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„Es wird immer schlimmer in Duisburg und wir alle wissen woran das liegt“

Vorgestern tauchte in der Facebook-Gruppe „Stadtpolitik Duisburg“ ein kleines Posting auf. Der unter einem Pseudonym bloggende Autor dieser kurzen Anmerkung hat es nach kurzer Zeit und ersten Protesten selbst wieder gelöscht. Es bestand nur aus zwei, drei Sätzchen, nämlich diesen hier: „Bild aus dem Stadtteil HochfeldEs wird immer schlimmer in Duisburg und wir alle wissen woran das liegt – Holt noch mehr Leute rein und überlasst sie sich selbst…“

Kein Sterbenswörtchen über Roma, nicht einmal über Zuwanderer „aus dem Balkanraum“, und schon gar nicht über „Zigeuner“. So what?! Da kann man eigentlich nicht meckern. Auch in der unmittelbar folgenden ots-Meldung vom gleichen Tage, die eine Reihe von Wohnungseinbrüchen in Duisburg auflistet, ist ausschließlich die Rede von „Tätern“, „Einbrechern“ und „Unbekannten“. Ja, wenn man nicht einmal mehr das sagen darf!

 

Mittlerweile muss die Behauptung eines Zusammenhangs zwischen ethnischer Zugehörigkeit und kriminellem Verhalten nicht mehr offen ausgesprochen werden. „Wir alle wissen, woran das liegt.“ Es liegt, das ist der Subtext, an der Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien. „Wir alle wissen“… „das“ – sprich: wer das nicht weiß, weiß gar nichts. Das ist Punkt 1.

Das weiß angeblich also jeder, um präzise zu sein: „wir alle“. Womit wir bei Punkt 2 wären. Alle Anderen wissen es zwar auch; nur: auf die kommt es nicht an. Schließlich sind wir die Betroffenen oder, weil von Kriminalität die Rede ist, die Opfer. „Wir alle“ – das sind die Einheimischen (wenngleich nicht alle; dazu später mehr). Täter sind – Punkt 3 – die Fremden, wodurch die aus dem Polizeideutsch bekannten „Unbekannten“ durch beherztes Aussprechen plötzlich greifbar werden.

 

„Wir alle“, wissend, trotzdem die Opfer. Ja, wie blöd kann man denn sein?! – Es ist bemerkenswert, wie diese in ein paar wenigen Wörtchen zum Ausdruck gebrachten drei Punkte einen immensen Handlungsdruck erzeugen. „Wehrt Euch!“ Auch mit nur zwei Wörtern läßt sich die Botschaft formulieren. So gesehen wirkt der 6-Wörter-Halbsatz „wir alle wissen woran das liegt“ fast schon umständlich.

„Wehrt Euch!“ Es eilt; denn – Punkt 4 – „es wird immer schlimmer“. Womit wir jetzt fast alle Elemente dieser – in der Tat nicht besonders originellen – Figur zusammen hätten. Die Sache ist völlig klar (Punkt 1), sie läuft voll gegen uns (Punkt 2), weil wir von bekannten Unbekannten, die von außen in unser Land eingedrungen sind (Punkt 3), ausgeraubt werden. Mindestens mal; denn es kann nur noch schlimmer werden (Punkt 4). Das ist ja völlig klar (wieder Punkt 1).

 

Zum Verzweifeln. Warum bloß hilft uns denn niemand?! Die Antwort auf diese spannende Frage liefert der noch fehlende, wichtigste Punkt. Punkt 5, das sind diejenigen, die in dieser Figur auch noch vorkommen. Wir alle sind nämlich nicht gänzlich allein mit diesen kriminellen Unbekannten. „Holt noch mehr Leute rein und überlasst sie sich selbst…“, heißt es in dem Posting sarkastisch.

Zweite Person Plural: „ihr“. Nun handelt es sich bei der Verwendung dieser zweiten Person Plural um einen agitatorischen Trick. Denn ob man diese Leute (dritte Person Plural) anspricht oder ob in China ein Sack Reis umfällt, … – sie werden uns ohnehin nicht helfen. Sie tun sowieso nichts… – außer Leute reinholen und diese sich selbst überlassen.

 

Im Grunde sind diese Leute (Punkt 5), die man allenfalls vergeblich um Hilfe anflehen kann, noch schlimmere Feinde als diese bekannten Unbekannten (Punkt 3), die halt so sind, wie sie sind, die nun einmal – wie es in einem späteren Posting heißt, Mein und Dein nicht unterscheiden können. Keine Frage, dass es sich bei diesem Punkt 3, auch wenn weder Roma noch „Zigeuner“ offen aus- bzw. angesprochen werden, um ein rassistisches Stereotyp handelt.

Doch das ist nicht der entscheidende Aspekt. Er ist auch wenig umstritten. Zwar verwahrt man sich in aller Entschiedenheit gegen den Rassismusvorwurf, wann immer er geäußert wird. Das Dementi kommt jedoch genauso formal wie heftig. Die Hautfarbe, die Fremdsprache und dergleichen spielten keinerlei Rolle, wird pflichtschuldigst versichert. Es sei aber nun einmal so, dass diese Zuwanderer „aus dem Balkanraum“ kriminell seien und auch nur aus diesem Grunde zu „uns“ kämen.

 

Allein: sie kommen ja nicht einfach so. Sie werden geholt. Reingeholt von nicht näher verorteten Mächten. Aus Motiven, die ebenfalls völlig unbekannt sind, die aber nur unehrenhaft bis zum Gehtnichtmehr sein können. Menschen reinzuholen, von denen „wir alle wissen“, dass sie – gleichsam von Natur aus – Mein und Dein nicht unterscheiden können, um diese danach sich selbst zu überlassen, ist erstens eine ziemliche Gemeinheit (egal) und zweitens ein planmäßig und dauerhaft durchgezogener Anschlag auf unser Eigentum. Falls nicht vorhanden: auf unser Wohlbefinden, auf unsere Gesundheit, auf unsere Heimat…

Wir alle wissen, woran das liegt. Das liegt an den Politikern. An welchen Politikern genau, wissen wir zwar nicht. Aber wir ahnen, warum die das machen. Sie sagen es ja selbst: wegen Europa und so. Auf Deutsch: für die Wirtschaft. Punkt 5, das sind also Kabinett und Kapital, Politiker und Reiche, oder einfach: die da oben. Spätestens an dieser Stelle spielt der Umstand, dass die Politiker, ob man sie nun mag oder nicht, demokratisch gewählt werden, keinerlei Rolle mehr.

 

Punkt 5, die da oben, das sind unsere Hauptfeinde. Der Kapitalismus, dieses verflixte Europa, immer mehr Ausländer bei uns – früher war alles besser. Heute kommt nur noch Punkt 4 zum Zuge: „es wird immer schlimmer“. Die Zeit, wie gesagt, drängt. Die Politiker, auch sonnenklar, werden uns nicht helfen. Eigentlich müssten „wir alle“ uns erheben und… – auf jeden Fall schon mal als erstes diese ganzen Politiker in die Wüste schicken. Und diese ganzen Zuwanderer natürlich gleich mit.

Da bräuchten „wir alle“ natürlich einen, der dann mal so richtig durchgreift. Nein, nicht im Sinne von Hitler oder so (schlimm, dass einem gleich wieder so etwas unterstellt wird!). Einfach einer, der das Ruder rumreißt, damit es nicht weiter immer schlimmer wird – in Duisburg und anderswo.Der selbstverständlich keine Leute mehr reinholt, sondern die, die schon hier sind, wieder nach Hause schickt. Als erstes mal diese Kriminellen aus der Balkan-Ecke. Danach gucken wir dann mal, wer sich anpassen kann und wer nicht.

 

Die Polizei weiß doch schon heute ganz genau, wie der Hase läuft. Hinter vorgehaltener Hand erzählen die sich doch, was da so alles abgeht! Aber die dürfen ja nichts machen. Die Polizei muss die alle wieder laufen lassen. So will es die Politik. Für die Polizisten ist das auch blöd. Die machen einen guten Job, aber letztlich ist die ganze Arbeit für die Katz´. Und die Leidtragenden sind wir. Wir alle…

… so weit. An dieser Stelle ist nun ein Punkt erreicht, an dem ganz problemlos der hier präsentierte Rechtspopulismus nur noch als offener Faschismus weiterentwickelt werden könnte. Sie finden das alles reichlich „überinterpretiert“? Man könne diese zwei, drei kleinen Sätzchen auch ganz anders zu Ende denken. Wie denn?! „Es wird immer schlimmer in Duisburg und wir alle wissen, woran das liegt – Holt noch mehr Leute rein und überlasst sie sich selbst…“

 

Was, meinen Sie, soll denn wohl mit den Roma gemacht werden, wenn die nicht mehr sich selbst überlassen werden?

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