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Kirchenasyl ist Menschenrechtsschutz – Zum aktuellen Streit um das Kirchenasy

Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“ (Art 3, Europäische Menschenrechtskonvention). Wenn man bedenkt, dass 70-80 % der Kirchenasyle positiv ausgehen und geplante Abschiebungen aus genau diesen Gründen ausgesetzt werden müssen, dann wirft das kein gutes Licht auf die Qualität des bundesdeutschen Asylverfahrens und auf die Praktikabilität der Dublin-Regelung. Die „prinzipielle und fundamentale“ Ablehnung des Kirchenasyls durch Innenminister de Maiziere ist schwer nachvollziehbar. Müsste der „Verfassungsminister“ nicht den 000-461_Kirchenasyl_720x600Kirchengemeinden dankbar sein, weil sie schwere Menschenrechtsverletzungen verhindern? Nach Artikel 1 GG ist doch die „Würde des Menschen… unantastbar“, die Menschenrechte „unverletzlich und unveräußerlich“. Sie binden „Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung“ also auch den Bundesinnenminister! Bischof Huber hat Kirchenasyl treffend als „subsidiären Menschenrechtsschutz“ bezeichnet – da, wo staatlicher Schutz versagt.

Ein Beispiel: Seit Juli 2014 lebt ein iranisches Paar im evangelischen Weigle-Haus in Essen im Kirchenasyl. In ihrem Heimatland werden sie verfolgt, weil sie von Islam zum Christentum konvertiert sind. Nach dem neuen Islamischen Strafrecht, Art. 225.7 und 225.8 ist „Die Bestrafung für einen (…) [männlichen] Apostaten (…) der Tod.“ „Die Höchststrafe für abtrünnige Frauen (…) ist lebenslängliche Haft“. Dem Paar gelang zunächst die Flucht nach Schweden, wo ihr Asylantrag jedoch abgelehnt wurde. Sie fliehen weiter nach Deutschland, hier jedoch sollen sie nach der Dublin-Regel nach Schweden rücküberstellt werden. Wäre es de Maiziere lieber, wenn dieses Paar, in Essen kein Kirchenasyl gefunden hätte – mit der Konsequenz einer Abschiebung über Schweden in den Iran, was deren Tod bzw. lebenslange Haft bedeuten könnte? Macht sich der christ-demokratische Minister eigentlich klar, was für eine abenteuerliche Position er da einnimmt mit seiner Prinzipienreiterei? Weiß er, wie viele Flüchtlinge seit 1983 in Deutschland vor „unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung“ durch Kirchenasyl bewahrt werden konnten? Der NRW-Justizminister Kutschaty hat recht, wenn er darauf verweist, dass sich das Kirchenasyl inzwischen zu einer Art Gewohnheitsrecht entwickelt hat, das Kirchen bisher „weder überreizt noch überstrapaziert“ haben und mit dem der Staat nicht schlecht gefahren ist.

Im Übrigen ist es absolut lächerlich angesichts von 200 Kirchenasylen politisch so massiv zu reagieren wie es der Bundesinnenminister und das BAMF tun. Wir haben im vergangenen Jahr ca. 200.000 Flüchtlinge gehabt. Quantitativ ist das Kirchenasyl vollkommen irrelevant. Was aber die Gegner offenbar stört, ist das Zeichenhafte, das jedem Kirchenasyl anhaftet, der Protest gegen die Inhumanität und Ungerechtigkeit deutscher und europäischer Asylpolitik – gipfelnd in dem völlig gescheiterten Dublin-System. Dieser Protest darf jedoch nicht zum Verstummen gebracht werden, und den Kirchen ist zu danken, dass ein Zurückweichen vor dem Druck des Bundesinnenministers für sie nicht in Frage kommt.

Prof. Dr. Wolf-Dieter Just

Mitbegründer der deutschen Kirchenasylbewegung, Ehrenvorsitzender der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“

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