrakt über Heimat zu schwafeln, muss hier konkret an einer neuen Heimat im Leben gearbeitet werden. Und ich denke, dass das nicht geht, ohne verdammt viel Geld in die verlorenen Regionen zu investieren. Ansonsten wird sich der Teufelskreis, dass laufend Abgaben erhöht werden müssen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu stemmen, und dadurch wiederum Firmen abgeschreckt werden, immer weiter verstärken. Ich bin ja selber oft genug über den Kleinmut der hiesigen SPD frustriert – aber ich weiß auch, dass sie ihren Job mit Sicherheit nicht besser machen wird, wenn sie noch weniger Geld zum Ausgeben hat als jetzt ohnehin schon. An die Schock-Theorie, nach der Duisburg so am Abgrund stehen muss wie Detroit, damit jede Kürzung akzeptiert wird, auf dass die Stadt wieder gesunde, glaube ich wirklich nicht. Im Gegenteil, durch ein noch radikaleres Kürzungsprogramm als jetzt schon würden noch mehr Menschen vor die Hunde gehen. Auch wenn da einige weniger helle Köpfe dabei sind, die es selbst verbockt haben: „Nehmt die Menschen, wie sie sind – es gibt keine anderen!“ (Konrad Adenauer)
Außerdem muss ein Weg gefunden werden, um den Zuzug unqualifizierter Zuwanderer zu stoppen. Es ist nicht im mindesten rechts, nein es ist sogar links, wenn man Arbeiterkindern ein Recht zugesteht, dass in der Klasse Deutsch als Muttersprache gesprochen wird und Fremdsprachen als Fremdsprachen gelten. Es wäre geradezu kommunistisch, wenn man manchen grünen Fundi-Karrieristen endlich mal einen Arschtritt verpassen würde, damit sie endlich selbst nach Hochfeld oder Bruckhausen ziehen, anstatt nur aus sicherer Entfernung in den Hochburgen der Bionade-Bourgeoisie und der Latte-Macchiato-Mütter klug von Multikulti daherzuschwätzen und ihre eigenen Kindner in ausländerfreie Klassen zu schicken.
Um zum Schluss zu kommen: Lasst mal schön Eure Heimat stecken, an den Taten werdet Ihr gemessen! Und mit einem modernen Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild, wie es die FDP fordert, können wir alle gut leben. In einem Land, in dem die Menschen wenig Kinder kriegen, brauchen wir einfach qualifizierte Zuwanderung, um das Rentenloch zu stopfen. Niemand, der etwas kann, wird jemandem, der nichts kann, seine Stelle wegnehmen – um mal auf den Punkt zu bringen, warum diese vorwiegend in rechtsradikalen Kreisen zum Besten gegebene Angst unbegründet ist.  Aber was wir uns, so wohlhabend wir im Moment auf dem Papier noch sein mögen, definitiv nicht leisten können: eine jährliche Zuwanderung von Menschen, die über viele Jahre auf soziale Transferleistungen angewiesen sein werden und damit die Leistungsfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme weiter schmälern. Wer diesen Sachverhalt schönredet, muss sich nicht wundern, wenn die Wähler ihm irgendwann nicht mehr glauben. Wir alle, die wir uns in letzter Zeit mal beworben haben, wissen: Die deutschen Arbeitgeber sind sehr anspruchsvoll – sie freuen sich über hochqualifizierte Einwanderer; aber wenn sie schon viele von uns nicht einstellen würden, weil sie nach dem Motto „Prinzessin auf der Erbse“ kein perfektes Gefühl haben, würden sie erst recht auf eine Masseneinwanderung nur dann positiv reagieren, wenn wir den gesetzlichen Mindestlohn total aufweichen würden. Und ich hoffe sehr, dass keine deutsche Regierung in den nächsten Jahrzehnten vorhat, diesen ohnehin sehr bescheidenen Mindestlohn abzuschaffen.
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