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Akzente setzen! Heimat

Heimat. Ja, warum denn eigentlich nicht? Man kann doch mal drüber reden. Wenigstens mal drüber reden. Heimat… – …kann doch so schlimm nicht sein. Sicher, ich weiß natürlich nicht, zugegeben, woher Sie kommen. Das spielt aber auch keine Rolle. Wir reden nämlich über unsere Heimat. Also Duisburg, und die ist, was auch immer die Leute, also die Fremden, reden mögen, toll. Das weiß man aber! Wir reden trotzdem drüber, 130mal. Damit setzen wir Akzente. Schon seit letztem Freitag; da fand nämlich die Eröffnungsveranstaltung der Duisburger Akzente statt. Es ging um die gewichtige Frage: „Wie fühlt sich Heimat an?“ Da haben „Schauspieler Antworten von Duisburgern auf Fragen einer Postkartenaktion, die im Vorfeld durchgeführt wurde, (verlesen).“ Ganz schön progressiv, nicht wahr? Fragen „wie beispielsweise `Was bedeutet Heimat?´ oder `Wie fühlt sich Heimat an?´. Gerade mit diesen Texten…“ – ich muss annehmen, dass damit die Antworten der Duisburger auf die besagten gewichtigen Fragen gemeint sind – „…wird die Vielschichtigkeit des Begriffs Heimat deutlich, der neben bio- und geografischen Koordinaten auch kulturelle und soziale Perspektiven beinhaltet.“

Das ist doch klasse. Jetzt mal Hand aufs Herz: hätten Sie etwa gedacht, dass Duisburger – zumal im Rahmen einer Postkartenaktion (!) – die „bio- und geografischen Koordinaten“ des Heimatbegriffs verdeutlichen? Grandios. Meine Heimat! Wobei: „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl“, wie unsStefan Kuzmany vor drei Jahren dargelegt hatte. „Wo mich die Menschen verstehen, wo ich mich nicht verstellen muss, wo Leute sind, die ich mag und die mich mögen, da bin ich daheim.“ Kuzmany sei hier nur beispielhaft zitiert, stellvertretend für all die Linken und Liberalen, die uns seit einigen Jahren erzählen, wie fantastisch „Heimat“ ist. Kuzmany ist allenfalls einzigartig darin, die Behauptung, Heimat sei ein Gefühl und kein Ort mit Nebensätzen zu begründen, die allesamt mit „wo“ eingeleitet werden. Das muss man erst mal bringen! Aber sonst… – reicht es, das Radio einzuschalten. Der Musikteppich ist durchsetzt von dem Gedanken, dass Heimat dort sei, „wo Du Freunde hast“ oder so oder so

NPD-Propaganda

ähnlich. Also kein Grund zur Sorge. Wenn das so ist… – können sich alle weltoffenen, international bis inter-nationalistisch gesonnenen Leser beruhigt zurücklehnen. Heimat, das ist good feeling, sozusagen direkt international.

Ja, ich weiß, ich weiß. Das war nicht immer so. Na und? Die Zeiten ändern sich eben. Das ist, wenn Sie so wollen, Fortschritt. Und der ist in diesem Fall einmal gut, auch wenn wir ansonsten bei diesem Begriff ziemlich skeptisch sind. Also bei dem Begriff „Fortschritt“, nicht bei „Heimat“. Denn der Fortschritt, seien wir ehrlich, hat ja auch so manches angerichtet, was nicht ganz so schön ist. Das kann ich von der Heimat nicht sagen. Von meiner Heimat. Jetzt hören Sie doch mal auf mit der Heimatdichtung oder derHeimatliteratur! Die spielt doch auf diesem Duisburger Kulturfestival überhaupt keine Rolle. Glaube ich jedenfalls. Die Heimattreue Jugend ist seit fünf Jahren verboten, verständlicherweise. Ein schlimmer Missbrauch des schönen Heimatbegriffs. Obwohl man zugeben muss, dass unter den Erlebnisangeboten der Heimattreuen Deutschen Jugend durchaus einige schöne Sachen mit entsprechendem Wohlfühl-faktor dabei sind. Allerdings könnte der neue Name der heimattreuen Burschen auf manche eher abschreckend wirken: „IG Fahrten und Lager“. Da dürfen die sich aber nicht wundern, wenn ängstliche Eltern befürchten, dass den blonden blauäugigen Kleinen etwas zustoßen könnte.

Nun ja, ein Randaspekt. Er macht uns aber nochmals klar, wie wichtig es ist, die Heimat nicht den Rechten zu überlassen. Also: den Heimatbegriff, klar. Die Heimat sowieso nicht. Schon gar nicht in Duisburg. Ist es doch schon schlimm genug, dass nirgendwo in Westdeutschland mehr Menschen als in der Industriestadt an Rhein und Ruhr den Rechtspopulisten, Rechtsextremisten und Neonazis auf den Leim gehen. Schlimm genug, dass nirgendwo mehr Leute von AfD, pro-NRW und NPD im Rat der Stadt sitzen als dort, wo nicht ganz zu Unrecht darauf verwiesen wird, dass man „Integration könne“. Mit all dem muss es irgendwie zusammenhängen, dass man der grandiosen Idee verfallen ist, den ersten großen Kulturevent nach den Wahlerfolgen der Braunen dem Thema „Heimat“ zu widmen. Denn man darf, wie gesagt, den Heimatbegriff auf keinen Fall den Rechten überlassen! Gerade so, als sei der Begriff für sich genommen völlig neutral, als bräuchte man nur wohl meinenden Multikulti-Schabernackvor entsprechend wohl meinendem Multikulti-Publikum aufzuführen, und schon habe man – ganz clever – die miefige „Heimat“ in einen Kampfbegriff der kulturellen Elite transformiert. Die alternative Szene hatte es vorgemacht.

„Heimat“ – ja genau: wir füllen ganz einfach neuen Wein in diesen alten Schlauch. „Heimat“ – immerhin besser als die deutlich verdächtigere „Nation“, aber doch auch ein Kontrapunkt zu dieser verdammt kalt-herzigen, weil kapitalistischen „Globalisierung“. „Heimat“ – ja sicher: völkisch. Aber eben nicht deutsch, sondern – je nach dem – rheinisch oder noch besser: niederrheinisch. Als Sonderbeilage gibt es die „Heimat am Niederrhein“. Gestern Abend, die WDR-Lokalzeit aus Duisburg bringt einen kurzen Beitrag zu den Duisburger Akzenten. Genauer gesagt: zum Thema derselbigen. Marc Schulte moderiert ihn wie folgt an: „Ja, seit Freitag laufen die Duisburger Akzente. Das Thema in diesem Jahr: Heimat. Dieser Begriff `Heimat´, der ist ja erst mal sehr, sehr weit gefasst, und genau deshalb wollten wir es ganz genau wissen: Was ist eigentlich Heimat? Diese Frage haben wir den Menschen in Duisburg und am Niederrhein gestellt. Und das u.a. auch auf einem Reiterhof mit rund siebzig Pferden in Voerde.“ Es folgt: die sachkundige Beschreibung einer Betroffenen, der es erspart geblieben ist, dem Idiotismus des Landlebens entrissen zu werden. Wunderschön. Heimat. Ja, warum denn eigentlich nicht? Man kann doch wenigstens mal drüber reden.

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