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Würden Sie Osteuropäer gegen die doppelte Menge Syrer tauschen?

Tja. Blöd. Jetzt ist es zu spät. Jetzt ist das Zitat in der Welt. Gesagt ist gesagt. Manche Dinge sind, wenn sie einmal gesagt sind, nicht zurückzunehmen. Oder nur schwer. Sören Link, Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, möchte aber auch diesen Satz, den das Onlineportal der Westen als „Skandalsatz“ einstuft und mit einer Grafik (Zitat mit Porträt) entsprechend skandalisierend illustriert, gar nicht zurücknehmen. „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte“, sagte Duisburgs OB am Dienstag Vormittag auf einer Flüchtlingskonferenz, zu der die SPD-Führung ihre Kommunalpolitiker eingeladen hatte. Da soll selbst „Gabriel für einen Augenblick erschrocken“ geguckt haben, wird berichtet.

Duisburgs glückloser OB: Sören ‚Totlast‘ Link

Völlig klar: „Welche Emotionen in der Debatte auch immer Sören Link zu dieser Aussage geritten haben: Es ist und bleibt eine verbale Entgleisung“, so Ingo Blazejewski, Redaktionsleiter der Duisburger NRZ. „Menschen in erste und zweite Klasse zu unterteilen, zwischen guten und bösen Flüchtlingen zu unterscheiden, verbietet sich.“ Blazejewski hat so Recht, wie nur was! Dieser knappe Satz mit den zwei Geboten (= Verbote – wir kennen das seit Moses) gehört an jede Wand plakatiert. Allerdings: insoweit er sich auf Sören Links ebenso markigen wie unsäglichen Spruch bezieht, bedarf er seinerseits Erläuterungen. Duisburgs OB hat nämlich gar nicht „zwischen guten und bösen Flüchtlingen“ unterschieden. Die Rumänen und Bulgaren, die Link so gern loswerden würde, sind gar keine Flüchtlinge, sondern EU-Bürger mit dem Recht auf Niederlassungsfreiheit.

Das weiß freilich Sören auch, was verdeutlicht, dass es sich beim dem „Skandalsatz“ nicht um einen ernstzunehmenden Vorschlag, sondern um eine schrille Parole gehandelt hat. Das macht das Zitat keineswegs appetitlicher. Ob es jedoch, wie von Blazejewski implizit unterstellt, davon ausgeht, ob also unser Oberbürgermeister pflegt, „Menschen in erste und zweite Klasse zu unterteilen“? Um es auf gut Deutsch zu sagen: wer Menschen in erste und zweite Klasse unterteilt, ist ein Rassist. Um es genauso deutlich zu sagen: Sören Link ist kein Rassist. Wäre er einer, wäre ich der Erste, der seinen Rücktritt forderte. Das ist nicht der Beweis des Gegenteils; nur: gesagt haben wollte ich es schon. Wir wissen alle, dass auch Menschen, die keine Rassisten sind, schon mit saudummen rassistischen Sprüchen unangenehm aufgefallen sind. Sörens Spruch ist aber nicht rassistisch, er ist einfach nur saudumm.

Die Dash-Reklame von 1971 in der 2015er Version von Sören Link: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“ Unter normalen Umständen müsste einem schon das – eigentlich eher im Pokern bekannte – „Ich-hätte-gerne“ und „Abgeben-können“ – unangenehm aufstoßen. Doch die Umstände sind nicht normal. Es ist „Flüchtlingskrise“, weshalb sich alle diese Diktion angewöhnt haben. Die Krise will bewältigt werden. Da kann das verfassungsrechtliche Unterscheidungsgebot von Menschen und Sachen nicht in jeder Sekunde Berücksichtigung finden. Jedenfalls nicht auch noch sprachlich. In der inhaltlichen Substanz bleibt übrig, dass einem Oberbürgermeister 20.000 Araber als Neubürger lieber wären als 10.000 Roma. Das ist nicht rassistisch; das ist allenfalls… (ich sagte es bereits).

Politisch besonders Korrekte bzw. ökonomisch Kluge mögen kritisieren, dass im besagten Zitat die Neubürger nur als Belastung und nicht als Bereicherung betrachtet werden. Nur: Sören Link ist Oberbürgermeister, und die Berliner SPD-Konferenz hatte die Belastungen der ungeplanten wie planlosen Masseneinwanderung für die Kommunen zum Thema. Dass die Gesellschaft im allgemeinen in fünf, zehn oder zwanzig Jahren von den neuen Mitbürgern profitieren könnte, kann einen OB, der weder weiß, wo er morgen die Leute unterbringen soll noch wie er unter den neuen Umständen seinen Haushalt stemmt, nicht interessieren. Unstreitig. Der Stein des Anstoßes ist, dass Link zufolge „Osteuropäer“ eine doppelt so hohe Belastung wie Syrer darstellen.

Es geht um Tabus, also wird verklausuliert. Ingo Blazejewski schreibt etwas von der Unterscheidung in Menschen erster und zweiter Klasse – und meint Rassismus. Und Sören Link, der mal so richtig auf die Brause hauen wollte, spricht von Osteuropäern – und meint Roma. Selbstverständlich keine Polen, die massenhaft auch in diesem Jahrhundert auch nach Duisburg eingewandert sind und nie für nennenswerte Probleme gesorgt haben. Roma allerdings schon – vor sechs Jahren in Bruckhausen, vor drei Jahren in Rheinhausen und seit einiger Zeit in Marxloh. Es gab und gibt ganz gewaltige Integrationsprobleme. Sie anzusprechen, hat nichts mit Rassismus zu tun. Beziehungsweise mit Antiziganismus, wie es hier heißen müsste. Sören Link war in den Haushalten der „Zigeuner“ und hat mit den Leuten geredet. Menschlich, freundlich, wie es sich gehört…

Damit sind die mehr als 10.000 Roma, die sich in Duisburg neu angesiedelt haben, noch nicht integriert. Dies ist ein schwieriger und langwieriger Prozess. Wobei: alle Roma sind nicht gleich. Genauso wenig wie alle Araber oder alle Polen. Und dennoch und noch einmal: Polen sind leichter zu integrieren als Roma. Bin ich jetzt ein Rassist? – Und noch etwas: in aller Regel sind auch arabische Familien deutlich schneller mit den hiesigen Sitten und Bräuchen vertraut zu machen, als es bei Roma-Familien gemeinhin der Fall ist. Der Duisburger Stadtteil Marxloh zeigt aber auch, dass es nicht nur Probleme mit einigen Roma wegen der Vermüllung des Wohnumfeldes gibt, sondern dass es auch arabische Clans gibt, deren Integrationsunwilligkeit und Gewaltbereitschaft den Staat vor echte Herausforderungen stellen.

Auch deshalb denke ich, dass Sören Links nicht ganz ernst gemeinter Tausch-Vorschlag von vorn bis hinten daneben gewesen ist. Der Oberbürgermeister hat mittlerweile bedauert, „dass ich für meine Botschaft in einer emotionalen Debatte nicht die richtigen Worte gefunden habe“. Ihm sei es darum gegangen, dass „der Bund mitnimmt, dass wir in Duisburg durch 12.500 EU-Zuwanderer ganz andere Bedarfe haben… Dies habe ich so ausgeführt und in diesem Kontext steht der zitierte Satz, dass ich mehr Syrer aufnehmen wollte und könnte, wenn dafür weniger EU-Zuwanderer aus Südosteuropa da wären.“ Nun gut. Das ist sein Job, das ist seine Pflicht. „Im Kern bleibt der OB bei seiner Aussage“, vermerkt NRZ-Redakteur Blazejewski – zutreffend, aber auch bitter, weil er den Gedanken Links für rundum unzulässig hält.

Duisburg „wollte und könnte mehr Syrer aufnehmen, wenn dafür weniger EU-Zuwanderer aus Südosteuropa da wären“. Das wäre es gewesen! Gegen diesen Gedanken – meinetwegen: gegen diese Forderung ist nichts einzuwenden. Sören Link hat es nicht dabei belassen, sondern sich für einen markigen Spruch entschieden. Den bedauert er jetzt – zu Recht; denn der ist, zurückhaltend formuliert, ordentlich daneben gegangen. Die politische Konkurrenz, die „Opposition“, arbeitet sich bereits daran ab. Das ist zunächst einmal auch ganz in Ordnung so. Mal abwarten, was daraus wird. Zu hoffen ist, dass es mit einem öffentlichen Donnerwetter und einem kräftigen Abwatschen auf der nächsten Ratssitzung getan ist. Vor einem Politisierung der Refugees-Welcome-Stimmung mit einem Rassismus-Vorwurf an Sören Link kann nur gewarnt werden.

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wer von der üblen Nachrede, dass der Oberbürgermeister „eigentlich auch so“ denkt, profitieren würde. Es wären gewiss nicht diejenigen, die eigentlich gar nicht so denken. Also: Grüne, Linke, Piraten etc. hätten nichts von einer solchen Kampagne. Eher schon diejenigen, die „Zigeuner“ schlimmer finden als „Syrer“ – diese aber eben auch schon schlimm genug. Und was Sören Link betrifft: auf dem Duisburger SPD-Parteitag am Dienstag Abend hatte der OB von seinem Eindruck berichtet, mit seinem Anliegen bei der Berliner Konferenz auf Verständnis gestoßen zu sein. Er habe sich dort recht wohl gefühlt. Vermutlich, so stelle ich es mir jetzt vor, wird er sich gedacht haben: so unter uns kann ich ja mal…

Sören ist jemand, der sich hin und wieder zu einem markigen Spruch hinreißen lässt. Ich finde das gut. Ich möchte nämlich keinen Langweiler als OB. Keinen Verwaltungschef, der auch noch unentwegt so spricht wie ein Verwaltungschef. Keine Trantüte mit Beamtendeutsch. Sondern einen Kumpel, ich würde sagen: einen Genossen, der Tacheles redet. Und der, wenn es sein muss, auch mal ein paar Leuten auf den Schlips tritt. Wenn es nach mir ginge: den Schlipsträgern, den Stärkeren. Und der den Schwächeren und den Schwächsten seinen Respekt klarmacht. So ganz normal und menschlich, nicht so affig mitAmtskette und Diener wie gegenüber diesem chinesischen Oberdiktator. Aber auf jeden Fall, lieber Sören: hau auch weiterhin live und unzensiert rockiges Zeug raus! Nur eben, kleiner Tipp von mir, die nächsten Jahre nichts mehr über Zuwanderer aus Südosteuropa! Über diese einstweilen nur noch das von den Redenschreibern!

 

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