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Duisburg: Pater Olivers Kampf gegen die Ungerechtigkeit

Wie ein Pater im Duisburger Norden Menschen in Not durch eine kostenlosen Gesundheitssprechstunde hilft

Stephanie Hajdamowicz

„Die Frage, ob ein Mensch in Deutschland medizinisch behandelt wird, kann doch nicht sein: Hast Du eine Krankenkassenkarte oder nicht? Die Frage muss doch lauten: Bist Du krank oder nicht?“ Klare Worte von Pater Oliver. Seit Monaten kümmert sich der engagierte Pater in Duisburg-Marxloh zusammen mit vielen Helferinnen und Helfern um Menschen ohne Krankenversicherung. Die Helfer, das sind Ärzte, Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern, Erzieher und viele andere mehr. Seine Sprechstunde im Sozialpastoralen Zentrum Petershof ist kostenlos. Jeden Donnerstag kommen inzwischen bis zu 90 Kranke.

Menschen ohne Krankenversicherung gibt es immer mehr. Laut offiziellen Zahlen sind es sogar 12 000 Menschen in Duisburg, die nicht krankenversichert sind. Menschen, die von Ärzten und Krankenhäusern abgewiesen werden. Ein sozialpolitischer Skandal, der viele Gründe hat. Doch Pater Oliver fragt erst Mal nicht danach, warum jemand nicht krankenversichert ist, er hilft einfach den Kranken. Das sei für ihn selbstverständlich.

Pater Oliver begrüßt einige Jungendliche am Straßenrand
– Foto Andreas Sadrina

In die Sprechstunde jeden Donnerstag kommen viele junge Mütter mit ihren Kindern, viele Schwangere und auch Ältere. Vor allem sind es Menschen aus Südosteuropa, aber auch Flüchtlinge und einige Deutsche sind darunter. Hier werden sie von ehrenamtlichen Ärzten und Schwestern untersucht und versorgt. Die Krankheiten sind vielfältig, die Probleme groß. Die Patienten müssten eigentlich an Fachärzte weitergeschickt werden. Doch das geht meist nur, wenn die Ärzte wieder jemanden kennen, der die Patienten dann auch ehrenamtlich untersucht.

„Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, was wir hier machen,“ sagt Dr. Anne Rauhut. Die Essener Ärztin ist von Anfang an dabei. Doch die Ärzte kommen inzwischen an ihre Grenzen. Weil die Lage so aussichtlos ist und sich nichts ändert, so Dr. Rauhut. Inzwischen gibt es viele Dauer-Patienten. Die müssten einheitlich von Fachärzten dauerhaft betreut werden.

Seit mehreren Wochen werden die ersten Kinder geimpft. Das geht schleppend voran, auch weil zunächst nur die Kinder ab fünf Jahren geimpft werden. Die Stadt Duisburg will eine Clearingstelle einrichten, um den Versicherungsstatus der Zuwanderer und Flüchtlinge klären zu lassen und sie dann ins Regelsystem zu überführen. Dafür soll es Gelder vom Bund geben.

Bisher sind aber keine Gelder dafür angekommen. Das Verfahren, den Versicherungsstatus zu klären, sei sehr aufwändig und kompliziert, sagt die Stadt.

Für sein Engagement in Duisburg-Marxloh hat Pater Oliver zusammen mit seinem Team Anfang Dezember einen hohen katholischen Preis der Bischöfe in Berlin verliehen bekommen. Der mit 5.000 Euro dotierte Katholische Preis gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hat die Deutsche Bischofskonferenz dieses Jahr erstmals vergeben. Mit dem Preis will die Deutsche Bischofskonferenz ein Zeichen setzen für ein respektvolles Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft.

„Inmitten eines Stadtteils, der in der öffentlichen Diskussion meist als sozialer Brennpunkt wahrgenommen wird, leisten Pater Oliver und sein Zentrum einen wegweisenden Beitrag für das Zusammenleben von Menschen verschiedener kultureller und religiöser Prägungen“, hatte der der Vorsitzende der Jury und der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Norbert Trelle aus Hildesheim gesagt. Mit unermüdlichem Einsatz stehen Pater Oliver und sein Team den Flüchtlingen, Migranten und sozial benachteiligten Menschen in Duisburg-Marxloh zur Seite.

Pater Oliver ist jemand, der nicht viel Worte macht, stattdessen lieber handelt. So hat er einen Großteil der medizinischen Apparate und Instrumente übers Internet ersteigert. Medikamente kommen über Spenden. Inzwischen hilft auch die Stadt Duisburg und impft einen Teil der Kinder. Viele von ihnen haben noch nicht einmal die nötigen Grundimpfungen. Nach offiziellen Schätzungen geht die Stadt von 4000 nicht geimpften Kindern aus. Die Gefahr ist groß, dass sich Krankheiten verbreiten und Epidemien ausbrechen

Bis vor ein paar Wochen war der Flur des Sozialpastoralen Zentrums jeden Donnerstag brechend voll. Die Patienten knubbelten sich im Flur, manchmal war es schwer, überhaupt durchzukommen. Das hat sich ein wenig verändert, draußen vor der Tür steht nun ein Container für die Wartenden. Den Container hat die Stadt Duisburg organisiert. Ärzte und Helfer kritisieren den Container, das habe mit einer Willkommenskultur nichts zu tun, sagen sie. Aber er entzerrt die Situation drinnen im Pfarrhaus. Trotz der vielen Gespräche mit der Stadt, den Ministerien auf Landes- und Bundesebene, hat sich an der grundsätzlichen Situation nichts geändert, sagt der Pater immer wieder.

Da hat auch der Besuch von Kanzlerin Merkel Ende August in Marxloh beim Bürgerdialog noch nicht viel geholfen. Der Pater hatte die Möglichkeit, mit ihr zu reden, ihr die Probleme im Stadtteil näher zu bringen. Ihr über die kostenlose Gesundheitssprechstunde zu berichten. Pater Oliver steht nach wie vor im regelmäßigen Kontakt mit Berlin, hat sogar vor kurzem noch einen persönlichen Brief von der Kanzlerin erhalten.

Auch Vizekanzler Gabriel war schon in Marxloh, ein paar Wochen vor der Kanzlerin. Das war im Juni. Er hatte sich auch über die Gesundheitssituation der vielen Menschen ohne Krankenversicherung informiert. Gabriel war im Petershof und hat sich das alles selber angeguckt. Und er hat Kontakte in die Ministerin vermittelt. Und dabei geholfen, dass es zumindest für einige Jugendliche demnächst bessere Perspektiven gibt. Denn um die Jugendlichen im Viertel kümmert sich der Pater auch. Hier leben viele mit ganz unterschiedlicher Herkunft. Vor allem Muslime. Sie kommen aus dem Libanon, aus der Türkei, manche sind Staatenlos. Bald soll es neue Fördermöglichkeiten für Jugendliche im Viertel geben, damit die eine Ausbildung finden, berichtet der Pater. Der Pater selbst hat schon mehrere muslimische Auszubildende eingestellt. Die helfen auch bei der Gesundheitssprechstunde mit.

Auf Dauer, sagt Pater Oliver, sei dieses ehrenamtliche Parallelsystem aber nicht aufrecht zu erhalten. Die Praxis hat inzwischen Dimensionen einer größeren Notfallambulanz erreicht. Viele fragen sich, warum so viele keine Krankenversicherung haben. Eigentlich müssten viele Flüchtlinge als EU-Bürger versichert sein. Doch dafür müssten die Rumänen und Bulgaren zur Botschaft und mit deren Hilfe ihre Versicherungen in ihren Heimatländern klären.

Den ganzen Artikel können Sie in der neuen Bachtalo 1/2016 lesen

 

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