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Wenn es keine Ratingagenturen gäbe…

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Trimmed version of photograph released from the German Federal Archive of the German theatre director, dramatist, poet and theorist Bertolt Brecht in 1954. (Photo credit: Wikipedia)

Diese Ratingagenturen – schlimm! Insofern: ganz gut, dass die EU jetzt mal rangegangen ist, diese Oberkapitalistenbuden stärker an dieKandare zu nehmen. Die Ratingagenturen werden strengeren Regeln unterworfen; das wurde aber auch wirklich einmal Zeit. Aber, wie das so ist: die ganze Übung erweist sich als ein ziemlich hilfloser Versuch. Der Herr Moody hat seine Ruhe, Standard & Poor´s bestimmt auch, um von Fitch erst gar nicht anzufangen. Das ist ja mal wieder typisch. Für die da in Brüssel*.

Dabei sollte man meinen, dass Alles so schön sein könnte, wenn es keine Ratingagenturen gäbe. Wenn es keine Ratingagenturen gäbe, wäre der Kapitalismus dann nicht viel sozialer, letztlich also irgendwie menschlicher, zum Beispiel auch deshalb, weil dann das Kapital viel netter zu den Menschen wäre, die unglücklicherweise überhaupt kein Kapital haben? „Wenn die Haifische Menschen wären“, fragte Herrn K. die kleine Tochter seiner Wirtin, „wären sie dann netter zu den kleinen Fischen?“ „Sicher“, sagte er.

Und genau so oder zumindest so ähnlich muss man sich das auch in etwa vorstellen, wenn es keine Ratingagenturen gäbe. Also in etwa genauso schön, wie wenn die Haifische Menschen wären. Allein, wenn man das beim Brecht einmal nachliest, wie dann die Post abgeht – so mit Investitionen in die Infrastruktur, Bildung und so weiter und sofort… – wenn die Haifische Menschen wären. So in etwa ginge das dann auch hier ab, wenn, ja wenn es keine Ratingagenturen gäbe.

Das ist ja auch absolut logisch. Dafür muss man nicht erst ein Ökonomiestudium absolviert haben, um das einsehen zu können. Wenn es nämlich keine Ratingagenturen gäbe, dann würde einfach nicht mehr so viel herumspekuliert. Das ist ja klar. Denn diese Goldmänner, Moodys und Fitche, die reden den Leuten- also vor allem den Kapitalisten – doch ein, dass sie ihr Geld zu den – Achtung! – Finanzmärkten bringen sollen. Und wenn sie dann genau diese Aktien oder genau jene Staatsanleihen kaufen würden, dann wären sie bald noch reicher, als sie sowieso schon sind.

Und die armen Kapitalisten, oder sagen wir besser einmal: Kapitalanleger, das klingt nicht ganz so nach Revolution und Mistgabel und so… – jedenfalls: die sind dann so doof und machen das auch noch. Die schleppen echt ihre Kohle genau dahin, wo diese Ratingagenturen ihnen gesagt haben, dass sie es machen sollen. Und einmal – stellen Sie sich das bloß einmal vor! – haben die damit sogar richtig viel Geld verloren. Ich sage bloß: Finanzkrise. Schlimm sowas! Zumal: diese Ratingagenturen haben selbst damit noch Geld gewonnen. Absichtlich!

Wenn es keine Ratingagenturen gäbe, dann würde das ganze Kapital nicht mehr in irgendwelche obskuren Finanzmärkte gesteckt, sondern vernünftig angelegt, und zwar dort, wo es hingehört. Jawohl: dorthin, wo es Arbeitsplätze schafft. Ehrliches Kapital für ehrliche Arbeit statt Rumgezocke in irgendwelchen Spielcasinos. Das hat sich doch Alles richtiggehend zu so einer Art Casinokapitalismus entwickelt. In Amerika. Und unsere Leute wurden dann irgendwie da mit reingezogen. Damit muss nun aber wirklich mal langsam Schluss sein! Diese Amis und Goldmann und Sachs…

Wenn es keine Ratingagenturen gäbe, dann würde das nämlich endlich auch wieder Alles funktionieren. Früher ist das doch auch Alles gelaufen. Die Gewinne von heute waren die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen**. Das klappt natürlich nur dann, wenn die ganzen Profite auch schön wieder reinvestiert und nicht in Übersee-Zockerbuden verbraten werden. Doch genau das ist seit einiger Zeit wohl modern geworden. Schuld daran ist die Gier. Schlimm genug, aber die steckt ja in jedem von uns. Immer schon, Natur des Menschen sozusagen.

Aber diese Ratingagenturen, die sind neu, glaube ich jedenfalls. Die fachen doch dieses Spiel, das uns Alle ins Verderben bringen könnte, erst richtig an. Dagegen: wenn es keine Ratingagenturen gäbe, logisch: dann wäre mit Alledem ein für alle Male Feierabend. Die Wirtschaft würde weltweit, aber auch nachhaltig, also behutsam wachsen. Die Armut in der Dritten Welt, aber auch bei uns, würde Schritt für Schritt abgebaut, der Klimawandel gestoppt… Alles und noch viel mehr, wenn ich zu sagen hätte und es bloß nicht diese verfluchten Ratingagenturen gäbe!

Wir wären diese Krisen los, diese Arbeitslosigkeit und all den Scheiß. Die Menschen würden so viel produzieren, wie gebraucht wird, oder anders ausgedrückt: so viel verbrauchen, wie hergestellt wurde. Kapitalismus mit menschlichem Antlitz sozusagen. Wenn es keine Ratingagenturen gäbe, wie gesagt, das wäre etwa so, wie wenn die Haifische Menschen wären. Brecht schließt mit dem Fazit: „Kurz, es gäbe überhaupt erst eine Kultur im Meer, wenn die Haifische Menschen wären.“ Oder: es gäbe überhaupt erst eine Kultur im Kapitalismus, wenn keiner mehr vorsagt.

 

*Dass sich insbesondere der Bundesverband der Deutschen Industrie für die drei US-amerikanischen Ratingagenturen verwendet hatte, soll an dieser Stelle nicht unnötigerweise erörtert werden.

** „Ein Blick auf die Daten der vergangenen 30 Jahre zu Gewinnen und Arbeitslosigkeit lässt eher vermuten, dass die Ergebnisse den Lobbyisten der Wirtschaft einfach nicht passten.“ (Gerd Bosbach, Wirtschaftswissenschaftler)

 

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