Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

„“Chaoten“ – Anmerkungen zu einem Kampfbegriff

Der Begriff „Chaoten“ – in diesem Fall sogar „linke Chaoten“ – kommt in der Überschrift eines Artikels auf „der Westen“ am 20. Januar 2015 vor: „Anti-Pegida – Duisburger Polizei über linke Chaoten entsetzt“. Dies wiederum hat mich entsetzt, weil dieser Kampfbegriff aus der politischen Rhetorik der Bundesrepublik Deutschland weitgehend verschwunden ist und eigentlich nur noch an den extremen Rändern des politischen Spektrums Gebrauch findet, nämlich dann, wenn es darum geht, „die Chaoten“ der jeweils anderen Seite zu denunzieren (und zu provozieren). Das Klagen über die Gewalttätigkeit „linker Chaoten“ könnte so eins zu eins aus rechtspopulistischen bzw. -extremistischen Propagandaschriften übernommen worden sein. Dass dieses Vokabular

Deutsch: Protestveranstaltungen gegen die Kundgebung eines „Anti-Islamisierungskongresses“ der „Bürgerbewegung Pro Köln“ im September 2008 (Photo credit: Wikipedia)

offensichtlich von der Polizei in die WAZ-Redaktion getragen worden ist, stimmt bedenklich – auch und gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Die Weimarer Republik war dadurch gekennzeichnet, dass damals die Staatsgewalt regelmäßig Partei ergriffen hatte zu Gunsten der deutschnationalen, später: nationalsozialistischen Seite, und damit „auf der Straße“ faktisch zu deren Bundesgenosse wurde im Kampf gegen Kommunisten und Sozialdemokraten. Die Justiz („Dritte Gewalt“) hatte dieses Treiben der Exekutive („Zweite Gewalt“) als rechtskonform abgesegnet.

Auch die Kennzeichnung der Linken als „Chaoten“ erfolgte schon in der Weimarer Republik und wurde dann von den Nationalsozialisten übernommen. Zur Taktik der Nazis gehörte es, Saal- und Straßenschlachten direkt zu provozieren, um sich nach den „Krawallen linker Chaoten“ in der Opferrolle zu präsentieren. Einmal dabei, wurden auch die außenpolitischen „Feinde“ als „Chaoten“ abgestempelt. Der „Völkische Beobachter“ etwa hatte am 27. März 1939 kommentiert: „Die Achse Berlin-Rom ist im unerschütterlichen Willen der beiden Völker zur Abwehr des Bolschewismus und seiner Chaoten verankert.” (Quelle: Trübners deutsches Wörterbuch). Damals wie heute agitieren Nazis stets gegen „linke Chaoten“, was insofern Sinn macht, als dass es sich beim Chaos um das exakte Gegenteil dessen handelt, was des Volksdeutschen höchstes Gut oder Sehnsucht ist: die „Ordnung“. Wenig sinnhaft zu sein scheint mir dagegen, dass mittlerweile auch Autonome und Antifa ihrerseits ihre aus den regel-mäßigen Kleinkriegen Bekannten als „Nazi-Chaoten“ beschimpfen. Man lasse sich einfach mal in aller Ruhe dieses Begriffsungetüm durch den Kopf gehen! „Nazi-Chaoten“… Man ist erheitert, man ist bestürzt, man ist einfach irritiert. Aber man ist sich im klaren darüber, dass in aller Regel bei Kampfsportlern im Oberstübchen nicht allzu viel los ist.

Wahr ist auch, dass es der politische Kampfbegriff „Chaoten“ in der alten Bundesrepublik zu großer Popularität gebracht hatte, weil ihn die DKP in ihren Abgrenzungskämpfen gegen die K-Gruppen (an)gewendet hatte. Dort, wo sie stark war, hatte sie Erfolg. Es konnte allerdings nicht gelingen, die breite Bevölkerung vom Unterschied zwischen „den Anderen“ (K-Gruppen = Chaoten) und sich selbst (DKP = Kommunisten) zu überzeugen. Was hängen blieb: Kommunisten sind „Chaoten“, also Gewalttäter – also nur ein Warm-Up dessen, was das deutsche Volk ohnehin seit Jahrzehnten gewusst hatte. Insofern war dieses „Chaoten“-Geschwätz der DKP zwar eine ganz beträchtliche Fehlleistung, nicht aber die Ursache für die Schlagkraft, die der Kampfbegriff „Chaoten“ hierzulande gegen jegliche linke Opposition entfaltet. Oder haben Sie etwa im Zusammenhang mit der Pegida oder zuvor mit Pro-NRW schon mal etwas von „Chaoten“ gehört der gelesen?! Natürlich nicht. Bei den „Chaoten“ handelt es sich um einen Totschlagbegriff, angewandt von rechts gegen links. So weit meine Anmerkungen. Wer mehr zum Thema lesen möchte, dem sei ein Text von 1989 empfohlen: Dietrich Busse: „Chaoten und Gewalttäter“. Ein Beitrag zur Semantik des politischen Sprachgebrauchs. Gut 18 Seiten. Wem das zu viel ist, der begnüge sich mit den Seiten 10 und 11. 

Die mobile Version verlassen