Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

Duisburger, auf die Barrikaden!

Anderthalb Jahre nach der Abholzung der Mercatorstraße wurden nun auch an der Koloniestraße in Neudorf ein Teil des Baumbestandes vernichtet. Weitere Fällungen in Meiderich sind beschlossene Sache. Anlass sind die Fördermittel, die der Bund den Städten für die Erneuerung von Straßen zur Verfügung stellt – wobei in Duisburg, seltsamerweise im Gegensatz zu anderen Großstädten, immer Bäume im Weg stehen. Währenddessen, auf einer anderen Baustelle der Stadtentwicklung: Der Einzelhandel, der schon durch jahrelange Debatte um das Multi Casa in Schach gehalten worden war und nach dem abgesagten Factory Outlet Center im Hamborn kurzzeitig aufatmen durfte, muss nun darum bangen, dass ihm an der Duisburger Freiheit, wo ein Höffner-Möbelhaus geplant war, ein FOC für ruinöse Konkurrenz sorgt. Zeit für einen politischen Ausblick

Vor der Fällung – Foto: Johannes Meßer

Als ich mich damals gemeinsam mit dem BUND und den Grünen für den Erhalt der Platanen an der Mercatorstraße engagierte, wurde unsere Bürgerinitiative von vielen Unterstützerinnen und Unterstützern getragen, auch solchen, die sonst wenig mit den Grünen oder der Umweltschutzbewegung am Hut haben, die aber das gewachsene Duisburger Stadtbild bewahren wollten. Groß war die Empörung über die Arroganz und Ignoranz, die darin zum Ausdruck kam, dass trotz eines sehr erfolgreich angelaufenen Bürgerbegehrens großes Gerät aufgefahren wurde, nachdem protestierende Baumschützer von einem Großaufgebot der Polizei weggetragen worden waren, das man sich, Gruß an den Duisburger SPD-Chef und nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger, gerne zu Silvester am Kölner Hauptbahnhof gewünscht hätte.

Während es damals immer noch einige Unverbesserliche gab, die die Verengung der Mercatorstraße für ein Bürogebäude (für das bis heute kein Investor gefunden ist) nach dem diffusen Motto „da entsteht was Neues, aber einige Bedenkenträger müssen ja immer meckern“ vehement gegen alle Widerstände verteidigten, tendiert die politische Akzeptanz, je mehr schöne Alleen für nichts und wieder nichts abgeholzt werden, außerhalb der Planungsverwaltung und der politischen Gremien zusehends gegen Null. Zu offensichtlich ist, dass die „Verjüngung“ von Alleen mit einem Handstreich, um Geld für die Baumpflege zu sparen, einfach nicht das richtige Konzept sein kann, um das Ruhrgebiet langfristig attraktiv zu machen. Die hässlichen Bilder lassen sich nicht schönreden – wenn schlichte Nachkriegsblöcke, die bisher vom Grün verdeckt wurden, nun freigelegt werden und sich davor ein Anblick von Asphaltgrau und verrottenden Baumstümpfen auftut, spricht das für sich und wird das Auge jedes Menschen mit nur ein wenig Sinn für Ästhetik grob beleidigt.
Während die negativen Kommentare im Internet immer eindeutiger das Bild bestimmen, scheint gleichzeitig bei vielen Bürgerinnen und Bürgern eine Resignation nach dem Motto „die machen sowieso was sie wollen, weil sie sich für unseren Willen nicht interessieren“ eingetreten zu sein. So verständlich dies ist: Wenn wir eine andere Politik in Duisburg wollen, müssen wir weiter deutlich sichtbar dafür eintreten! Wir müssen den Finger in die Wunde legen, indem wir einen „Neuanfang für Duisburg“ einfordern, der diesen Namen verdient. Die großen Volksparteien wird es nicht jucken, wenn die Wahlbeteiligung am Ende fünf Prozent beträgt, aber sie ihre Leute wie bisher mit Posten versorgen und ihre Beschlüsse mit immer weniger Gegenwind durch die politischen Gremien jagen können. Endlich ungestört regieren, wird es dann hinter vorgehaltener Hand heißen – wollen wir das wirklich?
Ein ähnliches Bild zeichnet sich derzeit in der Outlet-Debatte ab: Das FOC in Hamborn kann einerseits aufgrund diverser unüberwindbarer Hindernisse – der Störfall-Problematik der nebenan gelegenen Grillo-Werke, aber auch der Unzuverlässigkeit des Projektentwicklers Douvil – als an sich selbst gescheitert geltern. Der andere Teil der Wahrheit aber ist: Die Bewohner der zum Abriss freigegebenen Zinkhüttensiedlung übten mit ihren zu jeder Stadtratssitzung stattfindenden friedlichen Lärmdemos vor dem Rathaus nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“ einen gewissen politischen Druck aus. Und dass der hoch ehrwürdige Architekt und Immobilienunternehmer Walter Brune sich erst im Einklang mit dem Duisburger Einzelhandelsverband öffentlich für das Gegenkonzept eines City Outlet stark machte und dann später das Zinkhütten-Areal aufkaufte, um eine Aufwertung mit den Einwohnern und mit der vorhandenen Bausubstanz zu entwickeln, zeigte deutlich auf, dass es bessere Alternativen zu der radikalen Wohnraumvernichtung gab.
Während es tatsächlich noch einige gab, die davon überzeugt waren, dass das Hamborner Konzept dem Duisburger Norden eine große Chance bieten und Arbeitsplätze bieten würde und dass dem gegenüber der Bestandsschutz der „Zinkies“ zurückzustecken hätte, scheint bei manchen ein Lerneffekt stattgefunden zu haben und fallen die Reaktionen auf die Outlet-Pläne an der Duisburger Freiheit jenseits der GroKo-Zirkel im Rathaus vernichtend aus. Niemand glaubt ernsthaft, dass Kunden, die im FOC das geshopped haben, was sie sonst auch in der Innenstadt bekommen hätten, anschließend noch auf der Königstraße, am Sonnenwall und an der Münzstraße bummeln gehen und ihre Kreditkarte glühen lassen. Nein, die Konkurrenz wird für viele weitere inhabergeführte Geschäfte das Aus bedeuten und die ohnehin schon dramatischen Leerstände in den Cityrandlagen weiter vorantreiben. Und dennoch, obwohl viele zu Recht befürchten, dass dieses Projekt den verbliebenen Läden, die bisher dem Leerstand trotzen konnten, den Rest geben wird, formiert sich bislang kein sichtbarer politischer Widerstand. Wenn es so weiter geht, müssen wir mit einem „Durchmarsch“ rechnen – unsere Volksvertreter haben endlich das Volk besiegt und uns den Willen eines Investors aufgezwungen.

Nach der Fällung – Foto Jens Schmidt

Welche Konsequenzen soll man also ziehen, wie kann man sich dafür engagieren, dass Duisburg vor diversen verantwortungslosen Stadtplanungen geschützt wird? Die Strategie der Demotivation und Demobilisierung – so lange neue Säue durchs Dorf treiben, bis sich niemand mehr dagegen wehrt – sollten wir nicht aufgehen lassen. Wir sollten nicht zulassen, dass sich unsere Stadtplanierer am Ende zufrieden hinstellen und sagen: „Endlich haben die Wutbürger es eingesehen, dass wir Recht hatten!“ Besonders, wer unmittelbar oder mittelbar betroffen ist, muss sich zur Wehr setzen! Bei den Bäumen kann nicht eindringlich genug appelliert werden: Der Fällwahn kann nur gestoppt werden, indem viele von uns auf die Straße gehen und damit ein deutlich sichtbares Zeichen setzen. Denn jede schwach besuchte Demonstration wird von den Akteuren händereibend als Eingeständnis interpretiert: „Diese paar Baumfreaks sind nicht der Rede wert.“

Und ganz besonders die Anlieger sind hier gefragt! Manche gehen ja davon aus, dass es am BUND ist, sämtliche Aktionen zu initiieren. Das funktioniert aber so einfach nicht, denn man muss wissen: Die Gesichter von Kerstin Ciesla und Johannes Meßer sind im Duisburger Rathaus hinlänglich bekannt, die der aktiven Grünen-Politiker auch. Niemanden im Rathaus würde es beeindrucken, diese mal wieder auf den Zeitungsfotos zu sehen, zusammen mit einem überschaubaren Kreis, der regelmäßig an diversen umweltpolitischen Aktivitäten teilnimmt. Da erzielen die egoistischen Baumfeinde, die es auch gibt, die die Bude eintelefonieren, bis ein lästiger im Weg stehender Baum gefällt wird, dann mehr Aufmerksamkeit. Erst ein längerer Demonstrationszug oder viele Unterschriften unter einem Bürgerbegehren setzen ein deutliches Signal. Deshalb sind wir alle gefragt – jeder, dem die Duisburger Beton-Politik stinkt, sollte selbst aktiv werden, Sympathisanten gewinnen und bei den Aktionen der anderen mitmachen, anstatt sich darauf zu verlassen, dass die anderen es schon für ihn tun werden.

Gerade der BUND ist ja als basisdemokratische Organisation, wenn er von der Stadt mehr Bürgerbeteiligung einfordert,  zugleich darauf angewiesen, dass die Bürger sich auch tatsächlich beteiligen. Denn sich anzumaßen, „Wir sind das Volk!“ zu rufen und damit stellvertretend für eine unsichtbare Mehrheit zu sprechen, das bleibt mal schön gewissen anderen politischen Gruppierungen vorbehalten. Zudem sind die personellen Ressourcen des BUND begrenzt: Die dort Aktiven agieren ehrenamtlich, bekommen also im Gegensatz zu unseren Stadtplanern und Stadtplanierern kein Geld dafür und müssen ihre Aktivitäten, die oft mit viel zeitraubender Kleinarbeit verbunden sind, auf Feierabend und Wochenende verlegen. Wer selbst meint, wenig Zeit zum Engagieren zu haben, wird sich vorstellen können, dass andere „eigentlich“ auch wenig Zeit haben, es aber trotzdem tun – nur, wenn viele ebenso denken, wird da eine starke Gruppe draus.

Nicht anders sieht es beim Outlet aus. Mir ist schon bewusst, dass bei vielen Geschäftsleuten aus Sorge um ihre Existenz die Neigung groß ist, sich mit der Stadtspitze zu arrangieren. Man hofft, wenn man „nett“ ist, dass vielleicht doch noch ein bisschen was für die eigenen Belange getan wird. Jedenfalls möchte man nicht bei den Machthabern in Ungnade fallen. Aber da kann ich nur sagen: Liebe Händler, Eure Existenz riskiert Ihr, wenn Ihr jetzt nicht den Mund aufmacht und verhindert, dass ihr von diesem Großprojekt kannibalisiert werdet! Wenn das einmal da ist, dann ist es zu spät – Ihr werdet nichts mehr dafür tun können, dass es wieder geschlossen wird.
Wer sich wehrt, muss mit der Uneinsichtigkeit der verantwortlichen Entscheidungsträger rechnen. Gerne wird einem entgegengehalten, dass die Stadt doch Angebote zur Bürgerbeteiligung anbiete, z.B. für die Bahnhofsplatte oder den Kantpark oder auch die Ideensammlung für das Stadtmarketing, und man sich doch besser „für“ diese Projekte im vorgegebenen Rahmen einsetzen, als „gegen“ das opponieren solle, was nun mal alternativlos sei. Da kann ich nur entgegnen, dass man sich von der Duisburger Politik nicht diktieren lassen sollte, zu welchen politischen Themen man in welchen Grenzen seine Meinung äußern darf und zu welchem man bitte seine Klappe halten soll. Leider erfüllen diese Verfahren auch eine gewisse pseudodemokratische Alibi-Funktion: Wer tagelang darüber gebrütet hat, wie sich die Bahnhofsplatte begrünt werden soll, wird sich mächtig verkohlt vorkommen, wenn er nachher eröffnet bekommt, dass die Mercatorstraße nebenan gefällt werden soll. Und die Vorgaben, dass für den Kantpark sündhaft teure Landschaftsarchitekten gesetzt sind und es ohne eine massive „Auslichtung“ des Baumbestandes nicht gehen solle, steigern auch nicht unbedingt die Freude jedes Baumliebhabers am Mitmachen. Politisches Agieren bedeutet, sich nicht einfach mit einer ehrenamtlichen Verpflichtung fremdbestimmt auf Trab halten zu lassen, sondern Farbe zu bekennen und auch mal gegen den Mainstream anzugehen, wenn man ihn für grundlegend falsch hält.
Es ist manchmal frustrierend, gegen eine bürgerfeindliche Politik anzugehen, der es an Grundlegendem fehlt. Und dann zuzusehen, wie die gleichen Verhaltensmuster ohne Lerneffekt ungerührt fortgeführt werden, weil es für die entscheidenden Funktionäre offenbar am einfachsten ist, sich widerstandslos dem eigenen Parteiapparat zu beugen – zum Schaden der Stadt Duisburg. Und dennoch: Engagierte Bürgerinitiativen können einen Erfolg in ihrer eigenen Sache erzielen; und selbst, wenn sie ihr eigentliches Ziel nicht erreichen, üben sie nachhaltig politischen Druck aus und machen sichtbar, dass kein Einverständnis mit den politischen Entscheidungen besteht, die einem zugemutet werden. Es gibt nämlich ein wirksames Druckmittel gegenüber Politikern: Sie wollen wiedergewählt werden – und wenn sie zu viel Bockmist bauen, dann verlieren sie ihre Regierungsmehrheit oder zumindest politische Ämter. Nach Gutsherrenart regieren kann der jetzige Oberbürgermeister nur, solange er keinen starken Wettbewerber hat – wenn der einmal da ist, wird sich der politische Stil ändern müssen, oder es droht die Abwahl. In diesem Sinne, lasst uns gemeinsam für den Erhalt eines schönen Duisburg kämpfen, das wieder richtig auf die Beine kommt!
Die mobile Version verlassen