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Ein lebendiger Blick über den Gartenzaun: Das komplizierte Verhältnis der ungleichen rheinischen Geschwister Duisburg und Düsseldorf

Dirk Elbers Zaun: Auch der Verfasser des Textes legt sich gern über den Zaun - hier in Düsseldorf vor einem Wahlplakat von Dirk Elbers.

Dirk Elbers Zaun: Auch der Verfasser des Textes legt sich gern über den Zaun – hier in Düsseldorf vor einem Wahlplakat von Dirk Elbers.

Das Image der arroganten Schickimicki-Stadt haftet wie Pattex an Düsseldorf – beim rheinischen Erzrivalen Köln, aber ebenso im benachbarten Revier. Dennoch haben die Düsseldorfer selbst Dirk Elbers als Oberbürgermeister abgewählt, weil er geäußert hatte, im Ruhrgebiet wolle er „nicht mal tot überm Zaun hängen“. Wie konnte es dazu kommen, und wie sollte sich das Verhältnis der ungleichen niederrheinischen Geschwister Duisburg und Düsseldorf jetzt weiterentwickeln? Von unserem Gastautor Jens Schmidt 

„Wärst du doch in Düsseldorf geblieben …“ lautet der Titel eines mittlerweile 50 Jahre alten Schlagers von Dortho Kollo aus der Wirtschaftswunderzeit, als Düsseldorf einen wirtschaftlichen Aufschwung als Modestadt, Schreibtisch des Ruhrgebiets und Landeshauptstadt des neu gegründeten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen erlebte. Der scheinbar harmlose Text ist in Wirklichkeit an abgründiger Gemeinheit nicht zu überbieten und hat Düsseldorfs Ruf bis heute nachhaltig beeinflusst. „Schöner Playboy, du wirst nie ein Cowboy sein“ – das Bild des Lebemannes, der vom Pferd fällt, wirkt wie die Allegorie einer lebensfrohen und eleganten, aber auch unmännlichen, nicht ganz ernst zu nehmenden Stadt.

Wenn ich die reiche Nachbarstadt besuche, habe ich immer wieder diese typischen Düsseldorf-Erlebnisse, die ich so aus keiner anderen Stadt kenne und die geradezu darauf angelegt zu sein scheinen, die Klischees auf pseudokomödiantische Art und Weise zu bestätigen. Mal klappt ein Teamleiter seinen Laptop im Cafe so deutlich sichtbar aus, dass jeder, der daran interessiert oder überhaupt nicht interessiert ist, die Mitarbeiterstatistiken auf dem Display mitlesen kann. Mal werde ich von den Breuninger-Verkäufern im Kö-Bogen mit kühler Missbilligung gestraft, weil ich es gewagt habe, die auf 50 € reduzierten Sneakers auch tatsächlich zu kaufen. Und in welcher anderen Stadt gibt es schon eine Imbissbude, in der man eine Currywurst mit Blattgold essen kann? Ich habe bis heute nicht ergründen können, zu welchen Anteilen Selbstironie, Koketterie und Ernst hierbei im Spiel sind.

Überhaupt, die Kö: Ich kenne etliche Auswärtige, die den ungeniert zur Schau gestellten Konsum der dort häufig anzutreffenden Neureichen auf die ganze Stadt projizieren, die wegen der Kö Vorbehalte gegenüber der ganzen Stadt hegen. Ich persönlich habe zur Kö ein humoristisches Verhältnis entwickelt: Einerseits ist sie an jeder Stelle durchkommerzialisiert bis zum Exzess; andererseits ist sie eben die leichte Muse unter den deutschen Prachtstraßen. Wie eine schöne Frau zieht sie charmant dem das Geld aus der Tasche, der es zulässt, und lässt den in Frieden, der der Versuchung widerstehen kann und es bei Window-Shopping belässt – jedenfalls kann man ihr am Ende nicht böse sein. Die Ironie ist bereits in der Entstehungsgeschichte des Namens angelegt: Der preußische König war mit Pferdeäpfeln beworfen worden; als Wiedergutmachung erfolgte die Umbenennung der ehemaligen Schwedenallee in  Königsallee. Eine solche Story wäre für Unter den Linden in Berlin undenkbar, viel zu ernst nimmt man sich selbst dafür. Wenn ich mich in eine Operette oder ins Neujahrskonzert setze, erwarte ich, gut unterhalten zu werden. Wenn ich keine Buffos mag, muss ich mich doch selber fragen, warum ich nicht zum „Ring des Nibelungen“ nach Bayreuth gefahren bin. Und wenn ich dann ehrlich zu mir selbst bin, gebe ich frank und frei zu, dass ich mehr Lust auf den Zigeunerbaron oder den Kaiserwalzer als auf die schweren Wagner-Ergüsse hatte. Warum soll ich mir das Leben nach Feierabend schwer machen, wenn ich es auch leicht haben kann? Also: Das Leben ist viel zu kurz, um die Kö zu meiden.

Kö Stadtgraben: Die Kö ist als Luxus-Shoppingmeile über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und lockt zunehmend reiche Touristen aus Russland, China und den arabischen Ländern an. Ihren Namen erhielt sie als Wiedergutmachung, nachdem der preußische König bei einem Besuch mit Pferdeäpfeln beworfen worden war.

Dennoch scheint gerade Düsseldorf selbst sich als Stadt und die Kö nicht so nehmen zu wollen, wie sie tatsächlich sind. Stattdessen wird dann publikumswirksam eine Partnerschaft mit der Pariser Avenue Montaigne verkündet, Düsseldorf muss alljährlich sein Frankreich-Fest feiern, und Bistros mit wohlklingenden französischen Namen werden eröffnet. Ich kann mir das nur so erklären, dass Düsseldorf sein so unerschütterliches Selbstbewusstsein mit einer Art Minderwertigkeitsgefühl verbindet: Man möchte mehr geliebt werden, und man ist sich seines Ranges als Metropole nicht sicher. Wer sich auf einer Ebene mit Paris fühlt und seiner eigenen Qualitäten bewusst ist, wird sich eben nicht mit Paris vergleichen – zumindest nicht in dem Sinne: Wieviel Paris bin ich, und wie weit bin ich von dieser Idealstadt der Mode entfernt? Stattdessen könnte Düsseldorf sich ebenso entspannt wie selbstbewusst auf seine Qualitäten als großzügige Gartenstadt besinnen – da muss man doch nicht dem zugebauten Paris nacheifern, wo man schon dankbar für eine kleine Parzelle Dachgarten sein darf!

Nötig hätte Düsseldorf das wirklich nicht – auch wenn es kein Pendant zum kölschen Dialekt aufweist, weiß es doch mit unbekümmerter rheinischer Lebensart zu überzeugen. Doch eben diese meinte Dirk Elbers extra mit einer kostspieligen Imagekampagne vermarkten zu müssen. Ausgerechnet der Oberbürgermeister hatte im Rahmen einer Studie erfahren, dass Düsseldorf nach außen an einem Imageproblem leide, als versnobt und spießig wahrgenommen werde – und ausgerechnet Elbers verkündete, dagegen wolle man nun etwas tun. Es ist Ironie der Geschichte, dass Elbers in Person durch seine politischen Auftritte viel getan hat, um eben dieses Klischee überzuerfüllen. Er ist erster Klasse geflogen und S-Klasse gefahren, ist einer Veranstaltung der Stadt ferngeblieben, für die er als Gastgeber erwartet wurde, um bei der Eröffnung der neuen Louis-Vuitton-Filiale anzustoßen.

Er hat einen Bruch mit dem Sponsor Esprit in Kauf genommen, um Lena Meyer-Landrut in der Arena singen zu lassen, er hat sich eine Kiste Champagner schenken lassen und zuletzt durch seine Keilereien gegen das Ruhrgebiet zweifelhafte bundesweite Berühmtheit erlangt. Dennoch bekam Düsseldorf ein neues Stadtlogo verpasst, das man als einen teuren Witz auffassen kann – wenn man weiß, dass 😀 ein Smiley im Internet ist.

Gerade das Bildungsbürgertum – das in Düsseldorf dank der dortigen hoch bezahlten Jobs gut vertreten ist – scheint Elbers diese Peinlichkeiten übel genommen oder die manische Fixierung auf die Prestigeprojekte rund um den Jan-Wellem-Platz schlicht satt gehabt zu haben. Vermutlich werden sich viele, die Elbers abgewählt haben, auch lieber in Düsseldorf als im Revier aufhalten. Aber es ist schlicht unfein, es auf diese Art und Weise zu kommunizieren – und wer diese ungeschriebene bürgerliche Regel missachtet, erweist sich (mag er sich selbst in dem Moment auch noch so großartig fühlen) als unwürdiger Repräsentant seiner Stadt, als Parvenü, der „es nötig hat“. Und

Laarer Deich: An etlichen Stellen ähnelt die niederrheinische Flusslandschaft von Duisburg der von Düsseldorf, so auch am Laarer Deich.

dann dieses Wahlplakat: „Sie verlassen jetzt den schuldenfreien Sektor.“ Es erinnert an die Frontstadt-Mentalität von West-Berlin – und West-Berlin war im Vergleich zum ungeteilten heutigen Berlin doch auch reichlich verstaubt und unsexy. Auch das moderne Düsseldorf, selbst wenn es eher eine konservative Stadt sein mag, wird vermutlich nicht vom Lebensgefühl der Menschen beherrscht werden, man müsse ganz dringend den Einzug des Kommunismus aus dem Ruhrgebiet stoppen.

Dennoch kommen wir nicht daran vorbei, dass Düsseldorf auf hohem Niveau „leidet“ (wenn man es denn so nennen mag) und seine Komplexe nichts sind gegenüber denen, die das Revier im Allgemeinen und ganz besonders Duisburg plagen. Es gab viele gewitzte Gegenreaktionen auf Elbers‘ Spruch mit dem Zaun; dabei schwang immer das Lebensgefühl vom ehrlich malochenden Ruhrgebiet mit, das sich moralisch überlegen fühlt. Das ist nicht immer gerecht; hier würde ich mir manchmal etwas mehr Wohlwollen und weniger Neid gegenüber Düsseldorf wünschen. Dennoch ist man sich hier ja bewusst, dass Düsseldorf – aufgrund glücklicher

Drei-Scheiben-Haus: Das elegante Drei-Scheiben-Hochhaus (hinten) stammt aus der Nachkriegszeit und war lange Zeit das Hauptquartier von ThyssenKrupp, bis der Umzug nach Essen erfolgte. Demnächst wird hier unter anderem das Duisburger Reiseunternehmen Alltours einziehen.

Umstände, aber auch aufgrund gravierender politischer Versäumnisse im Ruhrgebiet – wirklich viel weniger Schulden und weitaus mehr Wirtschaftskraft hat als die Revier-Kommunen und sich dies auch in der Bevölkerungsentwicklung niederschlägt. Hinzu kommt, dass zwar viele Duisburger aus Heimatgefühl heraus ihre eigene Industriekulisse lieben, aber sich oftmals doch fragen, was daran schön ist beziehungsweise was Auswärtige daran denn nun schön finden sollen. Manche scheinen geradezu nach Gründen zu suchen, warum sie ihre eigene Stadt nicht lieben können. Das finde ich persönlich sehr schade, da Duisburg durch seine Lage am Wasser als bedeutende Hafenstadt und durch sein reichlich vorhandenes Stadtgrün sehr eigenständige Qualitäten zu bieten hat. Ich denke auch, wir sollten aufhören, über zu wenig Kultur in unserer Stadt zu jammern. Wir haben einige interessante Veranstaltungen, nicht nur im etablierten Mainstream-Bereich; aber eine wohlhabende Landeshauptstadt darf nicht der Quantitätsmaßstab für eine überschuldete Kommune sein, die trotz ihrer offiziellen raumplanerischen Einordnung als Oberzentrum letztlich Teil eines größeren Ganzen ist. Wenn wir innerhalb des Ballungsraums Rhein-Ruhr so viel zu bieten haben wie ein Bezirk innerhalb der Stadt Berlin, dann stimmen die Proportionen schon.

Die Verbindungen zwischen Düsseldorf und dem Revier sind loser geworden, seit ThyssenKrupp nach Essen gezogen ist und die gemeinsame Zukunft von U79 und Rheinoper auf dem Spiel steht. Düsseldorf hat sich vom Schreibtisch des Ruhrgebiets zur international orientierten Metropole entwickelt. Galt es noch vor zehn Jahren unter einigen meiner Essener Referendarskollegen als schick, in Düsseldorf zu wohnen, nannte Duisburg seine Königstraße gerne „Kö“ und sich selbst „Duisburg am Rhein“, um sich vom Ruhrgebiet abzugrenzen und der Rheinschiene zuzuordnen, so wurde letztes Jahr die Eröffnung des Düsseldorfer Kö-Bogens im Ruhrgebiet eher mit Achselzucken zur Kenntnis genommen. Und die neuesten Frotzeleien lassen eher an die Erzrivalität mit Köln denken – oder an die Witze aus Frankfurt über dessen Nachbarstadt Offenbach. Der Kommunalsoli hatte gar zu einem Rechtsstreit geführt, ob diese Solidarität gegenüber den überschuldeten Kommunen überhaupt eingefordert werden darf.

Düsseldorf Smiley: Unter OB Elbers fuhr Düsseldorf eine teure Imagekampagne, um von seinem versnobten Image wegzukommen. Über das neue Emblem 😀 , das einen Smiley im Internet darstellt, kann man unterschiedlicher Meinung sein.

Dabei profitieren beide Seiten gleichermaßen von einer guten Nachbarschaft. So wird Düsseldorf seine jahrelangen Versäumnisse in der sozialen Wohnungsbaupolitik am besten ausgleichen können, indem Menschen aus dem Duisburger und Essener Süden einpendeln und damit den Düsseldorfer Mietmarkt von der Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen entlasten. Damit dies aber funktioniert, muss weiterhin die Verbindung zwischen beiden Städten über den öffentlichen Personennahverkehr gewährleistet bleiben – sprich: Nicht nur Duisburg, auch Düsseldorf hat trotz der zu erwartenden erheblichen Kosten für die anstehende Instandsetzung der Sicherheitstechnik ein massives Eigeninteresse am Erhalt der U79, die deshalb unter keinen Umständen an der Stadtgrenze gekappt werden darf. Umgekehrt sollte Duisburg neben dem eigenen Arbeitsmarkt ein verstärktes Augenmerk auf Düsseldorf-Pendler richten. Denn wer pendelt, zahlt brav Steuern und bereitet wenig Sorgen. Und Duisburg darf nicht ständig darauf schielen, was Düsseldorf mehr hat: Wenn wir uns als großer Ballungsraum begreifen, ballt sich das Geschäftsleben in Düsseldorf; das kann Duisburg, selbst in seinem Zentrum, mit einer entspannenden Beschaulichkeit ausgleichen, die es sehr angenehm macht, hier seine Freizeit zu verbringen.

Und man kann das Ganze auch von der sentimentalen Seite betrachten: Duisburg und Düsseldorf sind die beiden ungleichen Geschwister am Niederrhein. Die eine Stadt wird noch immer von der Schwerindustrie dominiert, die aber immer mehr Arbeitsplätze abbaut. Die andere Stadt hat es leichter im Leben erwischt, kann aus dem Vollen schöpfen. Dennoch fließt durch beide Städte das gleiche Blut, das Lebenswasser der Hauptschlagader Rhein. Wenn die reiche Schwester gelegentlich großzügig zu der armen ist, die arme aber ihren eigenen Weg findet, Geschwisterliebe zurückzugeben: Dann steht am Ende eine glückliche niederrheinische Familie.

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