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Eye Tracking-Studie: Google schlägt Profit aus seinem „Rival-Links“-Vorschlag zur Einstellung des EU-Kartellverfahrens

Duration mit Clicks iPodDie Vorschläge von Google an die EU-Kommission, sogenannte „Rival Links“, also Links zu konkurrierenden Anbietern, in Suchergebnissen darzustellen, bevorzugen weiterhin stark die Google-eigenen Dienste und werden den Mitbewerbern nicht helfen mit dem Konzern zu konkurrieren. Dies belegt eine von der Online-Initiative ICOMP (Initiative for a Competitive Online Marketplace) beauftragte „Eye Tracking“-Studie https://db.tt/NZRzQxnV, bei der Augenbewegungen und Klicks von echten Usern gemessen werden, und die der EU-Kommission vorgelegt wurde.

Schon seit über fünf Jahren erreichen die Europäische Kommission Beschwerden von zahlreichen europäischen Unternehmen und Verbraucherschützern. Die Kommission hat Bedenken geäußert, dass Google seine Marktdominanz bei der Internetsuche dazu missbraucht, um Nutzer in Suchergebnissen vor allem zu den eigenen Angeboten von Google zu lotsen, statt zu den tatsächlich besten Ergebnissen für die entsprechende Suchanfrage.

Google wurde aufgrund dieser Bedenken aufgefordert Abhilfen vorzuschlagen, die diesen mutmaßlichen Missbrauch beenden und zukünftig verhindern. Der zweite Versuch eine umsetzbare, faire und effektive Lösung vorzulegen (den ersten hatten die Kommission und Marktteilnehmer im Juli zurückgewiesen) scheint den Missbrauch jedoch nicht zu beenden, sondern wie die aktuellen Forschungsergebnisse belegen, noch zu verstärken. Am 20. Dezember 2013 wurde durch ein Radiointerview mit EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia bekannt, dass die EU-Kommission auch diesen Vorschlag Googles nach eingehender Prüfung als unzureichend ablehnt.

Eine Studie des Instituts für Kommunikations- und Medienforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln http://www.ikm-dshs.de untersuchte jetzt, wo Besucher auf Suchergebnisseiten hinsehen, wie lange die Blicke der Nutzer auf Links ruhen, und welche Dienste sie anklicken. Die in der Studie untersuchten Seiten mit Suchergebnissen sind direkt dem zweiten Vorschlag Googles entnommen.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

Ein Beispiel: Die Ergebnisse einer Suche zu „iPod“ enthüllen, dass Produktbilder, die Aufmerksamkeit der User auf die „Google Shopping Ergebnisse“ führen: 56% der Versuchsteilnehmer klicken in diesen Bereich. Der Bereich mit Suchergebnissen anderer Anbieter („alternative search sites“) fand dagegen kaum visuelle Beachtung und wurde nur einmal angeklickt (Bild 1).

Ähnliche Ergebnisse lieferte das Testen der Suchergebnisse für ein Flugticket: Auch hier klickten die meisten Nutzer auf den „Google Flight Search“ Bereich mit „Sponsored Links“ (43 Prozent), während die Suchergebnisse alternativer Mitbewerber kaum angesehen und folglich nur viermal angeklickt wurden (11 Prozent), ein deutliches Zeichen dafür, dass „Google Flight Search“ im attraktivsten Bereich der Suchergebnisseite sitzt (Bild 2).

Bei der Suche nach „map london“ (also „stadtplan london“, eine Beispielseite nicht aus dem Vorschlag an die EU-Kommission, sondern so schon länger im echten Einsatz bei Google), ziehen sowohl der Bereich Google Maps wie auch die umstrittene Google Images Bildersuche die mit Abstand früheste, meiste und längste visuelle Aufmerksamkeit auf sich. Medienwissenschaftler nennen das einen Vampireffekt. Alle anderen Bereiche, inklusive der Angebote von Maps-Wettbewerbern, fallen dahinter weit zurück: 46 Prozent aller Nutzer klickten auf die Google Map, und weitere 36 Prozent klickten auf die Ergebnisse der Bildersuche Google Images. Zum Vergleich: das erste organische (echte) Suchergebnis auf der Seite, mylondonmap.com – ein Klon von Google Maps – konnte gerade einmal zwei Klicks verzeichnen, darunter die offizielle Seite der Verkehrsbetriebe London gar keine (Bild 3).

ICOMP-Justiziar David Wood sagte:

„Was wir hier sehen, gibt uns eine klare Vorschau darauf, was wir von den „Rival Links“-Vorschlägen Googles erwarten können: keine wirksame Abhilfe, und potentielle Steigerung des Missbrauch durch Google. Das Akzeptieren dieser Vorschläge durch die Kommission würde die marktbeherrschende Stellung Googles fördern und unumkehrbar verfestigen. Der neue Vorschlag würde Google zudem ermächtigen sein unlauteres Verhalten weiter zu monetarisieren, indem Google kleine und große Wettbewerber zwingt zu bezahlen, um in dem für Wettbewerber vorgesehenen „Rival Links“ Bereich zu erscheinen. Die relevantesten Suchergebnisse werden durch bevorzugte Platzierungen ersetzt: reserviert für Google Produkte selbst – oder an den Höchstbietenden verkauft. Wir von ICOMP sind weiterhin der Meinung: die einzig umsetzbare Lösung um wirksam Wettbewerb online wiederherzustellen und Verbrauchern zu geben was sie erwarten ist allen Diensten Gleichbehandlung  bei den Bedingungen der Ranking Platzierung zu geben. ICOMP bittet dringend die Kommission diese Erkenntnisse zu beachten.“

Michael Weber, Kartellbeschwerdeführer von Hot-Map.com und ICOMP-Mitglied, sagte:

„Die Suchergebnisseiten-Layouts, die Google der EU-Kommission vorgeschlagen hat, schützen Googles käufliche Shoppingeinträge und andere Google-Dienste, wie Google Maps. Sie geben Google den Löwenanteil aller Blicke und Klicks – und den vorgeschlagenen „Rival-Links“ der Wettbewerber fast keine. Insbesondere Maps- und Stadtplandiensten lässt diese Suchmanipulation kaum noch Besucher, wird in keiner Weise den Wettbewerb wiederherstellen und ist fatal für die ganze Online-Wirtschaft.“

Die Wissenschaftler legten besonderen Wert auf eine neutrale Studie, die Probanden nicht zu beeinflussen, sowie dass die untersuchten Google-Seiten schnell, beiläufig und natürlich, wie im Alltag betrachtet wurden. Es kann bei den getesteten Seiten ausgeschlossen werden, dass die Probanden die Google-Dienste als solche erkannten und deshalb bevorzugten, denn sie sind für Verbraucher auf den Suchergebnisseiten kaum von den anderen zu unterscheiden, wie eine weitere Studie belegt.

Den Wert von Eye-Tracking als Methodologie belegen Googles eigene Forschungsmethoden. Im offiziellen Google Blog vom 6. Februar 2009 schrieb Google: „Wir verwenden Eye Tracking Equipment in unseren Usability Labs. Dies lässt uns erkennen, wie unsere Probanden eine Seite durchsehen – das ist das nächstbeste tatsächlich ihre Gedanken lesen zu können“ In dem Post gibt Google zu, dass „die meisten Nutzer mit dem ersten oder zweiten Resultat fanden was sie suchten, und nie weiter nach unten auf der Seite gehen mussten.“ Damit demonstriert der Konzern, dass er sich der Macht der Positionierung auf Suchergebnisseiten bewusst ist.

Die von ICOMP beauftragte Pilotstudie zeichnete das Verhalten von 35 Nutzerinnen und Nutzern vor einem 46-Zoll-Plasmamonitor auf, während sie sich die von Google mit dem Vorschlag vom 21. Oktober 2013 bereitgestellten exemplarischen Suchergebnisseiten ansahen, sowie eine weitere Ergebnisseite mit einer Karte. Die Studie wurde in begrenzter Zeit durchgeführt, um sie innerhalb der engen Frist des Auskunftsersuchens der Europäischen Kommission einreichen zu können.

Downloads

Deutsche Zusammenfassung der Studie (15 Seiten, PDF):
https://db.tt/NZRzQxnV

Study report (English, 27 pages, PDF):
https://db.tt/0hlVb0M0

Eye Tracker Gerät mit Testperson:
JPG 5.5 MB: https://db.tt/0vVnZrqP

„Heat-Maps“ mit Mausklicks (weiß-rotes Maussymbol) und Blickintensität (rot für die längste, gelb für mittlere, grün für minimale und weiß für keine Betrachtungszeit)

Heat Map auf der vorgeschlagenen Google-Ergebnisseite für die Suche nach „ipod“: https://db.tt/YsXq110B

Heat Map auf der Ergebnisseite für die Suche nach einer Flugverbindung: https://db.tt/1kvesTkI

Heat Map auf der Ergebnisseite für die Suche nach einer „map london“ Karte von London: https://db.tt/p6uLVy1J

Alle o.g. Heat Maps als PNG-Dateien: https://db.tt/aEXa3uXY

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