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Rechtsextremismus in Duisburg 2012 (Teil 2): Die Antifa über drei ehrenwerte Herren

Antifa

Antifa (Photo credit: Wikipedia)

Die Antifa hat einen Bericht mit dem Titel „Rechtsextremismus in Duisburg 2012“, eine Art lokaler Verfassungsschutzbericht von linksunten, der sich durch ein überraschendes Maß an Realitätskongruenz auszeichnet. Am Ende befassen sich die am linken Rand des politischen Spektrums zu verortenden Autoren mit dem „Rassismus und Antiziganismus aus der `Mitte der Gesellschaft´“, das gestern hier dokumentiert wurde. Damit haben sie – nicht ganz so überraschend – für Empörung gesorgt – wahrscheinlich bei denjenigen, die dort Erwähnung gefunden haben, jedenfalls bei einigen, die die derart Gescholtenen nicht gern „in einem Atemzug“ mit organisierten Rechtsextremisten genannt wissen möchten. Nun führen die Autoren die Personen aus der „Mitte der Gesellschaft“ zwar nicht „in einem Atemzug“ mit den Neonazis von der NPD und anderen einschlägigen Vereinigungen auf, aber eben doch in einer Publikation. Zudem sprechen sie von „Ausfällen bürgerlicher Rassist_innen“, was die Schlussfolgerung aufdrängt, dass es sich bei den Genannten um Rassisten handeln müsse.

 

Eine solche Bezichtigung ist freilich schwerwiegend, verletzend und alles Andere als unproblematisch. Allerdings verhält es sich bei den Belegen, die die linksunten-Gruppe auf Indymedia anführt, nicht viel anders. Gestern sind wir bei Dr. Michael Willhardt stehengeblieben, eigenen – glaubhaften – Angaben zufolge ein „Altlinker“, der sich im Sommer 2011 namens einiger Hochfelder Hauseigentümer in einem Offenen Brief an die Stadt Duisburg gewandt hatte. Darin möchte er „gegen den Zuzug von Bulgaren“ und „die damit einhergehende Verwahrlosung der Zivilgesellschaft“ protestieren. Freilich sind Willhardt und „alle Mitstreiter“ selbstredend „unbedingte Verfechter der europäischen Idee“, was schon allein deshalb erwähnenswert ist, weil man noch nie etwas von deren Verfechtungen gehört hatte. Willhardt und seine Kampfgefährten, die es „begrüßen würden, wenn…“ – so ganz ohne Bedingungen kommen auch die „unbedingten Verfechter“ nicht aus – „wir hier zivilisierten Menschen aus welcher Nation der Welt auch immer begegnen“. Ab wann darf man es Rassismus nennen?!

 

Die jungen Leute von der Antifa belassen es bei der Formulierung, dass Willhardt „damit den Alltagsrassismus nährte“. Irgendwelche Einwände? Wie sollte man Ihres Erachtens jemanden nennen, der als unbedingter Verfechter der europäischen Idee gegen den Zuzug von Bulgaren“ protestiert, weil damit eine Verwahrlosung der Zivilgesellschaft einhergehe? Der mit dem Diktum „nicht zivilisiert“ vorgibt, auf zivilisationstheoretische Überlegungen zu rekurrieren, wo es ihm allein darum geht, unterschwellig auf die ethnische Zugehörigkeit der Neubürger anzuspielen? „2012 setzte der Vorsitzende des Vereins“, um mit dem Antifa-Bericht fortzufahren, „Michael Willhardt, noch eins drauf und kündigte mit den Worten `Hochfeld ist nicht zu retten´, analog zu Oswald Spenglers Märchen vom Untergang des Abendlandes, den Untergang Hochfelds aufgrund der Zuwanderung an.“ Als ob wir am Untergang Deutschlands nicht schon genug zu knabbern hätten, warnt Willhardt nun auch noch vor dem Untergang Hochfelds. Der Mann ist promovierter Soziologe; der muss es ja wissen.

 

Mit der Formulierung, dass er „damit den Alltagsrassismus nährte“, ist Willhardt ganz gut bedient. Warum nun auch noch Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ angeführt und Willhardt damit in die Nähe des Faschismus gerückt werden musste, bleibt das Geheimnis der Autoren. Mag sein, dass einer von ihnen kürzlich ein Sprengler-Seminar belegt hatte, und uns erklären könnte, dass Willhardts Gequatsche alle Züge präfaschistischer Stimmungsmache aufweist, allein: das macht aus einem Willhardt noch lange keinen Sprengler. Genau so, wie durch das unwissenschaftliche Verquirlen nicht so recht zusammenpassender Begriffen wie „zivilisiert“ und „Zivilgesellschaft“ aus einem Schmock noch lange kein großer Soziologe wird. Zu Willhardts Kommunikationsmanagement in 2012 wäre noch weit mehr zu erzählen gewesen, doch nach diesen wenigen Zeilen sind die Leute von linksunten mit dem „Märchen von Hochfelds `Untergang´” durch. Ich würde auch sagen: es hat gereicht; zumal: nun wenden sie sich den „geschichtsvergessenen `Deportationswünschen´ in Bergheim“ zu.

 

Hier haben wir es in der Tat mit einem anderen Kaliber zu tun, was möglicherweise erklärt, dass selbst die Antifa Herrn Dr. Willhardt – zurecht, wie ich finde – den Rassismusvorwurf erspart. Was sich einige Mitbürgerinnen und Mitbürger des Stadtteils, in dem ich lebe, in 2012 erlaubt haben (und immer noch erlauben), … – nun, die Unterüberschrift gibt schon einmal den passenden Vorgeschmack: „geschichtsvergessene `Deportationswünsche´ in Bergheim“. Wobei: das von den Autoren gewählte Attribut „geschichtsvergessen“ stimmt mit den Tatsachen nicht ganz überein. Insofern liegen die Dinge noch schlimmer, als die Überschrift glauben machen könnte. Hans-Wilhelm Halle, Anstifter und Anführer der rassistischen Umtriebe in Duisburg-Bergheim, weiß nämlich nur zu genau, was es mit dem, im Grunde in unserer Gesellschaft zurecht geächteten, Begriff der „Umsiedlung“ – auch und gerade in Zusammenhang mit „Zigeunern“ – auf sich hat. „Nazizeit – damit habe ich nichts zu tun“, beschied er mir, ohne dass ich ihm mit der „Nazikeule“ gekommen wäre. „Denn da war ich noch gar nicht auf der Welt.“ Er sieht das wirklich so.

 

Zum Text des Rechtsextremismus-Berichts 2012 der Antifa: „Im Herbst 2012 erreichte der Diskurs um Zuwanderung aus Südosteuropa…“ – wie gesagt: Halle ist ein politisch gut informierter Mensch. Aber mit ihm einen „Diskurs“ um Zuwanderung aus Südosteuropa zu führen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Egal, weiter im Text: besagter Diskurs erreichte „mit der Forderung nach einer `Umsiedlung´ in Duisburg-Bergheim ansässiger Zuwander_innen – einen neuen antiziganistischen Höhepunkt.“ Ja, so war das. Sodann werden neben Hans-Wilhelm Halle die weiteren Erstunterzeichner genannt (die ich hier nicht namentlich nennen möchte; daher die etwas zerhackte Zitierweise). Konkret gehe es bei der Unterschriftensammlung um eine Fülle „kulturrassistischer und wohlstandschauvinistischer Begründungen für die Forderung (nach Umsiedlung der Zuwanderer). Etwa 300 Menschen aus dem Viertel unterschrieben dieses Papier.“ So weit bekannt, die Lokalzeitungen u.a. hatten darüber berichtet.

 

Die Adjektive „kulturrassistisch“ und „wohlstandschauvinistisch“ zeugen ein wenig von einem Sektendeutsch, treffen den Nagel aber auf den Kopf. Hätten die Autoren statt ihres Szenesprechs original aus der Unterschriftensammlung zitiert, nämlich einem Offenen Brief an politische Entscheidungsträger, wäre uns nur die politische Fortbildung verlorengegangen, der Text selbst wäre jedoch um keinen Deut appetitlicher geworden. Ganz gewiss nicht! „Doch damit hatten“, fahren die Indymedia-Leute fort, „die Rassist_innen nicht genug“. Nun gut, so spricht man halt bei Linksradikalinskis: der Klassenfeind kriegt nie genug, die Rassisten haben nie genug, und heißen heutzutage – allein schon wegen der dringend gebotenen Gender-Korrektheit – „Rassist_innen“ (immerhin sind die Frauen linksunten gleichberechtigt). Man mag diesen Sound amüsant finden oder auch nicht; was berichtet wird, ist die Wahrheit: „Anfang Oktober verteilten einige von ihnen Flugblätter vor dem Rathaus mit der Überschrift `Raus mit den Zigeunern´.“ Wobei „einige von ihnen“ nahelegt: es seien deutlich weniger als 300 Menschen gewesen.

 

Tatsache ist aber, dass „einige von ihnen“ ganz schön Viele vor dem Rathaus Rheinhausen waren, als im Oktober 2012 drinnen die Bezirksvertretung tagte. Aggressive Stimmung, ein rassistisch aufgeputschter Mob, der demokratisch gewählte Volksvertreter unter Druck setzen wollte. Ein in dieser Form gewiss einmaliger Vorgang, geschehen vor knapp einem halben Jahr. Keine Zugereisten, keine organisierten Nazi-Kader, sondern ausgebrachter ortsansässiger Pöbel, wie wir es aus Westernfilmen in Dodge City kennen. Kleiner Unterschied: kein Western ohne den Helden, der dem Mob zuruft: „Leute, geht nach Hause!“ Worauf sich die ach so braven Bürger artig verziehen. Nun haben wir gottlob in Rheinhausen keinen Führer, dem die hässlichen Mitbürger immer und umstandslos folgen würden. Auch Karsten Vüllings, Sprecher der bürgerlich-liberalen Wählervereinigung (BL) in Rheinhausen, entspricht nicht zu 100 % dem Typus des Westernhelden. Doch in der damaligen, auch von ihm als zugespitzt empfundenen Situation will er deeskalierend gewirkt haben.

 

Um überhaupt in diesem Klientel, das 70 bis 80 Jahre hinter der Zeit zurückgeblieben zu sein scheint, Gehör finden zu können, muss Vüllings sich notwendig darauf einlassen, „Volksnähe“ unter Beweis stellen. Gleichzeitig ist er Mandatsträger für die BL in der Bezirksvertretung. Man kann es Basisverankerung eines Lokalpolitikers nennen, unter den gegebenen Umständen ist es zwingend auch ein Doppelspiel. Die Antifa, die Vüllings namentlich gar nicht erwähnt, sondern nur die BL, stellt in ihrer Darstellung freilich nur die eine Seite heraus: „Unterstützung erfahren sie (die „Bergheimer Rassist_innen“) von der Kleinstpartei `Bürgerliche Liberale´, welche auf der Webseite ihrer Zeitung die Unterschriftensammlung hostet und für weitere rassistische Aussagen der Anwohner_innen eine Plattform bietet, sowie in ihren Artikeln selbst eine Ethnisierung sozialer Probleme betreibt, in dem z.B. Fotos von Müll die Bildunterschrift `Müllentsorgung auf bulgarisch!´ erhalten.“ So steht es im Indymedia-Bericht; alles zutreffend, mit Quellenangaben bestens belegt.

 

Andererseits hilft Vüllings – und er ist die BL in Rheinhausen – aber auch tatkräftig mit, dass die Romakinder Schulunterricht erhalten können. Kein Zweifel: Karsten Vüllings ist kein Rassist. Dies wird auch nicht einmal von der Antifa behauptet. Genauso außer Zweifel steht, dass sein Doppelspiel ein gefährliches Spiel ist. Es gehört sich für einen Demokraten nun einmal nicht, für “Deportationswünsche” auf seiner Internetseite Reklame zu machen. Man muss sich schon entscheiden, ob man bürgerlich ist, gar liberal, und dafür schuftet, dass die Kinder der Ärmsten der Armen wenigstens schon einmal einen Klassenraum haben, oder ob man Propaganda für deren Umsiedlung macht. Vüllings will dieser Entscheidung ausweichen. Es liegt nicht einmal eine Woche zurück, dass er – gemeinsam mit Rolf Karling – für den Unterrichtsraum der Zuwandererkinder geschuftet hat. Es ist nicht einmal einen Monat her, dass er demonstrativ der Protestkundgebung gegen die Pro-NRW-Faschisten ferngeblieben ist und stattdessen an einem öffentlich angekündigten Frühstück bei der Familie Halle teilgenommen hatte.

 

Hans-Wilhelm Halle hat aber, um zum Ende des linksunten-Kapitels wie auch dieses Artikels zu kommen, in einem Interview bestätigt: „Wir wollen ja auch nicht mit denen sprechen. Wir wollen die weg haben.“ Die abschließende Wertung der Antifa, dass Halle und Konsorten „ein brandschatzender Mob aus der rechten Szene nur entgegenkäme“, ist sicherlich sehr weitgehend und – auch in juristischer Hinsicht – gewagt. Eine völlig aus der Luft gegriffene, völlig aus den Fingern gesaugte bösartige Unterstellung linksradikal-verbrannter Hirne ist es aber nicht. Aktivitäten des organisierten Rechtsextremismus in Bergheim kommen Halle entgegen, und sein wiederholtes Aufmerksammachen auf die brandschutztechnischen Unterschiede zwischen dem „Romahaus“ in Rheinhausen-Bergheim und den Mietshäusern in Rostock-Lichtenhagen damals klingen weniger nach humanitärer Sorge als nach bösartigem Zynismus. Denn Hans-Wilhelm Halle ist ein unbelehrbarer und damit letztlich unberechenbarer Rassist. Die Antifa hat keinen arglosen Normalbürger verunglimpft; sie hat auf ein reales Problem aufmerksam gemacht.

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