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Platzhirsch-Festival – Tag 1: Von intimen Songs und Klanggewittern

Artenvielfalt galore: Vom Londoner Singersong-Writer über Klaus Steffen bis hin zu FM Einheit. Und zwischendurch noch Kreatur.

Den richtigen Spannungsbogen für ein Festival aufzubauen ist eine Kunst, die nicht nur im Ermessen der Festivalmacher sondern auch im Zusammenstellen der Programmpunkte des Zuschauers liegt. Da nach FM Einheit nichts mehr kommen kann – eigentlich – war klar dass dies an diesem Abend der letzte Punkt der Pflicht sein sollte. Zu Beginn daher intime Kost aus London, unplugged – Richard Walters, der es schon mal mit einem Song in die Serie „Criminal Minds“ geschafft hat. Wenn auch, wie er etwas ironisch zugibt, der Liebessong dann dazu genutzt wurde um eine Selbstmordszene plus schluchzenden Angehörigen zu untermalen. Das ist halt das harte Serienbusiness. Dass das Glück für intime und kleine Konzerte bestens geeignet ist bewies es ja schon reichlich und Richard Walters fühlte sich auch wohl. Und bekannte: „Ich wollte schon immer mal Friseur werden als ich noch klein war.“ Wobei der Londoner allerdings die Kombination mit Cafe und Friseur sehr faszinierend fand. Entspannte und harmonisch reichhaltige Songs über das Leben, die Liebe, seine Mutter und der Versuch im Soul zu wildern – gerade noch so eben meisterte Walters die bewußt hohen Passagen, die man bei Soul-Songs ja immer mal findet, allerdings charmant mit Ansage gemeistert – gaben dem Konzert im Glück eine sehr entspannte, mitwippende und darüber hinaus extrem lässige Atmosphäre. Den Namen sollte man sich merken. Und vielleicht ein bißchen Mitleid mit dem Fahrer haben; wer auf der Facebook-Page nachschaut wird feststellen, dass Walters momentan ein wahres Mammut-Tourprogramm bewältigt – nächster Halt: Dresden.

Kurz über die Außenbühne geschlichen zum nächsten Programmpunkt bekommt man Andre Meisners Kreatur-Projekt mit. Einerseits kann man nur bewundern was der Mann und sein Saxophon alleine für Klänge produziert, andererseits ist das Konzept live Samples zu erstellen und diese dann zu Songs zusammenzufügen nun nichts Neues. Immerhin: Nett, dass Meisner nochmal erklärt wie das Ganze funktioniert. Ansonsten jedoch weiß man nach zwei Stücken entweder dass man definitiv Fan ist – oder ebend nicht. Eher nicht so mein Fall.

Joscha Hendricksen & Klaus Steffen im Movies dann. Der Humor von Steffen erschließt sich nicht sofort und das ist das Problem dieser Veranstaltung – wenn mehrmals darauf angespielt wird dass es schon ein Vorher gab, so fällt es schwer demjenigen, der zum ersten Mal diese fortlaufende Evolution des Steffenschen Kosmosses beobachtet und sich in ihm einrichten möchte sich in das Ganze zu finden. Könnte man sich in die These der Schizo-Genesis – dem Erfinden von Persönlichkeiten im Modernen Leben und die Einsicht, dass wir alle irgendwie auch Rollen spielen – nun einfinden so findet man sich wenig später nach einigen Gehirnumdrehungen in einem Schattenkiosk-Kosmos wieder, der Schattenkiosk als zeitwanderndes Büdchen in dem sich so einiges an Material findet. So auch die Kurzgeschichte um Rache aus dem Jenseits. Hier greift Steffen auf die Machart der Gespenster-Geschichten zurück und referiert sogar später auf Verlage wie Kelter und Bastei, die triviale Stoffe verlegen. Das Prinzip der Rache aus dem Grab ist tatsächlich eines der Motive, die in  Trivialromanen und den erwähnten Comics häufig benutzt werden. Dass diesmal Duisburg als Handlungsort gewählt ist verleiht dem Ganzen natürlich einen eigentümlichen Reiz – und der Stil ist passend, ironisch ab und an dazu. Ironisch sind Trivialromane nur selten und die Gespenster-Geschichten hantieren auch eher mit dem Ethik-Holzhammer der Vergeltung. Aber ein Persiflage auf das Genre an sich? Dazu wiederum arbeitet die Kurzgeschichte zu sehr mit dem etablierten Elementen. Unterhaltsam war sie  jedoch allemale und die Formel des „Seltsam, aber so steht es geschrieben“ verankert die Geschichte nun endgültig im kulturellen Kosmos des Trivialen. Joscha Hendricksen als Widerpart Steffens rückte bisweilen den Mystizismus der Kunstfigur, die Steffen verkörperte, wieder gerade und das tat als Erdung ganz gut. Im Prinzip muss man bei Steffen wohl ständig auf dem Laufenden bleiben um letztendlich zu verstehen was da vor sich geht. Wem das nicht gelingt, dem fehlen bei einer solchen Veranstaltung etliche Querbezüge – und der muss bei manchen Pointen auch einfach achselzuckend danebenstehen.

Bei FM Einheit ging es dann im Grammatikoff um Krieg. Die antreibende, ryhthmische und stählerne Musik – FM Einheit beherrscht Stahlfedern nun wirklich komplett als Instrumente – erinnert einen zum Teil an die ersten Alben der Einstürzenden Neubauten. Der Vergleich liegt natürlich bei FM Einheit auf der Hand, andererseits kann man sich auch nicht des Gefühls erwehren dass bisweilen Rammstein sich eine Prise von FM Einheit entliehen haben. Und während das Hämmern auf Stahlfedern, das Kreischen des Cellos, das dumpfe Gedröhne der Tuba auch musikalisch wirklich hervorragend waren so kippt nach der Hälfte des Sets beim Anhören der Texte das Ganze in eine Richtung, die schwer zu beschreiben ist. Ja, es geht um Krieg und es ist schon erschreckend wenn ein Song darin besteht alle Kriege von 1900 ab bis heute aufzulisten – hier dann wieder passend die dumpfe, treibende Musik als Urschrei des Panzerkettenrasselns – und sicherlich ist die Räuberromantik des ersten Songs deutlich unterwandert von der Musik – im Endeffekt gibts hier keine Romantik, da es auch keinen Gesang an sich gibt. Da aber die restlichen Texte allesamt aus der Perspektive von Soldaten erzählt sind beschleicht den Zuhörer mit der Zeit ein Unwohlsein, eine Erinnerung daran dass Texte dieser Art nun gerade zwar nicht den Krieg an sich verherrlichen, andererseits besteht auch eine gewisse Faszination darin. Und wenn unkritisch eine Erinnerung eines Menschen an die „dreckigen Polen“ rezitiert wirdund daran wie mit den Nazis alles besser auf dem Dorf wird ebenso wie „Ich hatt einen Kameraden“ von Uhland in sein Gegenteil verkehrt wird – und was will uns FM Einheit damit sagen? Dass jeder, der nicht im Krieg mitmacht halt ein schlechter Kamerad ist? Soll der Song gegen das Desertieren von der Front gerichtet sein, was allerdings dann auch wieder nicht unproblematisch wäre? – kurz: In manchen Momenten fehlt hier einfach das Gegengewicht, fehlt das Ausbalancierte. Wenn zudem sich die Zuhörer auch nur im Sound verlieren zu scheinen so fragt sich ob von den Texten überhaupt irgendwas wirklich angekommen ist. Vielleicht setzt FM Einheit zu sehr auf den Menschen, der das als Antikriegs-Projekt zu Hause nochmal reflektiert – vielleicht.

 

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