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Das Meinungsfeuer der FAZ im Fall Lamya Kaddor

Eine Ausgabe der Flensburger Zeitung liegt gefaltet auf einem blauem Zugsitz.

Liebe Regina Mönch,

es gibt Dinge, die eine Kolumne, eine Glosse oder andere Formate in Zeitungen bestimmt exzellent darlegen können. Und da diese Formate ja in der Regel nicht unbedingt mit Fakten unterfüttert werden müssen sondern reine Meinungsanteile sind – da kann ich dann auch etwas gnädiger sein, herrje, ich schreibe auch Kolumnen. Ich verstehe das schon, dass man ab und einfach nur ohne Daten und Fakten und Belege seine Meinung kundtun möchte. Das heißt: Was Sie in der FAZ so geschrieben haben, das kann man so machen.

Oder auch nicht.

Nein, ganz bestimmt so nicht.

Und ich kann Ihnen auch sagen warum: Weil das genau in die Meinungsmache spielt, die Journalisten wie Broder und Tichy, die derzeit die Galionsfiguren von Leuten sind, die Montags bei PEGIDA auftauchen – das kann ich jetzt nicht belegen, aber wenn ich mir die Meinungen so anschaue von beiden Seiten – nach dem Lesen der Texte musste ich allerdings rasch aufs Klo, weil mir so speiübel war, was da von Journalisten, ihren Kollegen im Stande ausgegossen wurde… Jedenfalls: Dass momentan rechte Meinungsmacher und Bürger, die offenbar Kaddors Meinungen als Angriff auf ihre persönliche Sicht der Dinge werten, wie Deutschland zu sein habe, dass diese offenbar überhaupt in diesem Land so eine riesige Welle von Aufmerksamkeit und „Recht haben Sie“-Rufen ernten stimmt mich nicht nur sehr besorgt sondern überaus besorgt. Noch mehr besorgt bin ich, wenn die FAZ offenbar sich dezent diesen „besorgten Bürgern“ anschließt.

„Eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Vorschlägen für unsere schöne neue Welt scheint ihr nicht zu behagen, was so neu nicht ist.“ – Wirklich eloquenter Satz, der nach der Einleitung einen Sprachraum eröffnet, der mir nicht behagt. Vor allem, weil er nicht mit Beispielen unterfüttert ist, die zeigen wie gut oder schlecht Kaddor mit Kritik umgeht. Nun ja, Sie schreiben ja auch nur ihre Meinung dahin, da muss man nichts weiter belegen. Betrachtet man aber wie Kaddor mit der derzeitigen Lage – ich muss gestehen, ich finde jetzt keine Beispiele außer von PINews, der Achse des Guten oder anderen dubiosen Quellen über den früheren Umgang von ihr mit Kritik – wie sie also derzeit mit der Lage umgeht, dann ist das in erster Linie sachlich. Kein Wutgeschrei. Keine ausfallenden Sätze, kein Gebrauch von genuin dummer Hasstirade. Was macht einen souveränen Eindruck? Ein geifernder Mann oder eine Frau, die „Whow“-sagt und dann amüsiert die Schultern schüttelt? Ach, das war gar nicht Broder sondern Trump? Na ja, passt schon.

„Denn Lamya Kaddor ist nicht nur prominent, sondern auch wenig zurückhaltend, wenn es gilt, Kritik abzuschmettern an ihren auch aus islamwissenschaftlicher Sicht oft recht wolkigen Thesen.“ – Sie, Frau Mönch, sind also Islamwissenschaftlerin oder kennen sich mit dem Islam aus?  Ich hab mal nachgeschaut, die Wikipedia meint eher so: Nein. Aber gut, Feuilleton ist ja auch eine Wissenschaft. Oder vielleicht wissen Sie tatsächlich genügend über den Islam und ich finde das nirgendwo im Netz. Mag auch sein. Wenn wir aber von Thesen sprechen, die „wolkig“ sind, dann könnte man mal zitieren, was diese Thesen denn nun beinhalten. Vielleicht den DLF – und bevor Sie fragen: Abdul-Ahmad Raschid ist Experte für den Islam. Ich halte ihn durchaus für vertrauenswürdig, wenn er in seiner Rezension folgendes schreibt: „Als versierte Islamwissenschaftlerin glänzt Lamya Kaddor in ihrem Buch auch immer wieder mit ihren profunden Kenntnissen über den Islam, und ist daher in der Lage, auch mit ausgebildeten muslimischen Theologen mitzuhalten.“ Nein, damit ist nicht die Zerreissprobe gemeint, das Buch von 2010 ist hier rezensiert. Ich bin dann doch geneigt eher ihm zu glauben als Ihnen offen gestanden.

„Wer sich daranmacht, ihre Texte und Behauptungen gründlich auseinander- und sie beim Wort zu nehmen, muss mit ihrem Zorn rechnen.“ – Diese Behauptung kann ich nun weder widerlegen noch bestätigen. Es ist halt eine Behauptung, eine Meinung. Meine Meinung wäre, dass man einen fundierten guten Feuilleton-Artikel auch daran erkennt, dass er bisweilen mal seine Meinungen untermauert. Wir reden hier ja nicht über die Besprechung eines Theaterstücks. Wobei – auch da sollte man einigermaßen gut untermauern können, warum die Inszenierung nicht gelungen ist. Muss man aber nicht.

„Und so ist es wenig erstaunlich, dass sie „Intellektuelle“ denunziert, sie würden die Stimmung gegen sie noch anheizen.“ – Der Gebrauch von ironischen Anführungszeichen füllt im Buch LTI von Herrn Klemperer ein ganzes Kapitel. (Das müssten Sie eigentlich als Feuilletonistin kennen, wenn nicht: Lesen Sie es mal.) Weil das so schwer ist herauszufinden, was denn nun dieses Zeichen mir sagen wollen. Okay, bei „es gibt deutsche und ‚französische‘ Rassenkatzen – sehr frei nach Klemperer – da ist das klar. Die Verächtlichmachung ist hier nicht zu übersehen. Aber meinen Sie nun, dass die Intellektuellen, die Frau Kaddor benennt gar keine sind? Na ja, ich würde Broder und Co. nicht abstreiten intelligent zu sein. Gerade das aber ist ja das Gefährliche: Sie sind so intelligent, dass sie in ellenlangen geifernden Beiträgen Leuten völlig abstruse Ideen einflößen können. Das kennen wir aus unserer Geschichte ja nur zu gut, unintelligent war Göbbels nun beileibe nicht. Man lese sich mal die Tagebücher von ihm durch – der Mann war sowas von intelligent, dass es mir persönlich graut und graust. Und abgesehen davon: „Denunzieren“ – unschönes Wort. Vor allem wenn es offenbar gar nicht stimmt. Broder wird von Kaddor nur als Beispiel genannt und sie sieht in ihm den Grund für diverse Hassmails. Und ich kann das nachvollziehen, wenn man Broders Texte mal liest.
Wobei: An wen sollten Broder und andere Intellektuelle denn denunziert werden? Polizei? BND? Ich denunziere ja jemanden, damit der irgendwohin und möglichst weit weg geht – früher hat man denunziert und dann gabs die STASI oder etwas früher noch Stalin, die GESTAPO muss ich nicht erwähnen, an die hat man auch Leute denunziert. Der Gebrauch des Wortes „Denunziation“ ist an dieser Stelle ungeschickt gewählt.

„Beispiele nennt sie nicht. Nur Henryk M. Broder, der es besonders schlimm treibe.“ – Moment – sie denunziert also Intellektuelle ohne ihre Namen zu nennen? Ohne konkrete Beispiele zu geben? Ach so, das im Satz zu vor war allgemein und symbolisch gemeint! Ironische Anführungszeichen, meine Güte! Nun ja. Macht es aber nicht besser. Und Beispiele – tja – Beispiele für Ihre Behauptungen sehe ich nun auch nicht im kurzen Text. Dass Broder es schlimm treibt ist übrigens tatsächlich wahr.

„Sie erkenne das daran, sagte sie im Interview, dass sie Massen von E-Mails bekomme, die auf dessen Texte verlinkten, „und mir natürlich deshalb auch klarwird, woher das Ganze kommt“. Die Morddrohungen?“ – Na ja, Glückwünsche zum Geburtstag werden das eher nicht sein und weder Sie noch ich kennen die Inhalte der Mails, aber wie wahrscheinlich ist es denn, dass Leute, die Broder lesen sich von seiner Meinung so in Rage bringen lassen, dass die Mails schreiben? Ich meine, schauen Sie mal das hier an: Ich habe knapp 1100 Worte darauf verwendet Ihre Kolumne zu kritisieren, da bin ich wohl auch ein wenig in Rage geraten, woll? Glauben Sie etwa das Lesen von Brandworten setzt Leute nicht in Flammen? Dass Broder und Tichy mit ihren Texten nichts erreichen möchten? Natürlich wollen Sie was erreichen. Durch das Herabsetzen und Diffamieren einer Person wollen Sie erreichen, dass diese mundtot gemacht wird weil deren Thesen – über die man diskutieren kann und darf, ja, kritisch, ja, vielleicht passt das dann Frau Kappor nicht, mag sein – für diese Leute unliebsam sind. Weil Sie in Frau Kappor offenbar auch eine echte Bedrohung sehen, die ihr persönliches Weltbild aus den Fugen wirft, die dieses Gedankengebäude aus kruden Worten radikal ins Licht der Aufklärung zerrt. Wer sich bedroht fühlt, der beißt. Und wer eine Kolumne schreibt muss nichts mit Fakten untermauern. Ich persönlich halte es nur für gefährlich, wenn auch nur ein einziger Tropfen des rechten Giftes in Journalen, Zeitungen, Zeitschriften auftaucht, die als seriöse Quelle wahrgenommen werden.

Mit sehr nachdenklichen und besorgen Grüßen,

Christian Spließ

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