Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

Sören Link – ein Oberbürgermeister verbreitet Abbruchstimmung

Nach einem Bericht in der dieswöchigen WAZ sind umfangreiche Umbaumaßnahmen in Duisburg-Marxloh geplant, um gegen die Armut und Arbeitslosigkeit im Quartier vorzugehen. Dabei befürwortet Oberbürgermeister Sören Link ausdrücklich den Abriss so genannter „Schrottimmobilien“ in Henrietten-, Hagedorn-, Rolf- und Kaiser-Wilhelm-Straße. Als Vorbild nennt er das derzeitige Quartiersmanagement in Laar. Die neue Nutzung der frei werdenden Flächen wolle er nicht pauschal beantworten, denkbar seien Wohngebäude, Parkplätze oder Grünflächen.

Marxloh: ​Von Untergangsstimmung​ ist auch in den Seitenstraßen der Weseler Straße wenig zu spüren. (Foto: Katrin Gems)

Selten hat ein Oberbürgermeister in so wenigen Sätzen so prägnant zusammengefasst, was in seiner Regierungszeit in der Entwicklung von Quartieren schief läuft und welch negative Wirkung seine Geisteshaltung auf die Duisburger Stadtplanung hat. Doch der Reihe nach: Die „Schrottimmobilie“ ist, ebenso wie die „No-Go Area“, zu einem inflationär verwendeten politischen Kampfbegriff geworden, der von vornherein eine diffamierende Zielrichtung verfolgt und dringenden Beseitigungsbedarf suggeriert, anstatt zu beschreiben und zu erklären. Da ich mir einen eigenen Eindruck vor Ort machen wollte, bin ich die genannten Straßenzüge einmal abgegangen. Die Gebäude machten von außen eigentlich einen ziemlich normalen Eindruck, halt der übliche Ruhrpott-Mix aus etwas angegrauten, aber durchaus ansprechenden Altbauten und zweckmäßigen Nachkriegswohnhäusern, die aber nicht annähernd so heruntergekommen wirken wie viele Gründerzeit-Häuser der ehemaligen DDR zum Zeitpunkt der Wende. In den genannten Straßen befinden sich einige der mit osteuropäischen Einwohnern überbelegten, von der städtischen „Task Force“ geräumten Häuser, von denen einzelne bereits wieder saniert wurden, also sich offenbar nicht in abbruchreifem Zustand befanden. Wie kommt Herr Link also zu dem Schluss, dass hier ganze Straßenzüge nicht mehr zu retten seien? Hat er diese Immobilien einer fachmännischen Untersuchung unterzogen? Oder macht die Tatsache, dass in einem Haus mal viele Roma zu menschenunwürdigen Bedingungen gehaust haben, sozusagen den menschlichen „Schrott“wert aus? Fragen muss man ja mal, ob dies so gemeint ist, wo doch Herr Link vor gar nicht allzu langer Zeit von sich gegeben hatte: „Ich hätte gerne das doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“ Überhaupt konnte ich bei meinem Marxloh-Besuch keine Zeichen eines weiteren Niedergangs erkennen. In der Weseler Straße waren ein paar Brautmoden-Schaufenster renoviert wurden, neue Herrenausstatter hatten eröffnet, nach wie vor praktisch keine Leerstände, ich sah weder noch roch ich wilde Müllkippen, und marodierende Banden liefen auch nicht durch die Gegend.

Laar: Der unmotivierte Abriss hat eine hässliche Lücke in die Friedrich-Ebert-Straße gerissen.

Dann der nächste Klopper: Vorbild Laar. Hat man die „Erfolge“ des dortigen Quartiersmanagements verfolgt, muss man sich fragen: Warum um Himmels willen zitiert der Oberbürgermeister jetzt Laar? Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich kurz vor der Wahl die Jahre sinnbefreiter Abrissplanungen und geförderten Stillstandes schamhaft verschwiegen. Das einzige deutlich sichtbare Ergebnis ist ein abgerissenes Haus auf der Friedrich-Ebert-Straße, auf dessen Grundstück bereits munter das Unkraut aus dem Boden sprießt – eine schwärende Wunde mitten im Herzen des Stadtteils. Dabei sollten ausgerechnet in der Hauptachse des Viertels ein ganzes gründerzeitliches Ensemble, das sich sicher nicht mehr in frischestem Zustand befand, aber doch einem Quartier ohne wirkliches Zentrum eine Struktur verlieh, für eine grüne Wiese abgerissen werden. Dies scheiterte jedoch ebenso am Widerstand von Grundstückseigentümern wie die kuriose Idee, dass die bunten Häuser an der Deichstraße direkt am Rheindeich einen einheitlichen weißen Anstrich benötigen könnten. Wenn man aus Erfahrung klug wird, dann hätte doch Herr Link aus Laar lernen müssen, was heute nach den bitter bereute Fehlern der Nachkriegsteit eigentlich städtebaulicher Standard ist, dass die großflächige Überplanung des gewachsenen Baubestandes keine sinnvolle städtebauliche Lösung ist.

Den planerischen Offenbarungseid bringt dann allerdings seine Aussage ans Tageslicht, er wisse nicht, was an die Stelle der abgerissenen Häuser kommen solle – ob andere Häuser, Parkplätze oder Grünflächen. Wie kann man Lücken ins Stadtbild reißen wollen – und damit sämtliche Eigentümer und Mieter in Angst und Strecken versetzen, ob ihnen ihre Wohnung weggenommen wird -, ohne einen Plan zu haben, was diese in absehbarer Zeit füllen soll? Man kann anscheinend, wenn man Sören Link heißt. Da muss man sich nur mal die Mercatorstraße oder die Koloniestraße anschauen, hier wurden blindwütig ohne jegliche Notwendigkeit alte Platanenalleen vollständig abgeholzt, nur um an Förderprogrammen für den Straßenbau teilzunehmen. Auch der für den Sommer versprochene Ausbau des Kantparks lässt, nachdem die Fällung der markierten Bäume gar nicht schnell genug gehen konnte, noch auf sich warten. Oder das aufgerissene Mercatorquartier – wenn schon Städte wie Frankfurt am Main oder Dresden über viele Jahre mit vielen Problemen gerungen haben, um einzelne Häuserzeilen unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes durch Investoren rekonstruieren zu lassen, dann frage ich mich, ob Link überhaupt eine leise Ahnung hat, was da in einer aus Investorensicht schwierigen Stadt wie Duisburg auf ihn zukommen wird. Duisburg ist zu einem Ort der verwaisten Stadtbrachen geworden, da auch viele bereits unter Adolf Sauerland angefangene, wenn auch nicht immer wirklich durchdachte Projekte immer noch keinen sichtbaren Fortschritt verzeichnen können. Die Baugrube am Marientor, das Eurogate am Innenhafen, die Waterfront in Ruhrort sind nicht nur ästhetische Schandflecken, sondern stehen über viele Jahre der positiven Entwicklung ganzer Quartiere im Wege. Den bereits länger zurück liegenden Mitteilungen, dasss jeweils ein Investor bereit stehe, kann man nicht mehr vertrauen, wenn nicht wie aus anderen Großstädten gewohnt, in absehbarer Zeit die Bagger angerückt kommen und endlich ein sichtbarer Baufortschritt sichtbar wird.

Innenstadt: Dass die alten Platanen der Mercatorstraße trotz laufenden Bürgerbegehrens gefällt wurden, rief viel Unmut hervor.

Sören Link wusste, zumal Duisburg seine Heimat ist, dass er eine Stadt mit vielen Problemen und wenig Geld übernommen hat. Er ist gewählt worden, weil Menschen die Hoffnung in ihn gesetzt haben, Probleme zu lösen. Die oft komplexen Gemengelagen erfordern eine gesunde Kombination aus Ideenreichtum, Realismus, Führungsstärke, Interesse an Belangen des Bürgers und Kompromissfähigkeit in politischen Gremien – Fähigkeiten, die Sören Link leider fehlen. Bürgerbeteiligung wie auf dem Bahnhofsvorplatz oder im Kantpark mutet als Farce an, wenn die umstrittene Fällung vieler Bäume überhaupt nicht zur Disposition gestellt wird. Entscheidungen werden ohne Duldung von Kritik und ohne „lästige“ Diskussionen über Einzelheiten im Wege des Dringlichkeitsbeschlusses durch politische Gremien gepeitscht – wer dabei als Mehrheitsbeschaffer der Duisburger SPD dient, ist egal.

Stattdessen sucht Link die Verantwortung für Missstände, wie die desolate soziale Situation der zugewanderten Roma, ausschließlich bei anderen. Wenn ihm seine Stadt zu sehr zur Last fällt, rennt er verzweifelt gegen sie an und wundert sich, warum er mit dieser Methode nicht vorankommt, sondern Widerstände erzeugt und Menschen verprellt. Nicht anders lässt sich erklären, dass den Protesten gegen städtische Baumfällungen die trotzige Abschaffung der Baumschutzsatzung folgte. Dass er in einem flächendeckenden innerstädtischen Alkoholverbot ein Allheilmittel zur Beseitigung einer Trinkerszene sehen konnte. Dass er, während selbst das konservative politische Lager, dem man kein ideologisches Interesse an alternativen Wohnprojekten nachsagen kann, nach einem Kompromiss suchte, ungerührt die Kündigung eines langjährigen Bauwagenplatzes in Homberg durchzog. Oder dasss er jahrelang an einem immer mehr zur Farce werdenden Factory Outlet in Hamborn mit einem windigen Projektentwickler und ungelösten Sicherheitsproblemen festhielt, welches den Abriss der bewohnten Zinkhüttensiedlung erfordert hätte. Nachdem dieses Projekt absehbar gescheitert ist, wird der tote Gaul neu geritten und den Duisburger Geschäftsleuten die Planung eines Designer Outlet, welches die ohnehin knappe Duisburger Kaufkraft aus der gewachsenen City abziehen wird, am seit Jahren brach liegenden ehemaligen Güterbahnhof vor den Latz geknallt. Das ist mehr als ärgerlich, denn es gäbe dringenden Handlungsbedarf in den noch zu Sören Links Amtsantritt blühenden Cityrandlagen rund um Sonnenwall und Wallstraße, in denen während seiner Amtszeit binnen weniger Jahre ein alteingesessenes Geschäft nach dem anderen geschlossen hat. Die über viele Jahre andauernde Unsicherheit, ob ein Großprojekt einen erheblichen Teil an Duisburger Kaufkraft abziehen wird, verhindert Investitionen und lähmt somit nachhaltig die Entwicklung der gesamten Innenstadt. Um so unbegreiflicher, mit welcher Gleichgültigkeit Sören Link die massiven Bedenken aus der Duisburger Kaufmannschaft und aus unterschiedlichen politischen Lagern in den Wind schlägt.

Auch zur Aufwertung des Duisburger Nordens können Abrissbirne, eine Task Force gegen „Schrottimmobilien“ und Großprojekte nicht die Lösung bringen. Quartiere wie Meiderich, Alt-Hamborn, Ruhrort, Homberg oder auch Marxloh weisen einen großen Bestand an prächtigen Bürgerhäusern der Kaiserzeit und Alleen auf, der eine Idee vom einstigen Wohlstand Duisburgs vermittelt. In vielen anderen Großstädten sind solche Immobilien heiß begehrt und führen Vielfalt und Lebendigkeit multikultureller Viertel zu Gentrifizierungsprozessen. Wann wird es endlich auch in Duisburg möglich sein, sich auf diese Kostbarkeiten rückzubesinnen und im Bestand zu arbeiten, anstatt Altes zu zerstören und Luftschlösser zu planen? Öffentliche Plätze zu gestalten statt zu verwalten? Noch ist es nicht zu spät – nur traue ich angesichts der zuhauf gemachten Erfahrungen dem Amtsinhaber im Falle seiner Wiederwahl nicht mehr zu, dass noch ein Umdenken und Umsteuern stattfände.

Die mobile Version verlassen