Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

Der verwehende Glanz der Social Media Hauptstadt Duisburg

Holzsteine mit Begriffen

Bausteine für eine gelungene Stadtgesellschaft. Photo: Christian Spließ

Es wird allmählich Zeit sich einzugestehen, dass Duisburgs Social Media Hauptstadt Glanz mehr und mehr verblasst. Während es früher hochwertige und innovative, ja wegweisende Projekte in dieser Stadt gab verabschiedet sich die ehemalige Metropole mit kluger Weitsicht allmählich und gerät in einen Dämmerzustand aus dem vermutlich ein Dornröschen-Schlaf werden wird. Dabei ist das Potential der Kreativwirtschaft in den diversen Ausprägungen – Kreativquartier Ruhrort, Creative Stage, Tectrum – eigentlich ein Standortvorteil für die Stadt. Wie so oft gibt es allerdings mehrere Stellen an denen es hakt. Bevor also Dortmund die Führungsrolle übernimmt wäre es Zeit sich mal intensiver die Knackpunkte anzusehen. Oder: 5 Thesen über den Kreativstandort Duisburg. Diskutieren wir mal.

Das Kreativquartier hat keine Stahlkraft über Ruhrort hinaus

Vermutlich werde ich für die obige These gehörig Gegenwind bekommen, deswegen vorab nur dies: Ich möchte die Arbeit und die enormen Anstrengungen nicht schmälern ja, nicht klein reden sondern ausdrücklich loben. Immerhin ist neben Tiger and Turtle das Kreativquartier eines der wenigen Projekte von RUHR2010 die in Duisburg annähernd noch weitergetragen werden und wirken. Da ist ein funktionierendes und tragendes Netzwerk entstanden, welches die Künstler vor Ort hervorragend einbezieht und das sich seine Meriten mehr als redlich verdient hat. Nun ist das mit Kreativquartieren generell schwierig: Man kann keinem vorschreiben in einem Kreativquartier sein Büro und sein Lebensumfeld zu haben. Wie wir bei den Vorbereitungen für den Coworking Space auch gesehen haben ist die Szene weitläufig über die Stadt zerstreut, Schwerpunkte sind halt der Innenhafen, Ruhrort und eventuell noch Neudorf was Kreditwirtschaft betrifft. Man mag mich da gerne korrigieren, es ist auch schon eine Weile her dass wir die Ansprechpartner fürs Coworking an einen Tisch versammelt hatten. Die Aufgabe eines Kreativquartiers bestände darin über das Verwalten der Aktivitäten im eigenen Stadtteil hinaus Räume und Möglichkeiten, Anreize zu schaffen damit Kreativwirtschaftler sich dort ansiedeln können. Das Managen des Viertels ist auf einem gutem Weg, es hat aber keine Strahlkraft über die Grenze des Rheins hinaus. Das hat sicherlich auch mit der Geschichte Duisburgs zu tun – ein gewisser Stolz auf den eigenen Stadtteil ist nichts Schlechtes, im Gegenteil hat jeder Stadtteil in Duisburg seine eigenen Stärken und Schwächen wie diejenigen in Köln, Berlin oder Düsseldorf auf. Das darf aber nicht zu einem Verständnis führen welches sich darauf begrenzt nur für den eigenen Stadtteil zu wirken und kreative Vernetzungen nur für den eigenen Stadtteil voranzubringen. Das ist Aufgabe eines Stadtteil-, eines Quartiermanagements. Eines runden Tisches, der jetzt in Marxloh sich neu orientiert und fragt, was man für sich im Viertel tun kann. Ein Kreativquartier hat aber Aufgaben, die darüber hinausgehen. Und da ist noch daran zu arbeiten was Ruhrort betrifft. Wobei man sich natürlich auch an die eigenen Nase fassen kann: Der Weg NACH Ruhrort und der Besuch der dortigen Veranstaltungen ist natürlich auch eine Voraussetzung fürs Netzwerken.

Es fehlt zentraler Raum, der das Machen zulässt

Dies muss ich einschränken: Mittlerweile gibt es das Workcafe in Duisburg-Neudorf, unweit vom HBF entfernt und als Coworking-Space in diesem Jahr im Februar gegründet und ins Leben gerufen. Das etabliert sich momentan allmählich als Veranstaltungsort und da es im Tectrum angesiedelt ist sind erste Synergie-Effekte zwischen den ansässigen Unternehmen und dem Ort als Treffpunkt an sich spürbar. Es ist auch für mich immer wieder überraschend festzustellen welche Firmen wir eigentlich vor Ort haben, die teilweise wirkliche Hidden Champions sind. Da wird sich – und ich bin mir da sehr sicher – über die Zeit allmählich etwas entwickeln und herausbilden, was gut für Duisburg werden kann. Aber natürlich ist das Workcafe kein Unperfekthaus, es fährt halt ein anderes Konzept und es hat gegenüber dem UPH den zeitlichen Nachteil des Bekanntheitsgrades. Um es weniger verschmockt auszudrücken: Das UPH ist in der Social-Media-Szene bzw. der Kreativwirtschaftszene halt bekannter und man tendiert dann halt für Stammtische oder Format wie den Twittwoch Ruhr oder den – das ist jetzt etwas kompliziert – Pub’n’Pub’n’Pott, da gehts um eBooks und Verlage, nach Essen zu gehen weil das UPH geschätzt wird. Natürlich heißt das Einerseits, dass für den Bekanntheitsgrad des Workcafes noch einiges zu tun ist, sicher. Verbesserungen sind immer möglich.

Andererseits stellt sich auch die Frage: Welche Orte gäbe es denn sonst in Duisburg, die als Vernetzungsraum und als Hub, als möglicher Inkubator dienen könnten? Das UPH ist ein Glücksfall: Es hat genügend Räume für Veranstaltungen, für Bandproben, für Coworking und im Keller Raum für Künstler-Werkstätten. Es ist ein Raum für Möglichkeiten, der es zulässt dass Dinge ausprobiert werden können. Manches funktioniert, manches nicht. In der Duisburger Innenstadt fehlt sowas komplett und so sehr ich es auch persönlich hoffe: Ich bin nicht optimistisch, dass die Stadtbibliothek hierzulande wie in Köln etwa einen 3D-Drucker installiert oder ein Podcast-Studio zum Produzieren anbietet. Ich lasse mich gerne überraschen, natürlich. Oder wenn man dezentral denkt: Es fehlt so etwas in den einzelnen Stadtvierteln, es fehlt der Geist des Ermöglichens. Personen, die etwas Machen wollen sind gar nicht das Problem habe ich den Eindruck. Ich habe eher den Eindruck es fehlt an der Bereitschaft Dinge geschehen zu lassen, Experimente zu starten und abzuwarten. Um zum nächsten Punkt überzuleiten: Da hat die Politik in Duisburg aber mehr als nur Nachholbedarf.

Der Innovative Citizen wird in der Duisburger Politik ignoriert

Das fängt ja schon damit an, dass es für einen Außenstehenden schwer ist zu entscheiden, wer denn für mich jetzt Ansprechpartner für Social Media oder Kreativwirtschaft in der Stadt ist. Ist das jetzt die GfW oder doch die IHK? Wann spreche ich da wen genau an und wofür eigentlich? Welche Initiativen gibts hier in Duisburg? Klar, „Creative Stage“ habe ich schnell mal herausgefunden, aber was gibts sonst noch an Aktivitäten, die für mich speziell interessant sein könnten? Duisburg Nonstop ist da keine Hilfe und alle Termine jetzt beim Nerdhub einzutragen wäre eine Möglichkeit, aber die nimmt dann ja wieder keiner so richtig wahr.

Vor allem aber: Während andere Städte – mehr oder weniger peinlich – sich wenigstens mal ab und an um den Bereich Kreativwirtschaft von der politischen Seite her bemühen wird der Innovative Citizen in Duisburg komplett ignoriert. Die Politik spricht zwar immer von Strukturwandel und davon, dass Duisburg Stärken hat. Sie ignoriert aber sehr wohl das Potential ihrer Bürger in den Bereichen der Kreativwirtschaft. So sehr ich die Creative Stage auch schätze – sie alleine und die anderen Veranstaltungsformen kann nur dann wirken wenn die Politik ihr den Rücken stärkt. Es reicht nicht wenn der OB auf Facebook vertreten ist. Wenn Kreativwirtschaft wirklich ernstgenommen werden soll muss ein Konzept für die Stadt vorhanden sein – es ist zwar ein Kulturentwicklungsplan auf dem Weg, aber mir ist nicht bekannt dass die Kreativwirtschaft da mit am Tisch säße. Ich kann mich irren. Andererseits ist aus dem versprochenen Impuls sich mit Kreativen an einen Tisch zu setzen um zu überlegen wie das Image Duisburgs gestaltet werden kann nun auch nichts geworden. Böse Zungen meinen ja immer, das Image von Duisburg wäre gerade, dass Duisburg kein Image habe. Das ist nicht weiter tragisch, schließlich haben wir ja auch keinen Politiker der den kommenden Bürger, den Innovative Citizen auf dem Schirm hat. Immerhin hat man ja vor demnächst in Rheinhausen stärker Urban Guardening zu machen. Oh, stimmt: Innovative Citizen – das ist diese Makerkultur mit Repaircafe, Pilzzucht oder Bienen auf dem Balkon, 3D-Druck und Arduino. Sozusagen der Bürger, der sich aktiv einmischt und Dinge herstellt. Gut, davon hat Duisburg vielleicht gar keine. Ist nicht die Stadt dafür. Wobei dann das Projekt in Rheinhausen – aber lassen wir den Gedanken mal fallen. Jedoch und Aber, liebe Politik: Es gilt immer noch dass ihr die Rahmenbedingungen setzt und dass ihr diejenigen seid mit denen man sich herumschlagen muss wenn man ein Repaircafe permanent eröffnen möchte. Oder einen Pop-Up-Store. Also mit den Behörden hat man dann eine Menge zu verkaspern. Es ist ja nicht so als ob das Lokal Harmonie es leicht mit denen gehabt hätte. Soll ja aber alles besser sein. Dennoch: Zumindest ein kleines bißchen Kompetenz wäre nicht fehl am Platze bei euch.

Duisburger sind keine Wissensteiler

Da hat man schon bei der Planung für den Coworking Space in Duisburg alle Interessenten an Bord gehabt. Da hatte man Leute, die für ein gemeinsames Ziel durchaus zu haben waren – mit unterschiedlichen Ansichten und unterschiedlichen Ansätzen, aber das ist immer so. Da hätte was draus werden können. So eine Initialzündung für die Vernetzung der einzelnen Angebote untereinander, regelmäßige Treffen, Erfahrungsaustausch. Ich bedauere es immer noch, dass daraus dann nichts folgte. Und nicht das erste Mal. Ja, ja, die Creative Stage ist natürlich super wenn man sich vernetzten möchte – aber die ist halt nicht dauernd in Duisburg und ich kenne keinen der wegen der Creative Stage nun wirklich in andere Städte von Duisburg aus fährt. Mag es geben. Sollte es auch mehr. Ebenso erstaunt es mich auch immer wieder dass zum stARTCamp Ruhr York fast kaum Duisburger aus der Kulturszene anzutreffen sind. Oder dass beim Twittwoch Ruhr in Essen selten der Kreis sich über die üblichen Verdächtigen aus der Stadt erweitert. Oder ich höre bei den Vorstellungsrunden nicht genau hin was die Herkunft anbelangt.

Aber fest steht: Bei Formaten, die eine gewisse Geisteshaltung erfordern und jenseits von Vorträgen sind gibt es nur wenige Duisburger, die anwesend sind und die diese Kultur auch leben. Es geht nicht darum Geheimakten vor der Öffentlichkeit auszubreiten – hat die NSA sowieso schon alles – es fehlt aber ein gewisser Geist, der auf englisch „Sharing is Caring“ betitelt wird. Damit tun sich Duisburger in der Kreativszene oder in den diversen Kreativszenen meiner Erfahrung nach unheimlich schwer. Man öffnet sich nicht, man werkelt dann doch lieber wieder nur für sich vor sich rum weil man Angst hat die kreativen Ideen würden einem geklaut, wenn man sich nur um ein Weniges in die Karten schauen lässt. Durchaus verständlich. Klar. Aber dann könnte der Twittwoch als Format eigentlich wie die Barcamps als Idee komplett zumachen, deren Idee ist nämlich gerade auch das Teilen von Wissen und das Vernetzen von Akteuren. Aber diese Haltung erklärt, warum noch nie ein Twittwoch in dieser Stadt zu Gast war… Immerhin hatten wir ein Barcamp. Nein, die StartConference war eine Konferenz. Das ist nicht deckungsgleich.

Last but not least: Wir wollen gar nicht vorwärts, oder?

A propos StartConference. Meine Güte, was nicht schon alles für tolle und großartige Projekte in Duisburg auf den Weg gebracht worden sind. Von hier aus ging der Impuls an die Orchesterwelt ins Social Web einzusteigen. Die Grundlagen für die Philharmonie 2.0 dienen jetzt unter anderem den Dortmundern als Leitfaden und die starten gerade komplett durch. In Duisburg wurde am Beispiel eines Museums gezeigt was dieses Internet eigentlich für kreative Impulse setzen kann. Auch hier hat langfristig gesehen die Stadt an sich davon nicht profitiert. Aus der StartConference, die hier stattfand entwickelte sich das erfolgreiche Konzept für die stARTCamps. Mit auch für das stARTCamp Ruhr York, dass in Oberhausen und Dortmund stattfand. Daneben gibt es noch so viele Ideen und Ansätze, so viele Innovationen in dieser Stadt. Aber im Endeffekt: So richtig zu Gute kommen diese Entwicklungen der Stadt Duisburg nun nicht wirklich. Die kriegen dann Städte wie Oberhausen, Essen, Dortmund. Gerade dann wenn richtig gute Projekte in Gang kommen habe ich manchmal das Gefühl, dass Duisburg gar nicht so richtig in diese kreativwirtschaftliche Zukunft gehen möchte, man dann auch gerne mal dezent wieder abbremst und Dinge einfach verlaufen lässt.

Sicherlich gibts andere Probleme oder wie der Euphemismus dafür so schön heißt: Duisburg hat natürlich besondere Herausforderungen zu meistern. Das klingt zwar sprachlich besser ist aber komplett was Anderes. Probleme kommen unaufgefordert auf mich zu, Herausforderungen suche ich mir aus. Dafür kann ich mir starke Partner suchen um gemeinsam Dinge anzustoßen. Oder einfach mal machen. Wenn man mich als Bürger lässt und mir den Freiraum ermöglicht. Was allerdings verflixt kompliziert sein kann. Gerade hier in Duisburg. Manchmal allerdings ist natürlich das Verharren im Jammern angenehmer als sich mal zu kümmern. Oder zu Ermöglichen. Das kostet Energie und Zeit. Nicht immer unbedingt Geld. Aber Zeit und Energie. Und seit der Loveparade fehlt Duisburg eventuell auch gerade das: Die notwendige Energie sich aufzuraffen und Dinge auch mal neu zu wagen. Aber keine Bange: Wenn Duisburg das nicht macht, dann Oberhausen, Essen, Gelsenkirchen, Castrop-Rauxel – oder wie wäre es mit Dortmund?

Die mobile Version verlassen